Das Landgericht Lübeck urteilt zum „Werkstattrisiko“
Wer muss zahlen, wenn die Autowerkstatt bei der Beseitigung eines Unfallschadens überhöhte Stundensätze abrechnet oder unerwartet Teile austauscht, die bei dem konkreten Unfall gar nicht beschädigt wurden? Der Unfallverursacher oder der Eigentümer des Fahrzeugs? Mit dieser Frage setzte sich die Berufungskammer des Landgerichts Lübeck auseinander.
Im Herbst 2017 war der Kläger in einen Verkehrsunfall in Ostholstein verwickelt, bei dem sein BMW erheblich beschädigt wurde. Dass der Unfallverursacher im Grundsatz für den Schaden aufkommen musste, war klar - vor Gericht wurde jedoch um die Höhe des Schadensersatzes gestritten.
Das Problem: Die Werkstatt hatte bei der Vornahme der Reparaturarbeiten ein privates Gutachten zu Grunde gelegt, ein vom Gericht eingeholtes weiteres Gutachten ergab jedoch, dass einige der in der Werkstatt ausgeführten Reparaturen unnötig waren, weil die ausgetauschten Teile gar nicht beschädigt waren. Da die Reparaturarbeiten insoweit nicht zweifelsfrei dem Unfallgeschehen zugeordnet werden konnten, wies das Amtsgericht Eutin die Klage zum Teil ab.
In der Berufungsinstanz urteilte das Landgericht Lübeck jedoch, der Kläger könne eine Erstattung der vollständigen Werkstattkosten verlangen. Das Gericht stütze sich hierbei auf die Rechtsprechung zum sogenannten „Werkstattrisiko“ und führte aus, ein Unfallverursacher müsse in aller Regel auch die Mehrkosten erstatten, die durch die Reparaturwerkstatt verursacht würden. Dies umfasse nicht nur Mehrkosten wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise, sondern auch die hier vorliegende Konstellation. Dass die Werkstatt auch Teile ausgetauscht habe, die durch den Unfall gar nicht beschädigt wurden, falle in den Risikobereich des Unfallverursachers. Dies gelte insbesondere, da die Reparatur auf Grundlage eines Privatgutachtens erfolgt sei. Auch wenn sich dieses hinterher als fehlerhaft erwiesen habe, sei dies nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen. Für diesen habe nämlich kein Anlass bestanden, das Gutachten anzuzweifeln. Zudem habe der Kläger durch den Austausch unbeschädigter Teile, anders als in Fällen, in denen Altschäden mitbeseitigt werden, keinen Vorteil erlangt.
Landgericht Lübeck, Urteil vom 25.02.2022 – Az. 1 S 35/20
Vorinstanz: Amtsgericht Eutin, Urteil vom 06.04.2020 – Az. 23 C 688/19
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