Der Ausschluss des Hamburger NPD-Landesvorsitzenden aus einem Breitensportverein im Kreis Pinneberg ist rechtmäßig. Das hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts heute entschieden.
Zum Sachverhalt: Der Kläger ist seit dem Jahr 2009 Mitglied der NPD und seit 2016 deren Landesvorsitzender in Hamburg. Er ist seit 2014 Mitglied des beklagten Sportvereins einer Gemeinde bei Pinneberg. Im April 2016 schloss der beklagte Verein den Kläger wegen seiner Mitgliedschaft in der NPD aus dem Verein aus. Im Februar 2018 stellte das Landgericht Itzehoe fest, dass dieser Ausschluss wegen formeller Mängel unwirksam war. Nachfolgend änderte der beklagte Verein im April 2018 seine Satzung. Seitdem kann ein Mitglied aus dem Verein ausgeschlossen werden, wenn es zugleich Mitglied einer extremistischen Organisation, gleich welcher politischen Ausrichtung, oder einer rassistisch und fremdenfeindlich organisierten Organisation, wie zum Beispiel der NPD und ihrer Landesverbände, ist (§§ 7 und 2 der Vereinssatzung). Hierzu heißt es in der Satzung ausdrücklich: „Grundlage der Vereinsarbeit ist das Bekenntnis aller Mitglieder des Vereins zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Der Verein tritt allen extremistischen Bestrebungen entschieden entgegen.“ Nach Eintragung der Satzungsänderung im Vereinsregister schloss der beklagte Verein den Kläger im Februar 2019 erneut aus dem Verein aus. Gegen diese Ausschließung wendet der Kläger sich mit seiner Klage, die darauf gerichtet ist, die Unwirksamkeit des Vereinsausschlusses feststellen zu lassen. Das Landgericht Itzehoe hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers vor dem 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Der Ausschluss des Klägers aus dem beklagten Sportverein ist wirksam.
Der Verein durfte den Ausschluss auf die Regelungen in den §§ 2 und 7 der Satzung stützen, denn die neue Vereinssatzung ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Sie verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen das grundgesetzliche Diskriminierungsverbot des Art. 3 Absatz 3 Satz 1 GG, wonach niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt werden darf. Die im Grundgesetz verankerten Grundrechte verpflichten in erster Linie den Staat gegenüber den Bürger*innen und gelten nicht unmittelbar zwischen Privatpersonen. Die Grundrechte entfalten jedoch auch zwischen diesen mittelbare Wirkung (sog. Drittwirkung der Grundrechte), indem sie als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen in das Zivilrecht einstrahlen. Kommt es dabei zu einer Kollision von Grundrechtspositionen, so müssen diese in einen Ausgleich gebracht werden.
Die Vereinssatzung als abstrakt-generelle Regelung steht mit dieser Drittwirkung der Grundrechte im Einklang. Die Regelung in der Satzung zum Vereinsausschlusses hat auch dann rechtlichen Bestand, wenn das Gericht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung vornimmt. Aufgrund der durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Vereinsautonomie durfte der beklagte Verein die Regelung in §§ 2 und 7 der Vereinssatzung beschließen. Der Verein ist bei der Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft grundsätzlich frei. Er kann daneben im Grundsatz auch die Bedingungen für den Fortbestand und den Ausschluss der Mitglieder festlegen. Der Verein hat sich in seiner Satzung auf freiheitlich-demokratische Werte und integrative Bemühungen festgelegt. Auf dieser Grundlage ist es sachlich begründet, die Mitglieder abzulehnen, die rassistischen und extremistischen Organisationen angehören und sich zu diesen Grundsätzen des Vereins gerade nicht bekennen. Ein Vereinsausschluss ist auch geeignet, diese festgelegten Vereinszwecke durchzusetzen. Überdies gewährt § 7 der Vereinssatzung einen Handlungsspielraum, weil die Regelung verschiedene Maßregeloptionen (Verwarnung, Verweis etc.) vorsieht und so im Einzelfall eine angemessene, verhältnismäßige Entscheidung unter Wahrung der Rechte der Mitglieder ermöglicht.
Die Vereinssatzung ist somit nicht zu beanstanden. Dasselbe gilt auch für den konkreten Ausschluss des Klägers aus dem Verein. Das Vertrauen des Klägers, dass er unverändert Mitglied des beklagten Vereins bleiben kann, ist gegenüber der Befugnis des Vereins zur Satzungsänderung nicht überwiegend schutzwürdig. Der Kläger wusste seit Jahren, dass seine politische Ausrichtung derjenigen des beklagten Vereins diametral entgegensteht.
Durch die Ausschließung aus dem Verein ist der Kläger in seiner Freizeitgestaltung nur moderat beeinträchtigt. Es steht ihm frei, sich anderweitig sportlich zu betätigen. Bei dem beklagten Verein handelt es sich um einen Amateur-Sportverein in einer kleineren Gemeinde Schleswig-Holsteins. In diesem wird Breitensport angeboten und betrieben, ohne dass eine herausragende Bedeutung des Vereins für deutschlandweite oder internationale Sportveranstaltungen bzw. eine sonstige Monopolstellung erkennbar wäre. Zudem ist der beklagte Verein nicht am Wohnort des Klägers belegen, sondern ist eine Stunde Fahrtweg mit dem Fahrzeug entfernt. Einen Anspruch auf Aufnahme oder Verbleib in einem privaten Sportverein ohne Monopolstellung hat der Kläger nicht. Darüber hinaus legt die Mitgliedschaft in einem Verein den Mitgliedern die Pflicht zur Förderung der Vereinsziele und –zwecke sowie erhöhte Loyalitäts-, Treue- und Förderpflichten auf. Dieser Treuepflicht kann der Kläger gegenüber dem beklagten Verein nicht nachkommen, weil die Ziele des Vereins denen der NPD eklatant widersprechen. Die Fortdauer der Mitgliedschaft des Klägers würde daher zu einer fortdauernden Verletzung seiner mitgliedschaftlichen Unterstützung- und Treuepflichten gegenüber dem beklagten Verein führen.
(Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Dezember 2020, Az. 9 U 238/19)
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