Die regierungstragenden Fraktionen für die 20. Wahlperiode des schleswig-holsteinischen Landtags sind übereingekommen, dass der Einsatz von körpernah getragenen Aufnahmegeräten, sogenannte „Bodycams“, sowohl Polizistinnen und Polizisten als auch Bürger gleichermaßen vor Gewalt und unzutreffenden Anschuldigungen schützen kann.
Eine Bodycam kann in speziellen Gefahrensituationen deeskalierend wirken und die Wahrscheinlichkeit für einen Übergriff reduzieren.
Sofern mit der Bodycam Aufnahmen gefertigt worden sind, können diese als Beweismittel genutzt werden.
Bodycams sind offen getragene Videokameras, die ein Einsatzgeschehen mit Videobild und Ton dokumentieren können.
Im Landesverwaltungsgesetz ist abschließend geregelt, unter welchen Bedingungen die Bodycam genutzt werden darf.
§ 184 a LVwG – Einsatz körpernah getragener Aufnahmegeräte
(1) Die Polizei kann an öffentlich zugänglichen Orten personenbezogene Daten durch den offenen Einsatz körpernah getragener Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte erheben, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass dies zum Schutz von Polizeibeamtinnen oder -beamten oder Dritten vor einer im Einzelfall bevorstehenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder für die sexuelle Selbstbestimmung erforderlich ist. Gleiches gilt für Räume, die nicht der Wohnung dienen, wie Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume, und auf befriedetem Besitztum zu einer Zeit, in der der Raum oder das befriedete Besitztum bestimmungsgemäß für die Allgemeinheit geöffnet ist.
(2) In Wohnungen und an anderen Orten, die nicht unter Absatz 1 fallen, ist die Erhebung personenbezogener Daten im Sinne des Absatzes 1 nur zulässig, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass dies zum Schutz von Polizeibeamtinnen oder -beamten oder Dritten von einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder für die sexuelle Selbstbestimmung erforderlich ist. Eine Datenerhebung darf nicht,erfolgen und ist zu unterbrechen, solange sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Daten dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Die Maßnahme darf außer bei Gefahr im Verzug nur durch einsatzleitende Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte vor Ort angeordnet werden. Die erhobenen Daten dürfen erst weiterverarbeitet werden, soweit richterlich festgestellt ist, dass die Datenerhebung rechtmäßig war und die Weiterverarbeitung zulässig ist. Für das Verfahren zur Herbeiführung der Feststellung nach Satz 4 gilt § 1 86 Absatz 6 entsprechend.
(3) In einem Raum, der der Berufsausübung einer Person dient, die aus beruflichen Gründen zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist, dürfen keine Daten nach Absatz 1 oder 2 erhoben werden.
(4) Auf eine Aufnahme nach Absatz 1 oder 2 ist in geeigneter Form hinzuweisen, soweit nicht Gefahr im Verzug besteht. Eine wegen Gefahr im Verzug unterbliebene Mitteilung ist unverzüglich nachzuholen. Die Datenerhebung darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind.
(5) Die Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte erheben im Bereitschaftsbetrieb automatisiert Daten, die im Zwischenspeicher kurzzeitig erfasst werden, soweit und solange im Rahmen der Gefahrenabwehr und bei der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass ein Fall des Absatz 1 oder 2 eintreten kann. Diese Daten werden automatisiert nach längsteris zwei Minuten gelöscht, es sei denn, es erfolgt eine Datenerhebung nach Absatz 1 oder 2. In diesem Fall dürfen die nach Satz 1 automatisiert erfassten Daten bis zu einer Dauer von zwei Minuten vor dem Beginn der Aufnahme gespeichert werden.
(6) Die Bild- und Tonaufzeichnungen sind für einen Monat zu speichern und nach Ablauf dieser Frist zu löschen, soweit sie nicht benötigt werden
zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung,
im Einzelfall zur Gefahrenabwehr oder
im Einzelfall für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von aufgezeichneten polizeilichen Maßnahmen.
Auf Verlangen einer betroffenen Person sind die Daten länger zu speichern, wenn sie glaubhaft macht, dass sie innerhalb eines Monats eine Überprüfung im Sinne des Satzes 1 Nummer 3 nicht beantragen kann. Es ist technisch und organisatorisch sicherzustellen, dass die Bild- und Tonaufnahmen nicht vor Ablauf der in Satz 1 oder 2 genannten Frist gelöscht werden können.
Es ist technisch und organisatorisch sicherzustellen, dass die Bild- und Tonaufnahmen nicht vor Ablauf der in Absatz 4 genannten Frist gelöscht werden können.
(7) Die Maßnahmen nach Absatz 1, 2 sowie 4 und 5 sowie die Löschung und weitere Verarbeitung der Daten nach Absatz 6 sind zu dokumentieren.
Die Anzahl von Gewaltdelikten gegen Polizeibeamtinnen und -beamte bewegt sich auch in Schleswig-Holstein weiterhin auf einem hohen Niveau.
Durch die Einführung von Bodycams sollen bisherige Maßnahmen zur Bekämpfung der Gewaltkriminalität ergänzt werden. Im Laufe der kommenden Monate werden den Streifenbeamten 800 Bodycams zur Verfügung gestellt.
Die Nutzung einer Bodycam kann einen abschreckenden Effekt auf konfliktbereite polizeipflichtige Personen haben und somit die Eigensicherung der Polizeibeamtinnen und –beamten erhöhen.
FAQs – Einsatz
Wann dürfen Bodycams genutzt werden?
Es müssen Tatsachen dafür sprechen, dass dies zum Schutz von Polizeibeamtinnen oder -beamten oder Dritten vor einer im Einzelfall bevorstehenden Gefahr für die körperliche Unversehrtheit für Leib, Leben oder Freiheit oder für die sexuelle Selbstbestimmung erforderlich ist.
Wo darf die Bodycam genutzt werden?
Die Bodycam darf an öffentlich zugänglichen Orten, also z. B. Gehwegen, Straßenüberquerungen, Fußgängerzonen, Plätze, Angebote des Öffentlichen Personenverkehrs und auch Grünanlagen, Parks, Spielplätze, Sportflächen, Natur- und Kulturlandschaften genutzt werden.
Gleiches gilt für allgemein zugängliche Räume, wie z.B. Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume und für befriedetes Besitztum, wie z. B. „eingezäunte“ Äcker, Lagerplätze oder andere Flächen, sofern diese bestimmungsgemäß für die Allgemeinheit zugänglich sind.
In Wohnungen ist ein Einsatz unter erhöhten rechtlichen Voraussetzungen ebenfalls möglich.
Darf in einer Wohnung gefilmt werden?
Ja.
Der Einsatz ist an erhöhte rechtliche Voraussetzungen gebunden und muss in der Regel durch einsatzleitende Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte vor Ort angeordnet werden.
Wird grundsätzlich jeder polizeiliche Einsatz aufgezeichnet?
Nein.
Die Bodycam darf nur eingeschaltet werden, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass dies zum Schutz von Polizeibeamtinnen oder -beamten oder Dritten vor einer im Einzelfall bevorstehenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder für die sexuelle Selbstbestimmung erforderlich ist.
Warum trägt nicht jeder Polizist eine Bodycam?
Bei der Bodycam handelt es sich um ein neu eingeführtes Einsatzmittel. Es wurden zunächst 800 Bodycams beschafft. Die Landespolizei ist dadurch in der Lage, jede Streifenwagenbesatzung mit einer Bodycam auszurüsten.
Werden Daten live übertagen?
Nein.
Die Daten werden zunächst auf der Bodycam verschlüsselt gespeichert und nach dem Einsatz auf der Dienststelle automatisch an eine zentrale Datenbank übertragen.
Muss der Polizist eine Bodycam tragen?
Nein.
Aktuell besitzt die Landespolizei nicht genügend Kameras, um sämtliche Beamtinnen und Beamten auszustatten.
Wer darf nicht gefilmt werden?
In einem Raum, der der Berufsausübung einer Person dient, die aus beruflichen Gründen zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist, ist eine Datenerhebung mittels Bodycam gesetzlich ausgeschlossen oder unzulässig.
Ich wollte, dass die polizeiliche Maßnahme aufgezeichnet wird. Das wurde abgelehnt. Warum?
Die Bodycam dient der Deeskalation und soll Polizeibeamtinnen und -beamte sowie Dritte vor Übergriffen schützen. Sofern keine entsprechenden Tatsachen dafür vorliegen, ist eine Nutzung gem. § 184 a LVwG auch nicht zulässig.
FAQs – Technik
Wer ist der Hersteller der Bodycam der Polizei in Schleswig-Holstein?
Im Rahmen eines Vergabeverfahrens erfolgte der Zuschlag an die Firma NetCo mit dem Modell Body-Cam V 5.
Was ist ein Prerecording?
Wenn die Kamera eingeschaltet ist, kann eine Voraufnahme (Prerecording) durchgeführt werden. Die Voraufnahme dauert maximal 2 Minuten und die zwischengespeicherte Sequenz wird durchgehend überschrieben.
Erst nach Aktivierung der Bodycamaufnahme wird die Prerecordingaufzeichnung der eigentlichen Bodycam-Videosequenz automatisiert hinzugefügt, so dass diese fester Bestandteil der Bodycam-Aufnahme wird.
Wenn der Aufnahmeknopf nicht gedrückt wird, erfolgt eine automatische Löschung der Prerecording-Sequenz.
Der Bildschirm ist sowohl beim Prerecording als auch bei einer Aufnahme eingeschaltet.
Eine Aufnahme erfolgt nur bei einer zusätzlich rot leuchtenden LED. Eine grüne LED weist auf die Prerecording-Funktion hin.
FAQs – Datenschutz
Wie lange wird gespeichert?
Prerecording-Daten werden nach Beenden der Voraufnahme gelöscht.
Aufnahmen werden zunächst gespeichert.
Sofern die Daten nicht benötigt werden, erfolgt eine automatische Löschung nach einem Monat.
Bei einer Nutzung zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder zur Gefahrenabwehr richtet sich die Speicherdauer nach dem entsprechenden Verfahren.
Bei einer fristgerechten Beantragung der Überprüfung der Rechtmäßigkeit werden die Daten bis zum Abschluss des Verfahren gespeichert.
Wie werden die Daten geschützt?
Die Daten sind verschlüsselt auf der Kamera, bis zur Übertragung an den dafür vorgesehenen Ablageort, gespeichert.
Auf der Kamera können die Daten nicht angesehen werden.
Der Speicherort der Daten ist gegen Zugriff von Außen besonders geschützt.
Die aufgezeichneten Sequenzen können nur mit entsprechender Software und nur durch berechtigte Personen eingesehen werden.
Datenschutzbeauftragter
Fachverantwortlich für die Verarbeitungstätigkeit:
Landespolizeiamt Schleswig-Holstein
Mühlenweg
166 24116Kiel
Aufnahmen, die das Berufsgeheimnis verletzen, dürfen nicht gefertigt werden. Kommt es ungewollt zur Aufzeichnung solcher Inhalte, wird die Ansicht und die Weiterverarbeitung des Video bis zu einer richterlichen Entscheidung gesperrt und dann ggf. gelöscht.
Werden die Daten weitergegeben?
Ist auf den Aufzeichnungen straf- oder bußgeldbewährtes Verhalten dokumentiert, können diese auch zur Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfolgung verwendet werden.
Empfänger dieser Daten können innerhalb der Landespolizei die zuständigen Dienststellen sein. Nach außen können die erhobenen Daten an die zuständige Staatsanwaltschaft und zuständige Gerichte (insb. Straf- oder Verwaltungsgericht) bzw. die für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständige Verwaltungsbehörde übermittelt werden.
FAQs – Beschwerden
Wo kann ich mich beschweren?
Sie können die Rechtmäßigkeit von aufgezeichneten polizeilichen Maßnahmen überprüfen lassen.
Die Überprüfung wird von den Stabsstellen der Polizeidirektionen durchgeführt.
Wenn Sie eine Überprüfung wünschen, wenden Sie sich bitte umgehend möglichst an die örtlich zuständige Direktion oder die Dienststelle, deren Mitarbeitenden den Film erstellt haben.
Für Ideen, Verbesserungsvorschläge und Beschwerden gibt es eine zentrale Auskunfts- und Ansprechstelle der Landespolizei im Innenministerium.
Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, sich im Rahmen des Beschwerdemanagements an die Ansprechstelle zu wenden:
Zentrale Auskunfts- und Ansprechstelle der Landespolizei im Innenministerium Erster Polizeihauptkommissar Jörg Henningsen
Telefon: 0431 988-2828
Düsternbrooker Weg 92
24105 Kiel
Darf ich die Polizistinnen und Polizisten auch filmen, wenn ich aufgenommen werde?
Grundsätzlich kann es zulässig sein, Amtshandlungen von Polizistinnen und Polizisten zu eigenen Beweiszwecken zu filmen.
Bitte beachten Sie, dass eine Veröffentlichung, z. B. im Internet, strafbar sein kann.
Ich bin gefilmt worden. Wo kann ich die Aufnahme ansehen?
Mit der Bodycam selbst können keine Aufnahmen angesehen werden.
Eine anlasslose Einsichtnahme ist nicht möglich.
Ist die zur Rede stehende Sequenz Beweismittel in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens, wird sie automatisch Aktenbestandteil. Die Einsichtnahme ist dann nur über einen Antrag bei der jeweils zuständigen Stelle über Ihren Anwalt möglich.
Bei einer möglichen Einsichtnahme müssen datenschutzrechtliche Belange Dritter beachtet werden. Wenden Sie sich für weitere Informationen an die Beschwerdestelle.
Warum verfügt die Bodycam über einen Monitor?
Durch das Frontdisplay wird der betroffenen Personen das eigene Verhalten buchstäblich gespiegelt.
Die eigene Aggression wird sichtbar und ermöglicht dem Gegenüber die Chance zur Reflektion und Verhaltensänderung, so dass es im besten Fall zu keiner Straftat kommt.
Zeichnet die Bodycam automatisch auf, wenn die Schusswaffe gezogen oder andere Einsatzmittel genutzt werden?
Nein.
Weder die technischen Voraussetzungen noch die rechtliche Verpflichtung hierfür liegen vor.
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