Sehr geehrte Damen und Herren,
Armut ist ein Thema, über das Viele nicht sprechen wollen.
Weil es mit Scham verbunden ist. Weil es wehtut.
Aber gerade das Schweigen sorgt dafür, dass Armut unsichtbar bleibt.
Und mit ihr: die Menschen, die davon betroffen sind – besonders Kinder.
Deshalb ist es gut, dass wir als Land mit dem vorliegenden Bericht erstmalig eine umfangreiche Datenlage zur Situation junger Menschen in unserem Land haben.
Was zeigt der Bericht?
Jedes fünfte Kind ist armutsgefährdet.
Das betrifft 22,5 Prozent aller Kinder und Jugendlichen.
Die soziale Herkunft spielt eine zentrale Rolle.
Für Minderjährige mit Migrationsgeschichte liegt das Risiko bei 40,5 Prozent. Das Risiko für Kinder ohne Migrationsgeschichte liegt bei 13,2 Prozent.
Arbeit und Armut sind stark miteinander verknüpft.
Für Kinder aus Familien, in denen nur ein Elternteil arbeitet, liegt das Armutsrisiko bei fast 30 Prozent.
Ein Anstieg von über 200 Prozent im Vergleich zu den Kindern, die aus Familien kommen, in denen beide Elternteile arbeiten.
Im Bericht wird auch deutlich, wie sich Armut auf die jungen Menschen auswirkt.
Es führt zu sozialer Isolation: Die jungen Menschen können nicht bei allem mitmachen – in der Schule, im Verein, in der Freizeit.
Armut ist keine Schande, aber häufig genug fühlen sich Kinder und Jugendliche stigmatisiert, wenn sie in Kita, Schule oder Einrichtungen als arm oder bedürftig kenntlich gemacht oder anders behandelt werden.
Viele übernehmen früh Verantwortung – für sich, für Geschwister oder für die Familie. Sie helfen beim Ausfüllen von Formularen oder passen auf ihre jüngeren Geschwister auf.
Diese Fakten tun weh. Aber sie müssen ausgesprochen werden.
Weil sie Teil der Realität von so vielen jungen Menschen in unserem Land sind.
Es ist deshalb richtig und wichtig, dass der Bericht nicht nur einen quantitativen und qualitativen Teil hat, sondern dass er auch Maßnahmen enthält. Maßnahmen, die auch von den jungen Menschen selbst kommen.
Klar ist: Es braucht Unterstützung, die wirklich ankommt. Verständlich, zugänglich und fair.
Was heißt das beispielsweise?
- Eine armutssensible Haltung und Sprache – überall dort, wo Menschen staatliche Leistungen beantragen oder Unterstützung suchen.
- Mehr Informationen über Hilfsangebote – verständlich aufbereitet.
- Bessere Zusammenarbeit zwischen den Unterstützungsangeboten – besonders im ländlichen Raum.
- Und: eine höhere und vor allem einheitliche Pauschale für junge Menschen in Fremdunterbringung.
Was tun wir als Land, um diesen Forderungen gerecht zu werden?
Im Rahmen der Frühen Hilfen setzen wir 2025 einen Schwerpunkt auf Armutssensibilität. Thema ist dort unter anderem, wie Netzwerke in den Frühen Hilfen so geplant und gesteuert werden können, dass sie armutssensibel ausgerichtet sind. Außerdem werden gemeinsam mit den Fachkräften der Frühen Hilfen hilfreiche Materialien für die Arbeit mit armutsgefährdeten Familien entwickelt. Denn zentrale Aussagen von Betroffenen bei unserer Kinderarmutskonferenz waren, dass es häufig darum gehe, nicht als arm aufzufallen und ausgeschlossen zu werden.
In den neuen kommunalen Präventionsketten werden modellhaft im Kreis Rendsburg-Eckernförde und in der Stadt Flensburg Unterstützungssysteme vernetzt, um noch besser und zielgerichteter armutsgefährdete Kinder und Jugendliche zu erreichen.
Wir begleiten die Verhandlungen zwischen den Kommunen und den Leistungserbringern beim Landesrahmenvertrag in der Jugendhilfe. Dort werden wir auch den Aspekt einer einheitlichen Pauschale für Kinder und Jugendliche in Fremdunterbringung thematisieren. Das ist auch ein zentrales Thema der Kinder- und Jugendvertretung SH. Es kann meines Erachtens nicht sein, dass Jugendliche in stationären Einrichtungen komplett unterschiedliche Mittel für Kleidung und Hygieneartikel bekommen, abhängig davon, wo sie bei uns in Schleswig-Holstein untergebracht werden.
Ein weiterer wichtiger Schritt wäre die Zusammenführung von Leistungen durch die Kindergrundsicherung gewesen. Dass sie nun vorerst nicht kommt, ist ein Rückschlag. Umso mehr bleibt der Bund gefragt, hier auch über Kinderzuschlag, Teilhabe-App und Bildungs- und Teilhabepaket hinaus, tätig zu werden.
Kinderarmut darf nicht als gegeben hingenommen werden!
Vielen Dank!