Tim Bennewitz leitet das Partyprojekt des Vereins ODYSSEE. Mit dem in Norddeutschland einmaligen Projekt, leistet ODYSSEE Präventionsarbeit dort, wo die Drogen sind – direkt in den Clubs und auf Musikfestivals.
Wir wollen Gespräche führen und nicht nur einfach Flyer verteilen. Dafür haben wir uns das Konzept der mobilen Chill-Out-Area ausgedacht. Mein Team und ich bereisen auf Wunsch des Veranstalters Events der Elektroszene in Schleswig-Holstein, wie zum Beispiel das „Bachblyten Festival“ oder „Seebeben Open-Air“. Nach drei bis vier Stunden Aufbau steht unsere vollwertige Chill-Out-Area bestehend aus Bus und Zelt. Hier können die Festivalbesucher dann runterkommen und, wenn sie möchten, mit uns das Gespräch suchen. So ist unsere mobile Drogenberatungsstelle in das Festival integriert und kein Fremdkörper auf dem Festivalgelände.
Zwar läuft bei uns auch Musik, aber wir sind kein weiterer Dancefloor. Wer Rabatz macht, konsumiert oder dealt, der fliegt sofort raus! Die Besucher können sich bei uns erholen und auch eine Runde schlafen, wenn sie möchten. Wir verteilen Wasser gegen Dehydration und Obst gegen Vitaminmangel. Beides sind Risiken bei Drogenkonsum und den extremen körperlichen Belastungen bei einem solchen Festival. Außerdem verteilen wir Kaugummis und Kondome. Daneben kann man gegen einen geringen Obolus Ohrstöpsel bei uns erwerben oder einen Alkoholtest machen. Kern unserer Arbeit ist aber das persönliche Gespräch mit den Besuchern.
Wir wollen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger mahnen, sondern persönlich aufklären. Wir wollen vermitteln, was die Drogenkonsumenten ihrem Körper mit den Substanzen antun und welche Risiken sie eingehen. Dafür gibt es einen Kasten auf dem Stand, der mit 25 selbst erstellten Flyern zu den unterschiedlichsten Drogen gefüllt ist. Die Flyer erklären Wirkungsweise, Risiken, Rechtliches, Risiken speziell für Frauen und Hinweise zum Thema Safer Use. Außerdem haben wir einen Laptop dabei mit Internetanschluss und können so auch die Fragen der Besucher beantworten, die die Flyer nicht abdecken. Alleine von den Flyern haben wir im letzten Jahr 4.000 Stück verteilt. Damit die Partygänger immer einen Ansprechpartner vorfinden, ist die Chill-Out-Area zudem während eines Events im Schichtbetrieb 24 Stunden lang besetzt.
Was ist Safer Use?
Maßnahmen, die dabei helfen, Risiken durch oder beim Drogenkonsum zu minimieren und so den Menschen schützen. Menschen haben immer Drogen genommen und werden dies leider wahrscheinlich auch weiterhin tun. Wir können dies nicht verhindern, wir können es nur sicherer für sie machen, oder sie dazu anregen, ihre Entscheidung zum Drogenkonsum zu überdenken. Das fängt mit unserer Aufklärungsarbeit an. Wir warnen zum Beispiel vor Überdosen, erklären die Wechselwirkungen von Substanzen, wie etwa mit Alkohol oder der Kombination mit anderen Drogen. Wir erklären den Einfluss des Settings beim Drogenkonsum, also den Einfluss der physischen und psychischen Konstitution des Konsumenten auf die Wirkungsweise der Droge, welche enorm sein können. Hinzu kommen Maßnahmen, um der Verbreitung von Infektionen vorzubeugen.
Wie wird das Angebot angenommen? Begegnet man als Drogenberater auf einem Festival nicht eher Vorurteilen?
Wäre zu erwarten. Unsere Erfahrungen zeigen aber das Gegenteil und so zugleich auch, dass unser Konzept funktioniert. Meistens sind die Besucher zunächst eher neugierig und fragen „Was macht ihr denn hier?“ – so kommt es automatisch zu Gesprächen. Durchschnittlich etwa 500 bei einem Festival. Zudem unterliegen wir einer „Schweigepflicht“. Das erzeugt Vertrauen. Genauso, wenn die Festivalbesucher merken, dass wir wissen, wovon wir reden und ihnen nicht nur auswendig gelernte Phrasen runterbeten.
Was sind die besonderen Herausforderungen bei Ihrer Arbeit?
Bei den Clubs und Diskothekenbetreibern stoßen wir noch auf Ablehnung. Generell ist das Arbeiten in einem Club für uns schwieriger als auf einer Open-Air-Veranstaltung, allein schon wegen dem geringeren Platz und der Lautstärke. So lassen sich kaum Gespräche führen. Daneben wird in der Clubszene von Betreiberseite das Thema Drogen ignoriert oder totgeschwiegen. Frei nach dem Motto „Sowas gibt’s in meinem Club nicht“, was natürlich nicht stimmt. Es wäre schön, wenn auch dort mit dem Thema Drogen offener umgegangen würde, so dass es zum Beispiel völlig normal wäre, dass unsere Flyer frei in den Clubs ausliegen.
Hinweis zur Verwendung von Cookies
Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: