Der Kläger ist Nutzer des Kurznachrichtendienstes T. und retweetete den Ursprungs-Post eines anderen Nutzers, indem er ihn mit einer animierten Bilddatei (GIF) kommentierte. Die Bilddatei zeigte eine Szene aus dem Hollywood-Film „The Addams Family“, in der die Filmfigur Wednesday Addams eine kopflose Puppe in der Hand hält und eine horizontale Bewegung mit ihrem linken Zeigefinger über ihre Kehle macht. T. löschte den Tweet und suspendierte den Account des Klägers dergestalt, dass dieser nur noch lesen, aber nicht mehr selbst kommentieren konnte. T. begründete dies damit, dass der Kläger mit seinem Tweet gegen die Regeln über „abuse and harassment“ verstoßen habe.
Der Kläger hält die Löschung seines Tweets und die Sperrung seines Nutzerkontos für rechtswidrig und beruft sich auf die Meinungsäußerungsfreiheit. Außerdem sei das verwendete GIF von der App des Nachrichtendienstes selbst bereitgestellt worden.
T. meint, die von dem Kläger verwendete Bilddatei könne nur als Aufruf zu körperlicher Gewalt und Bedrohung verstanden werden. Dies sei nicht von dem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Das Landgericht ist der Ansicht des Klägers gefolgt und hat T. verpflichtet, den gelöschten Tweet mit der Bilddatei wiederherzustellen und den Account wieder freizuschalten. Denn zwischen dem Kläger und T. bestehe ein Nutzungsvertrag, in dessen Rahmen sich T. verpflichtet habe, das Nutzerkonto zu unterhalten und ihm die Möglichkeit zu gewähren, Beiträge und Kommentare zu fertigen. Gegen diese vertragliche Verpflichtung habe T. mit der Löschung der Bilddatei und Suspendierung des Accounts verstoßen.
Die von dem Kläger als Kommentar veröffentlichte Abbildung sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Hierfür sei auf die Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsempfängers bei flüchtiger Betrachtung der Bilddatei abzustellen. Bei einer solchen Sichtweise sei nicht anzunehmen, dass es sich bei dem Tweet um eine Aufforderung zum Töten handele. Die in der Bilddatei gezeigte Geste könne zwar so verstanden werden, dass ein anderer Mensch getötet werden solle. Gleichwohl habe sie noch weitere Bedeutungen, beispielsweise die Aufforderung an einen anderen, ein begonnenes Verhalten abzubrechen oder eine geplante Handlung zu unterlassen, oder sie drücke den Wunsch des Nutzers aus, einen aus seiner Sicht unerfreulichen Zustand zu beenden. Jedenfalls sei für den durchschnittlichen Betrachter erkennbar, dass die Verwendung des Bildes keine ernst gemeinte Aufforderung zur Tötung oder Bedrohung einer anderen Person beabsichtige, zumal die Szene aus dem bekanntermaßen makaberen Film „The Addams Family“ stamme. Weitere Tatsachen, die dafür sprächen, dass die Nutzung der Abbildung den Wunsch ausdrücke, jemand anderes möge sterben, gebe es nicht.
Ferner sei auch zu berücksichtigen, dass die Bilddatei von der App des Nachrichtendienstes selbst zur Verfügung gestellt worden sei. Insoweit sei es widersprüchlich, wenn deren Nutzung zu einer Suspendierung des Kontos des jeweiligen Nutzers führe.
Die Entscheidung, die im einstweiligen Rechtsschutz ergangen ist, ist noch nicht rechtskräftig (Az. 10 O 387/21).
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