1.66 Bilanzierung von Nachlässen
Frage:
1. Vermächtnis von L. (Sparbuch):
L. hat der Stadt aus dem Nachlass einen Betrag von 161.650,06 Euro hinterlassen.
Der Betrag wurde auf einem Sparbuch mit dreimonatiger Kündigungsfrist festgelegt. Zusätzlich wurde für laufende Zahlungen oder Zuschüsse ein Girokonto eröffnet, auf welches dann nach Bedarf ein Betrag vom Sparbuch umgebucht wird, so dass Zahlungen getätigt werden können.
Der hinterlassene Betrag ist nach einem Beschluss der Ratsversammlung v. 29.03.2006 für geeignete Maßnahmen zugunsten behinderter Menschen zu verwenden. Eine Projektbewilligung erfolgt durch den Sozialausschuss der Stadt.
Bei welchen Konten ist Anfangsbestand in der Bilanz auszuweisen (Konto 1811 / Kontogruppe 20)?
Sollte das Vermächtnis auch in der Anlagenbuchhaltung geführt werden?
2. P. Legat (Sparkassenbrief)
Gem. Testamentseröffnung v. 15.08.1914 sind der Stadt von P. lt. Testament v. 19.12.1908 5 Aktien der damaligen Westbank AG vermacht worden, deren Zinsen jährlich an Arme zu zahlen sind.
Durch entsprechenden Zukauf von Aktien aus Bezugsrechten betrug der damalige Aktienbestand 540 Aktien zu einem Kurswert von 23,40 Euro.
Durch den zwangsweisen Ausschluss von Minderheitsaktionären wurden die Aktien zu einem erhöhten Wert von 26,6593 Euro je Aktie, mithin 14.396,02, verkauft.
Aus den Erlösen wurde ein Sparkassenbrief zu einem festen Zinssatz von 3,200 % mit einer Laufzeit bis 02.03.2015 erworben.
Die Zinsen werden jährlich an Bedürftige ausgezahlt (Zahlung an die AWO).
Bei welchen Konten ist Anfangsbestand in der Bilanz auszuweisen (Kontogruppe 14 / Kontogruppe 20)?
Sollte das Legat auch in der Anlagenbuchhaltung geführt werden?
3. Nachlass P.
P. hat der Stadt neben einem Gebäude auch ein Sparbuch mit einem Bestand von 1.533,88 Euro hinterlassen. P. hat bestimmt, dass die Zinserträge an bedürftige Bürgerinnen und Bürger zu verteilen sind.
Die Zinsen werden jährlich an Bedürftige ausgezahlt (Zahlung an die AWO).
Bei welchen Konten ist Anfangsbestand in der Bilanz auszuweisen (Konto 1811 / Kontogruppe 20)?
Sollte der Nachlass auch in der Anlagenbuchhaltung geführt werden?
4. Erbe N. (Sparbuch)
Die Stadt wurde mit Beurkundung v. 12.10.1987 zu einem Anteil von 1/3 als Nacherbe neben dem Sohn bestimmt. Der Nachlass soll, nach dem Willen der Erblasserin, keine Aufnahme in den Haushalt der Stadt finden. Über den Nachlass soll allein das städt. Alten- u. Pflegeheim, jetzt DRK-Heim, verfügen. Ein Betrag von seinerzeit 77.855,28 Euro wurde auf einem Sparkonto festgelegt und wird für Zwecke des DRK-Heimes verwandt. Die Entscheidung obliegt dem jetzigen Heimbeirat.
Die Verwaltung des Sparbuches und Auszahlung der Beträge obliegt der Stadt.
Ist das Erbe in der Bilanz auszuweisen und ggf. bei welchen Konten (Konto 1811 / Kontogruppe 20)?
Sollte das Erbe auch in der Anlagenbuchhaltung geführt werden?
Die Sachverhalte beinhalten im Wesentlichen eine identische Rechtslage. In allen Fällen liegen Vermächtnisse der Stadt vor, die für bestimmte Zwecke einzusetzen sind.
Sparbücher und Sparbriefe sind gemäß der Zuordnungsvorschriften zum Kontenrahmen unter Konto 1821 "Sonstige Einlagen" zu bilanzieren.
Eine gesonderte Erfassung in der Anlagenbuchhaltung ist im Bereich der liquiden Mittel regelmäßig nicht erforderlich. Sie sind aber durch die Finanzbuchhaltung im Mittelbestand zu führen.
Vermächtnisse (z. B. Erbschaften und Legate) fallen unter die Treuhandvermögen, die in den vorliegenden Fällen durch die Stadt zu verwalten ist. Dies gilt allerdings nur, sofern durch den Vermächtnisgeber eine Zweckbindung vorgegeben worden ist. Als Gegenposition zu den Vermögenswerten / zu jedem Treuhandvermögen ist jeweils ein gesonderter Sonderposten in voller Höhe des entsprechenden Vermögenswertes zu bilden (§ 50 Abs. 2 GemHVO i. V. m. Erläuterungen zu § 48 GemHVO-Doppik)
Die laufenden Zinserträge und Aufwendungen sowie die Ein- und Auszahlungen sind für jedes Treuhandvermögen in einem eigenen Produkt zu buchen. Gleiches gilt für Zugänge und Abgänge auf das Treuhandvermögen (§ 58 GemHVO-Doppik i. V. m. § 42 GemHVO-Kameral).
In der unter 1. beschriebenen Konstellation scheint allerdings eine Zweckbindung durch den Erblasser nicht bestimmt worden zu sein. Eine Zweckbestimmung wurde erst durch den Beschluss der Gemeindevertretung, also durch die Gemeinde selbst nachgeholt. Eine solche Eigenbindung würde nicht die Voraussetzungen eines Treuhandvermögens erfüllen.
Stattdessen würde es sich bei der Erbschaft in diesem Fall in vollem Umfang um einen Ertrag handeln. Durch die beschlossene Zweckbindung findet § 21 GemHVO-Doppik Anwendung, so dass entsprechende Aufwendungen geplant und ggf. übertragen werden müssen. Die Gegenposition zu den zunächst unter Konto 1821 auszuweisenden liquiden Mitteln stellt in diesem Fall das Eigenkapital dar, das bei Verwendung wieder reduziert wird. Die Umbuchung von Sparbuch auf das Bankkonto wird durch eine Zahlwegsumbuchung erfolgen.
Hinsichtlich des Sachverhalts 4. (DRK-Heim) sollte überprüft werden, ob eine Verwaltung der Mittel durch die Stadt geboten ist. Da es sich nicht um eine kommunale Einrichtung handelt, erscheint es als sinnvoll, die Verwaltung der Mittel direkt dem DRK zu übertragen.