1.20 Rückstellungen für Investitionen (überarbeitet 06/2015)
Frage: Ist die Bildung von Rückstellungen für künftige investive Anschaffungs- und Herstellungskosten nach GemVO-Doppik in Verbindung mit § 249 HGB zulässig?
Der Bereich Finanzbuchhaltung vertritt die Auffassung, dass für ungewisse Verbindlichkeiten aus erbrachten Leistungen für Investitionsmaßnahmen (AiB und Anlagen), die aktivierungspflichtig sind, Rückstellungen gebildet werden müssen. Folgende Sachbuchungen sollen dafür vorgenommen werden:
- Hhj. 2010: Anlage an Rückstellung
(Erhöhung des Wertes der Anlage um die geschätzte Aktivierungshöhe
unter Bildung eines Haushaltsrestes des entsprechenden 78-er FRK) - Hhj. 2011 (Eingangsrechnung) Rückstellung an Verbindlichkeiten (78-er FRK)
Der Bereich Haushalt und Steuerung sowie das Projekt NKF Doppik vertreten die Auffassung, dass weder nach § 24 GemHVO-Doppik noch nach § 249 HGB die Bildung von Rückstellungen für künftige investive Ausgaben, die aktivierungspflichtig sind, zulässig sind, auch wenn die Leistung (Fertigstellung der Anlage) bereits erfolgte (z.B. Dezember 2010), aber die Schlussrechnung zum Zeitpunkt der Meldungen zum Jahresabschluss bis 28.2.2011 noch nicht vorliegt.
Dies leiten wir wie folgt ab:
Gem. § 24, Abs. 2 GemHVO-Doppik sind zusätzlich zu den in Ziffer 1 bis 9 genannten Fällen die Bildung von Rückstellungen zulässig, soweit diese durch Gesetz oder Verordnung zugelassen sind.
In den Erläuterungen zu § 24 GemHVO-Doppik (Bräse/Hase/Leder – 13. Auflage, Seite 481 ff) wird weiter ausgeführt:
„Zum vollständigen Ressourcenverbrauch der Gemeinde gehört – wie im Handelsrecht auch – die Bildung von Rückstellungen …. . Diese sind von der Gemeinde als Aufwand zu buchen … . Dadurch werden die Aufwendungen der Verursachungsperiode zugerechnet.“
Hier werden ausschließlich Rückstellungen für Aufwendungen (Aufwand) genannt, um die verursachungsgerechte Periodenabgrenzung darzustellen.
Nach § 249 (1) HGB sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Im Beck’schen Bilanzkommentar zum HGB (6. Auflage), werden in der Anmerkung 24 zu § 249 HGB (Seite 261) Passivierungsgrundsätze für ungewisse Verbindlichkeiten näher erläutert. In dieser Erläuterung heißt es:
„ Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind zu bilden … (3) sofern mit der tatsächlichen Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen ist .. , wobei (4) die künftigen Ausgaben nicht als AK / HK aktivierungspflichtig sein dürfen und kein Passivierungsverbot besteht.“
Gemäß § 5, Abs. 4b EstG dürfen Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren, als Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes zu aktivieren sind, nicht gebildet werden.
Diese Auffassung wurde auch in Haufe.de durch eine Autorin des haufe.service Onlineportals bestätigt, die wir nachfolgend wiedergeben:
„HaufeIndex 1381436
Eine Rückstellung darf nicht zu aktivierungspflichtigen Anschaffungs- und Herstellungskosten führen. Schafft die Kommune einen Vermögensgegenstand an, so stellt die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung keine Minderung des Vermögens dar, weil das Vermögen durch den Erwerb des Vermögensgegenstandes erhöht und durch die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung in gleicher Höhe vermindert wird (Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip). In der Bilanz stellt sich der Geschäftsvorfall als Aktivtausch dar. Noch nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen aus Kaufverträgen sind zum Abschlussstichtag als Verbindlichkeit auf der Passivseite der Bilanz zu berücksichtigen.“
Antwort des Haufe-online-Service auf die Anfrage der Finanzbuchhaltung:
„Die im Beitrag/Haufe-Index dargestellten Inhalte stimmen nach wie vor mit der Gesetzeslage NRW überein und sind auch übergreifend analog anwendbar.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, müssten Sie bisher folgende Buchung veranlasst haben für die Bildung der Rückstellung:
Aufwand
an Rückstellung 1,1 Mio EUR.
Die Korrekturbuchungen wären dann entsprechend
Infrastrukturvermögen/Gebäude
an Aufwand 1,1, Mio. EUR und
Rückstellungen
an Verbindlichkeiten aus LL 1,1 Mio. EUR.
Vermögensgegenstände sind immer dann zu bilanzieren, wenn Sie fertig gestellt sind – in Ihrem Fall also im Dezember 2011 (siehe Buchungen oben), ggf. mit den oben angegebenen Korrekturbuchungen, die insoweit nur auf der Vermutung beruhen, dass Ihre erste Buchung wie oben angegeben erfolgt ist.
Der Beitrag von Frau Ahrweiler besagt nicht, dass keine AHK ausgewiesen werden, sondern nur, dass eine Rückstellung nicht zu aktivierungspflichtigen Anschaffungs- und Herstellungskosten führen darf. Das soll nur heißen, dass keine Rückstellungen gebildet werden dürfen, wenn ein Vermögensgegenstand vorhanden ist.“
Das Land Brandenburg beurteilt dies jedoch anders. (siehe Handlungsempfehlung des Landes Brandenburg).
Da sich die GemHVO-Doppik des Landes Schleswig-Holstein an das doppische Haushaltsrecht des Landes NRW anlehnt, teilen wir die Einschätzung des haufe-Online-Service.
Wird diese Auffassung ebenfalls durch den NRK-SH und das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein auf Basis der GemHVO-Doppik des Landes Schleswig-Holstein geteilt? Wie soll in solchen Fällen explizit in S-H verfahren werden?
Im Rahmen der Änderung vom 02.12.2014 wurde § 24 Satz 1 GemHVO-Doppik um folgende Rückstellungsart (Nr. 10) ergänzt:
"Verbindlichkeiten für im Haushaltsjahr empfangene Lieferungen und Leistungen, für die keine Rechnung vorliegt und der Rechnungsbetrag nicht bekannt ist."
Diese Regelung umfasst auch solche Verbindlichkeiten, die für die Anschaffung oder Herstellung von Vermögensgegenständen im abgelaufenen Haushaltsjahr entstanden sind.
Der Vermögensgegenstand ist, sobald er der Verwaltung als zugegangen gilt, auch entsprechend zu bilanzieren.
Auf der Passivseite ist sofern der Rechnungsbetrag feststeht, eine Verbindlichkeit einzubuchen. Sofern noch Ungewissheit bezüglich der Höhe besteht, ist für den ungewissen Teil eine Rückstellung zu bilden.
Die zusätzliche Übertragung einer Auszahlungsermächtigung (gem. § 23 Abs. 2 GemHVO-Doppik) wäre ratsam.