- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,
der russische Angriffskrieg in der Ukraine, gestörte Lieferketten, steigende Baukosten und weiter steigende Zinsen – die Liste der Herausforderungen für den Wohnungsbau ist lang. Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation. In diesem Haus haben wir uns bereits vielfach zu den Ursachen ausgetauscht. Deswegen möchte ich auf eine erneute Problembeschreibung verzichten. Tatsache ist, dass die Ursachen vielschichtig sind und keiner der am Wohnungsbau Beteiligten diese alleine beheben kann. Es bedarf eines gemeinsamen und koordinierten Handelns. Und dabei beginnen wir auch nicht bei null.
In den verschiedensten Runden und Fachkreisen werden die Herausforderungen und Lösungsansätze übergreifend zwischen Kommunen, Land und Bund miteinander erörtert und Verantwortlichkeiten festgelegt. So lädt mein Haus regelmäßig zu Abstimmungsrunden. Zum Beispiel dem wohnungspolitischen Fachgespräch oder dem Tag der Bauministerin auf der NordBau ein. Ein Mangel an Austausch ist meines Erachtens nicht unser Problem. Wir haben daher in den vergangenen Monaten eine Vielzahl von Instrumenten auf den Weg gebracht. Immer mit dem klaren Ziel: Den Wohnungsbau konkret voranzubringen. Beispielshaft seien sechs Punkte genannt.
Erstens: Die massive Stärkung der Wohnraumförderung zu Beginn dieses Jahres: Mit der Unterstützung des Bundes können wir die dringend notwendige Finanzierungssicherheit für die Investorinnen und Investoren gewährleisten. Und – um das deutlich zu sagen: Dieses verbesserte Förderangebot gilt auch für den studentischen Wohnungsbau. Die Beratungsgespräche in den ersten Monaten zeigen uns auch, dass unsere Förderangebote von vielen gerne aufgenommen werden. Denn sie dienen als Brücke zur Wirtschaftlichkeit der Projekte. Damit sichern wir – trotz schwieriger Marktlage - lange geplante und wichtige Projekte.
Zweitens: Die Umsetzung des Baulandmobilisierungsgesetzes wurde im Januar abgeschlossen. Mit der Festlegung angespannter Wohnungsmärkte nach § 201a BauGB haben wir vielen Kommunen neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet: So können diese ihr gemeindliches Vorkaufsrecht auf brachliegende Grundstücke ausweiten, bei dringendem Bedarf der Bevölkerung Baugebote zur Wohnbebauung aussprechen und Befreiungen von ihren Bauplänen zugunsten des Wohnungsbaus zulassen. Derzeit haben wir unter den Bundesländern zudem die Diskussion angeregt, diese präventiv wirkenden Instrumente allen Kommunen zu eröffnen. Also die Notwendigkeit eines angespannten Wohnungsmarktes aus der gesetzlichen Vorschrift zu streichen. Ich weiß von vielen Kommunen, dass dieser Wunsch nach Ausweitung des Anwendungsbereiches besteht.
Drittens: Die Kappungsgrenzenverordnung: Derzeit befindet sich der Entwurf einer Gebietskulisse für die Kappungsgrenzenverordnung in den finalen Zügen. Noch vor der Sommerpause wird es die erste Kabinettsbefassung hierfür geben.
Viertens: Heute liegt Ihnen auch der Entwurf eines Wohnraumschutzgesetzes vor. Es ist nicht das erste in der Geschichte des Landes Schleswig-Holstein. Die Vorgängerregelung – noch aus preußischer Zeit - wurde 2004 aus Gründen der Rechtsbereinigung abgeschafft. Wohnraum stand damals ausreichend und in angemessener Qualität zu Verfügung. Die Wohnungsmärkte waren damals entspannt. Diese Rahmenbedingungen haben sich inzwischen komplett geändert. Angesichts von knappem Bauland und hohen Baukosten kommt dem Schutz des bestehenden Wohnraums eine besondere Bedeutung zu.
Auch wenn die Vernachlässigung von Wohnraum hierzulande – glücklicherweise - kein flächendeckendes Phänomen ist, zeigen teils gravierende Einzelfälle, dass die Kommunen mehr Möglichkeiten zum Eingreifen benötigen. Schwerpunkt unseres Gesetzentwurfes ist es angemessene Wohnverhältnisse durchsetzbar zu machen. Und die von Problemimmobilien ausgehenden negativen Effekte in städtebaulicher und sozialer Hinsicht in den Griff zu bekommen. Damit am Ende nicht ganze Quartiere abrutschen. Es ist vorgesehen, die Aufgabe des Wohnraumschutzes den Kommunen als freiwillige Aufgabe der Daseinsvorsorge zu übertragen.
Die Gemeinden erhalten dazu einen "Werkzeugkoffer":
- Ihnen werden Befugnisse zur Sachverhaltsaufklärung an die Hand gegeben.
- Sie können Maßnahmen zur Erfüllung der Mindeststandards anordnen.
- Sie können die Räumung bei Überbelegung verlangen.
- Oder bei erheblichen, nicht behebbaren Mängeln eine Unbewohnbarkeitserklärung aussprechen.
Das Gesetz schreibt im Regelfall ein abgestuftes Vorgehen der Gemeinde vor: Zunächst soll den Verfügungsberechtigten die Möglichkeit einer freiwilligen Abhilfe eingeräumt werden. Erst anschließend sind vollziehbare Anordnungen vorgesehen.
Der zweite inhaltliche Schwerpunkt des Gesetzes ist der Schutz von Dauerwohnraum durch eine Einschränkung der Zweckentfremdung.
Von diesen gesetzlichen Regelungen ist sowohl der Mietwohnraum als auch der im Eigentum befindliche, selbstgenutzte Wohnraum erfasst. Meine Damen und Herren, Sie sehen: Dieser Gesetzentwurf ist ein weiterer Baustein, um das Wohnungsangebot im Lande zu verbessern.
Und wir tun noch mehr – auch zum Thema Bauland mit fünftens: Dem Baulandfonds. Mit Hilfe dieses Fonds können die Kommunen eine aktive Bodenpolitik betreiben. Es flankiert das Förderprogramm "Neue Perspektive Wohnen". Dieses Programm wiederum unterstützt die Kommunen dabei, gemischte und zukunftsgerechte Quartiere zu konzipieren und umzusetzen.
Sechstens: Eigentumsbildung: Bereits seit vielen Jahren fördern wir mit Angeboten der Förderbank die Eigentumsbildung in den Kommunen und tragen zur Entlastung der Wohnungsmärkte bei.
Siebtens: Wohngeld: Ergänzend zu allen Instrumenten, wurde zu Beginn dieses Jahrs das Wohngeld deutlich ausgeweitet. Das erweiterte Wohngeld wird sehr gut in Anspruch genommen. Die Kommunen haben mit einem erheblichen Anstieg der Antragszahlen umzugehen. Und schaffen es auch, diesen durch die bedarfsangemessene Neueinstellung von Personal zu bewältigen. Als Land tragen wir gerne 90 Prozent der entstehenden Personalkosten. Denn es geht darum, dass diejenigen, die Hilfe brauchen, diese auch schnell bekommen.
Achtens: Wir bleiben am Ball! Selbstverständlich sind wir noch nicht am Ende. Stück für Stück erweitern wir den Instrumentenkasten. Dabei liegt auch die Stärkung der Kommunen in ihrer Handlungsfähigkeit in meinem Fokus. In der Vorbereitung befindet sich zum Beispiel die Gründung einer Landesentwicklungsgesellschaft. Diese wird den Gemeinden bei der Frage der Wohnraumschaffung beratend zur Seite stehen und fachliches Know-How anbieten. Es geht dabei um eine qualitative Ergänzung der bereits heute sehr guten Förder- und Beratungslandschaft gehen.
Aber meine Damen und Herren, seien wir auch ehrlich. Es gibt keine einfachen Antworten. Explodierende Baukosten und sehr schnell gestiegenen Zinsen führen dazu, dass ohne eine massive Subvention die Schaffung von leistbarem Wohnraum derzeit nahezu unmöglich ist. Dies gilt für alle Marktteilnehmer, unabhängig von ihrer Eigentümerstruktur.
Eine Fokussierung alleine auf Landes- oder kommunale Wohnungsbauunternehmungen scheint mir dabei nicht richtige Ansatz zu sein. Die vorhandenen Rahmenbedingungen gelten für diese Unternehmen genauso wie für jeden anderen Marktteilnehmer auch.
Aber natürlich unterstützt die Landesregierung auch die Neugründung kommunaler Wohnungsbaugesellschaften mit den bestehenden Förderangeboten. Wenn Kommunen den Weg des kommunalen Wohnungsbaus einschlagen wollen, so steht die Landesregierung gerne beratend und unterstützend zur Seite.
Meine Damen und Herren, ich sehe – meine Redezeit kommt zum Ende – lassen Sie mich aber abschließend och einige Sätze zur EU-Gebäuderichtlinie sagen. Ich bin sicher, wir sind uns einig, dass der Gebäudesektor einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten muss - einerseits. Andererseits kann ich aber auch die Befürchtungen nachvollziehen, die mir in den letzten Tagen vielfach im Land mitgeteilt wurden. Nicht nur in Bezug auf die Richtlinie, sondern auch in Bezug auf die aktuelle Novelle im Gebäudeenergiegesetz.
Wir sind auf dem Weg, den CO² Ausstoß zu senken und schließlich auf Null zu bringen. Das darf aber nicht zur finanziellen Überforderung der Privathaushalte führen. Ganz zu schweigen von dem Bedarf an wertvollen Ressourcen und Fachkräften, den wir in diesem Bereich haben. Wir brauchen finanzielle Anreize.
Und ich unterstütze auch den Quartiersansatz, der jedenfalls im Entwurf der EU-Gebäuderichtlinie auch schon verankert ist. Denn Wärmenetze werden eine tragende Säule der zukünftigen Wärmeversorgung darstellen.
Vielen Dank.
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