1.75 Rückstellungen für Pensions- und Beihilfeleistungen (negatives Eigenkapital)
Frage: Das Amt X hat Rückstellungen für Pensions- und Beihilfeleistungen in Höhe von 16.000.000,00 € einzustellen, dieses führt vermutlich dazu, dass zum einen das Amt ein negatives Eigenkapital ausweisen wird, zum anderen, die Vergleichszahlen der Städte und Gemeinden verfälschend dargestellt werden (Beispiel: In der Bilanz der Stadt X (9.000 Einwohner) erscheint überhaupt keine Belastung, in der Bilanz einer vergleichbaren Stadt könnte dieses sehr wohl dargestellt werden. Hier im Haus wird überlegt, ob es nicht richtig wäre, dass beim Amt der Rückstellungsbetrag als Forderung gegenüber den Gemeinden ausgewiesen wird, und bei den Städten und Gemeinden, der anteilige Betrag (im Verhältnis der Finanzkraftzahlen) als Verbindlichkeit ausgewiesen wird.
Zur Bearbeitung der Frage hat das Kompetenzteam folgende Fragen an das Innenministerium gestellt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die oben aufgeführte Fragestellung wurde an das Projekt NKR-SH herangetragen.
Im Zuge der Bearbeitung durch die Mitglieder des Kompetenzteams zeigte sich, dass gegensätzliche Auffassungen vertreten wurden. Nach hiesiger Einschätzung handelt es sich um eine Problemstellung grundsätzlicher Bedeutung, da das anzuwendende Verfahren sich auf alle Amtsverwaltungen (einschließlich der amtsangehörigen Gemeinden) in Schleswig-Holstein auswirkt sowie direkten und erheblichen Einfluss auf das auszuweisende Eigenkapital und damit die Höhe der Amtsumlage nimmt.
Aus diesen Gründen wurde abgestimmt, dass die Fragestellung Ihnen als Verordnungsgeber mit der Bitte um Auslegung / Entscheidung vorgelegt werden sollte.
Um den dortigen Bearbeitungsaufwand ggf. zu reduzieren, sind im Folgenden die Argumente aufgeführt, die innerhalb des Kompetenzteams zur in der Fragestellung angestrebten Verfahrensweise angeführt wurden. Hierbei ist unstrittig, dass die Pensionsrückstellungen selbst in vollem Umfang in der Bilanz des Amtes zu passivieren sind, da ausschließlich dieses als Dienstherr Anspruchsgegner der Beamtinnen und Beamten ist.
Argumente für die Erfassung von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Amt und amtsangehörigen Gemeinden
- In aller Regel befinden sich die wesentlichen Vermögenswerte im Amtsbereich (Infrastruktur, Schulen etc.) im Eigentum der amtsangehörigen Gemeinden. Der wertmäßige Umfang der vermögenswirksamen Positionen des Amtes wird daher gering ausfallen. Da aber die volle Pensionsrückstellung bei der Amtsverwaltung zu passivieren ist, wird dies unweigerlich zum Ausweis eines negativen Eigenkapitals führen.
Dieses negative Eigenkapital müsste in Einklang mit den geltenden Regelungen ausgeglichen werden. Dies kann nur über die Amtsumlage durch die amtsangehörigen Gemeinden erfolgen. Da die Amtsumlage zahlungswirksam erhoben wird, führt dies zu einem erheblichen Liquiditätsverlust aufseiten der Gemeinden zugunsten des Amtes.
- Die durch die Pensionsrückstellungen „gebundenen“ Mittel stehen grundsätzlich zur Reinvestition in Vermögensgegenstände zur Verfügung. Ein solcher Liquiditätsbedarf besteht aufseiten der Amtsverwaltung aber regelmäßig nicht, so dass die liquiden Mittel langfristig im Bestand verbleiben. Die Gemeinden würden dagegen nicht mehr über ausreichende Liquidität verfügen, um aus eigenen Mittel Reinvestitionen zu finanzieren.
- Durch die Erfassung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Amt (in Höhe der Pensionsrückstellung verteilt auf die amtsangehörigen Gemeinden) und entsprechend hoher Forderungen des Amtes wird dieser Liquiditätsabfluss vermieden. Entsprechend kann auch mit den laufenden Zuführungen verfahren werden, indem die Amtsumlage in einen zahlungswirksamen und einen nicht zahlungswirksamen (weil gestundeten) Anteil gesplittet wird.
- Im Zuge der Aufstellung der erstmaligen Eröffnungsbilanz sollen Kommunen so gestellt werden, als hätten sie ihre Haushaltswirtschaft „schon immer“ nach den Grundsätzen der doppelten Buchführung ausgerichtet. Aus diesem Grund werden die Pensionsrückstellungen bei Einführung der Doppik einmalig für die Vergangenheit in die Bilanz eingebucht und müssen nicht erneut erwirtschaftet werden.
Hätten die Ämter bereits in der Vergangenheit nach doppischen Grundsätzen gebucht, wären die Zuführungen an die Pensionsrückstellung aufseiten der Amtsverwaltungen über die Amtsumlage durch die amtsangehörigen Gemeinden refinanziert worden. Diese hätte - der o. a. Argumentation folgend - einen nicht zahlungswirksamen Anteil enthalten, der zum Zeitpunkt der Doppik-Einführung als Forderung bzw. Verbindlichkeit bestehen würde.
Aus dieser Argumentation heraus kann auch bei Einführung der Doppik eine Rechtsgrundlage für die Abbildung von Forderungen und Verbindlichkeiten abgeleitet werden.
- Bildung und Inanspruchnahme der Pensionsrückstellung sind nicht zahlungswirksam, da die tatsächlichen Leistungen an bzw. durch die VAK erbracht werden. Die Umlagezahlungen stellen laufenden Aufwand des Amtes dar, der über die Amtsumlage refinanziert wird. Bezogen auf die einzelnen Beamtin bzw. den einzelnen Beamten heben sich die zahlungswirksamen Aufwendungen aus der Zuführung (vor Pensionierung) und Erträge aus der Auflösung (nach Pensionierung) der Pensionsrückstellung betragsmäßig auf. Entsprechend würden sich auch die einzelnen Forderungen / Verbindlichkeiten zunächst erhöhen und im Zuge der Inanspruchnahme auf „0“ reduzieren.
Argumente gegen die Erfassung von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Amt und amtsangehörigen Gemeinden
- Die Entstehung eines negativen Eigenkapitals im Zuge der erstmaligen Eröffnungsbilanz kann nicht direkt den Pensionsrückstellungen zugerechnet werden. Sofern sich tatsächlich ein negatives Eigenkapital ergibt, bedeutet dies, dass in der Vergangenheit falsch gewirtschaftet wurde und dieses Verhalten für die Zukunft zu ändern ist.
- Es existiert keine betriebswirtschaftlich begründete Sichtweise, nach der Kreise und Ämter Eigenkapital besitzen müssen.
- Forderungen dürfen nur auf Grundlage eines Anspruchs bilanziert werden. Eine Rechtsgrundlage ist im dargestellten Fall aber nicht erkennbar.
- Forderungen dürfen nur dauerhaft ausgewiesen werden, sofern sie tatsächlich werthaltig sind. Diese Werthaltigkeit kann nur durch tatsächliche Zahlungen des Schuldners (der amtsangehörigen Gemeinden) belegt werden. Sofern es sich um zahlungsunwirksame Forderungen handeln sollte, wäre für den Beleg der Werthaltigkeit eine (zahlungswirksame) Verzinsung erforderlich.
Im vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies, dass die amtsangehörigen Gemeinden entweder die Forderungen vollständig tilgen oder die Verbindlichkeiten gegenüber dem Amt verzinsen müssen.
Andernfalls wären die durch das Amt bilanzierten Forderungen als nicht werthaltig abzuschreiben. Hierdurch würde das laufende Ergebnis sowie das Eigenkapital belastet, so dass eine Refinanzierung über die Amtsumlage erforderlich würde.
Mit freundlichen Grüßen
Das Kompetenzteam des Projektes NKR-SH
Antwort des Innenministeriums:
Zu den Fragen des Kompetenzteams aus der E-Mail vom 19. Oktober 2012 nehme ich wie folgt Stellung:
- Soweit im Rahmen der Aufstellung der Eröffnungsbilanz im Ergebnis das gesamte Eigenkapital aufgezehrt ist und sich ein Überschuss der Passivposten über die Aktivposten ergibt, ist der entsprechende Betrag auf der Aktivseite der Bilanz unter der Bezeichnung „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ gesondert auszuweisen. Sollte dies in einer Eröffnungsbilanz eines Amtes / einer Gemeinde der Fall sein, trägt ein solcher Ausweis zunächst lediglich dazu bei, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens- und Finanzlage des Amtes / der Gemeinde zu vermitteln.
- Bei der Zuordnung der entsprechenden Pensions- und Beihilferückstellungen erscheint mir unstrittig, dass diese in der Bilanz des Amtes auszuweisen sind.
- Verbindlichkeiten liegen immer dann vor, wenn das Amt / die Gemeinde gegenüber einem Dritten zu einer konkreten Leistungserbringung auf Grund von privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen verpflichtet ist. Demgegenüber sind Forderungen konkrete Ansprüche aus vorgenannten Gründen gegenüber einem Dritten.
Die gemeindlichen Verbindlichkeiten bzw. Forderungen beziehen sich i.d.R. auf Geldleistungen, bei denen der Leistungszwang für die Gemeinde bzw. Anspruch der Gemeinde betragsmäßig hinreichend konkret bestimmt sein muss. Quantifizierbar ist eine gemeindliche Verpflichtung/Forderung, wenn sie zum Abschlussstichtag der Höhe nach konkret benannt werden kann. In Hinblick auf die Werthaltigkeit der Verbindlichkeit/Forderung muss darüber hinaus die Bestimmbarkeit des Zeitpunkts, an dem der tatsächliche Ausgleich (z.B. vertraglich bestimmt) erfolgen soll, bekannt sein (kalendarisch festgelegter Zeitpunkt an dem der Gläubiger auf die konkrete Zahlung rechtlich bestehen kann).
Darüber hinaus wird keine Basis für eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zwischen dem Amt und den amtsangehörigen Gemeinden gesehen.
Als Ergebnis sehe ich weder einen Anlass noch eine Grundlage für ein vom geltenden Recht abweichendes Vorgehen. Richtig ist, dass aus vielfältigen Gründen ein Jahresabschluss einer amtsangehörigen Gemeinde nicht in allen Positionen mit dem einer amtsfreien Gemeinde vergleichbar ist; so hat z. B. eine amtsangehörige Gemeinde auch regelmäßig kein Verwaltungsgebäude und keine Sachaufwendungen für die Verwaltung, andererseits jedoch Aufwand für die Amtsumlage.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Stöfen