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Landgericht Lübeck : Thema: Gerichte & Justizbehörden

Linienbus überholt links abbiegendes Auto – wer zahlt?

Zur Haftung des Überholenden bei „unklarer Verkehrslage“.

Letzte Aktualisierung: 06.10.2022

Lenkrad eines LKW und Fahrer in Teilansicht (Hände)

Das Landgericht Lübeck hat am 6.10.2022 im zweiter Instanz über einen Unfall beim Überholen im Stadtverkehr geurteilt.

Dabei hatte ein Auto hinter einem parkenden Lastwagen angehalten. Dahinter näherte sich ein Linienbus. Als kein Gegenverkehr kam, setzte der Bus zum Überholen von Auto und Lastwagen an. Als der Bus auf der Höhe des stehenden Autos war, bog dieses nach links in Richtung eines Kundenparkplatzes ab. Dabei kam es zum einem Zusammenstoß mit Sachschäden. Das Amtsgericht hatte mehrere Zeugen vernommen, konnte aber nicht feststellen, ob die Fahrerin des Autos vor dem Zusammenstoß nach links (so die Autofahrerin) oder nach rechts (so der Busfahrer) geblinkt hatte.

Das Amtsgericht hatte entschieden, dass beide Seiten den Schaden jeweils zur Hälfte tragen müssen. Dabei legte es zu Grunde, dass die Fahrerin gegen ihre Pflichten beim Abbiegen verstoßen habe – vor allem gegen die Pflicht zur Rückschau beim Linksabbiegen, § 9 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Der Busfahrer habe allerdings ebenfalls seine Pflichten verletzt, da er entgegen § 5 Abs. 3 StVO bei unklarer Verkehrslage überholt habe.

Die Berufungskammer des Landgerichts hat die Entscheidung bestätigt. Zu Recht habe das Amtsgericht entschieden, dass der Busfahrer in der konkreten Situation nicht habe überholen dürfen. Gemäß § 5 Abs. 3 StVO ist das Überholen bei unklarer Verkehrslage unzulässig. Eine unklare Verkehrslage liege immer dann vor, wenn nach allen Umständen des Einzelfalles mit einem ungefährdeten Überholen nicht gerechnet werden darf. Dies sei auch dann der Fall, wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, was Vorausfahrende sogleich tun werden.

Das sei hier der Fall gewesen. Denn nach dem Anhalten des Autos sei für alle nachfolgenden Fahrer unklar gewesen, wie sich die Fahrerin nun verhalten würde. Es bestand sowohl die Möglichkeit, dass die Fahrerin hinter dem parkenden Lastwagen für längere Zeit halten würde, als auch die Möglichkeit, dass sie nur den vorhandenen Gegenverkehr abwarten würde, um dann links an dem parkenden Lastwagen vorbeizufahren. Letztere Möglichkeit sei sogar in besonderem Maße naheliegend, da eine Zeugin geschilderte hatte, dass die Fahrerin eher mittig hinter dem Laster gehalten und sich damit gerade nicht wie beim Parken oder Halten rechts entlang des Bordsteins eingeordnet hatte. Weitere Anhaltspunkte, die für oder gegen die Zulässigkeit eines Überholvorgangs sprechen würden, lagen nicht vor, da sich nicht mehr feststellen ließ, ob und in welche Richtung die Fahrerin geblinkt hatte.

Im Ergebnis bestätigte das Landgericht mit diesen Überlegungen auch die Entscheidung, dass sich die Unfallgegner den Schaden 50/50 teilen müssten.

Die Entscheidung ist rechtskräftig. Aktenzeichen: 14 S 13/22. Sie ist in Kürze hier unter Angabe des Aktenzeichens online abrufbar.

Ansprechpartner: Online-Redaktion@lg-luebeck.landsh.de.

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