Das Olympiazentrum Kiel-Schilksee ist als Austragungsstätte der Segelwettkämpfe der Olympiade von 1972 sowie als einzigartige kombinierte Sport-, Freizeit- und Wohnanlage ein Kulturdenkmal von besonderem Wert. Denkmale sind materielle Zeugnisse menschlichen Wirkens. Sie dienen dem Grundbedürfnis des Einzelnen und der Gesellschaft nach Erinnerung. Sie sind Teil des heutigen Lebensraumes und der heutigen Kultur.
Das Denkmalschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein regelt den Umgang mit einem Kulturdenkmal.
Die vorliegenden denkmalpflegerischen Leitlinien sollen als Handlungsleitfaden dienen, um das Olympiazentrum Kiel-Schilksee in seinem aussagekräftigen Bestand und charakteristischen Erscheinungsbild zu erhalten. Jeder Denkmaleigentümer ist gemäß Denkmalschutzgesetz verpflichtet, sein Kulturdenkmal im Rahmen des Zumutbaren zu bewahren. Die laufende Instandhaltung der Bausubstanz ist dafür wesentlich. Durch eine regelmäßige Begutachtung des baulichen Zustandes und damit verbundene Maßnahmen zur Unterhaltung und Pflege, können durchgreifende Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen sowie unnötige Kosten vermieden werden. Die Leitlinien geben eine Orientierung für zukünftige Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen. Sie dienen als Grundlage für eine gemeinsame und zielgerichtete Konzeptfindung mit den Denkmalschutzbehörden.
Das Olympiazentrum Kiel-Schilksee ist denkmalgeschützt. Warum eigentlich?
Das Olympiazentrum Kiel Schilksee entstand zwischen 1969 und 1972 nach Entwürfen der Architekten Hinrich Storch und Walter Ehlers aus Hannover. Sie waren als Sieger aus dem Architektenwettbewerb hervorgegangen. Die Grün- und Außenanlagen plante der Landschaftsarchitekt Rolf Ehlgötz aus Bad Gandersheim.
Errichtet am Sporthafen des ehemaligen Fischerortes Schilksee, der 1959 nach Kiel eingemeindet worden war, lag dem Entwurf die gestalterische Idee zugrunde, die dortige Steilküste als Motiv aufzugreifen und baulich fortzuführen. Die gestaffelte Höhenzonierung der gesamten Baugruppe, das schrittweise Abtreppen der Baumassen von der Wasserseite landeinwärts versinnbildlichen diesen Gedanken und verdeutlichen eine Einbindung in die lokalen kulturlandschaftlichen Gegebenheiten.
Die sehr anschaulich und in vielen Details sehr authentisch überlieferte Gesamtanlage spiegelt in ihrer Gestalt den gesellschaftlichen und architektonischen Zeitgeist, die Aufbruchstimmung der frühen 1970er Jahre in der Bundesrepublik. Die Olympischen Sommerspiele von 1972 boten die Gelegenheit, ein aufgeklärtes, weltoffenes und demokratisches Deutschlandbild zu präsentieren. Die negative Erinnerung an die deutschen Olympischen Spiele von 1936, die von den Nationalsozialisten für ihre Propagandazwecke missbraucht worden war, sollte dahinter zurücktreten. Die Spiele von 1972 standen deshalb im Zeichen einer gesellschaftlichen Offenheit und Transparenz, die insbesondere durch die Olympiabauten zum Ausdruck gebracht wurden. Unbeschwertheit und eine heitere Stimmung waren die Maximen der Veranstalter. Der berühmt gewordene und seit 1998 denkmalgeschützte Münchner Olympiapark vermittelt dies mustergültig durch seine landschaftliche Gestaltung und Einbettung, durch die organische sowie bewusst offene und transparente Architektursprache und durch die fließende Verbindung der Bauten und Funktionen.
Das olympische Segelzentrum in Kiel-Schilksee verkörpert gleichermaßen durch die Vermeidung jeder symmetrischen und axialen Struktur, seine offene Durchdringung von öffentlichen und privaten Räumen sowie seine Orientierung am Konzept der kulturlandschaftlichen Einbettung zwischen Meer (Förde), Steilküste und Hinterland eine bewusst demokratische Architekturhaltung. Die umgesetzte Grundidee, eine Verbindung von öffentlichem Raum mit den abgetrennten Sportler- und Wettkampfbereichen unmittelbar erlebbar zu machen, bringt die gesellschaftliche Öffnung jener Zeit sehr anschaulich zum Ausdruck. Die realisierte Bauaufgabe, einer organischen Verbindung von Sport-, Wettkampf-, Wohn-, Freizeit- und Gewerbefunktionen in einer Anlage, hat in Deutschland kaum Vergleichsbeispiele aus jener Zeit. In der Belobigung im Rahmen des BDA-Preises 1974 wurde der Modellcharakter der Anlage besonders herausgestellt. Als bauliches Zeugnis der olympischen Spiele 1972 und als bis heute funktionierender Wohn- und Freizeitkomplex nimmt das Olympiazentrum einen besonderen Stellenwert in Schleswig-Holstein und in Deutschland ein.
Das Olympiazentrum Kiel-Schilksee ist denkmalgeschützt. Was genau?
Geschützt sind die Gebäude im Äußeren und ihre halböffentlichen Innenbereiche (Erschließungen). Die nicht öffentlichen Innenräume, die Innenräume der Wohnungen, Appartements und Nutzräume sind vom Denkmalschutz ausgenommen.
“Fliegender Holländer“ (Drachenbahn 1-39) – der gesamte Außenbau mit Außentreppen, Sockelbau, Galerie/Terrasse, Vordächern, Läden, Balkonen und Dächern, im Innern alle Treppenhäuser mit Foyers und Korridoren. Zugehörig ist auch die Gebäudebrücke zum Appartementhaus (Drachenbahn 15-19)
Appartementhaus (Drachenbahn 15-19) – der gesamte Außenbau mit Außentreppen, Sockelbau, Galerie/Terrasse, Vordächern, Läden, Balkonen und Dächern, im Innern alle Treppenhäuser mit Foyers und Korridoren. Zugehörig ist auch die Gebäudebrücke zum Appartementhaus
Mehrzweckhalle/Vaasahalle (Soling 12-18) – gesamtes Objekt: Halle mit Foyer, Umkleiden, Büros und Cafeteria, Freitreppe, Terrasse und Treppenturm
Wohnhochhaus (Drachenbahn 2) - der gesamte Außenbau mit Balkonen und Dächern, sowie alle Treppenhäuser mit Foyers, Aufzügen und Korridoren
Wohnhochhaus (Drachenbahn 4) – der gesamte Außenbau mit Balkonen und Dächern, sowie alle Treppenhäuser mit Foyers, Aufzügen und Korridoren
Olympia-Hotel (Drachenbahn 20) - der gesamte Außenbau mit Vordach, Balkonen, Schriftzug und Dach, sowie alle Treppenhäuser mit Foyers, Aufzügen und Korridoren. Zugehörig zwei Glaspavillons (mit bauzeitlichen Innenausstattung), Tiefgarage
Olympisches Feuer – Podestbauten mit Treppen, eingestellten Glaspavillons, Olympisches Feuer, Brüstungen aus Blech, Pflanzkübel – z.T. mit Steinpackungen
Kulturdenkmale sind einzigartig und im Kontext ihrer historischen Überlieferung nicht reproduzierbar. Nachempfundenes oder Nachgebautes kann an das Verlorene erinnern, es aber in seiner historischen Dimension und Authentizität nicht ersetzen. Ausgangsbasis für die Leitlinien ist der bauliche Bestand zum Zeitpunkt der Erfassung. So soll die Integrität des baulichen Gefüges der Gebäude und deren Wechselwirkung mit den Außenanlagen und gestalteten Freiflächen erhalten werden. Ein denkmalgerechter Erhalt gelingt durch die Reparatur im Bestand und gegebenenfalls durch eine material- und formgerechte Ergänzung. Diese Vorgehensweise trägt auch dem Nachhaltigkeitsgedanken Rechnung. Dabei hat bei Eingriffen die Erhaltung der historischen Substanz Vorrang. Ziel ist es, dem Verfall der Denkmalsubstanz entgegen zu wirken, ohne sie dabei wesentlich zu verändern oder zu beeinträchtigen. Dies schließt auch die Bewahrung der Zeitschichten mit ein, die für die geschichtliche Entwicklung eines Kulturdenkmals prägend sind. Genehmigungspflichtige Maßnahmen müssen rechtzeitig im Vorfeld mit der Unteren Denkmalschutzbehörde abgestimmt und durch diese genehmigt werden. Dies schließt auch Maßnahmen ein, die baurechtlich keiner Baugenehmigung bedürfen. Das Landesamt für Denkmalpflege und die Untere Denkmalschutzbehörde steht auch jenseits einer Genehmigungspflicht für Auskünfte und Beratungsleistungen zur Verfügung. Die folgenden Leitlinien sollen als Grundlage für eine denkmalgerechte Sanierungs- und Instandsetzungsplanung dienen und sind nicht abschließend. Weitere Aspekte können sich in der Abstimmung mit den beteiligten Behörden ergeben und sind ausdrücklich nicht ausgeschlossen.
Leitlinien für die architektonische Gesamtgestaltung
Das Olympiazentrum – so der Entwurfsgedanke - schreibt insbesondere mit dem „Fliegenden Holländer“ die Steilküste in Schilksee baulich fort. Vom Olympiahafen und dem Hafenvorfeld wird über die Promenade und das hintere terrassierte Appartementhaus ein gestalterischer Bogen hin zu den westlichen Grünflächen geschlagen. Hierdurch wird das Geländeprofil der hiesigen Kulturlandschaft nachgezeichnet. Die Hochhäuser bilden die städtebauliche Akzentuierung in der Ufersilhouette. Alle Bauten und Bauteile sind vollständig einsehbar. Daher ergibt sich für den Umgang mit dem Erscheinungsbild des Gesamtareals eine hohe Anforderung an den sensiblen und denkmalgerechten Umgang. Folgende Punkte sind zu beachten, die damit verbundenen Bau- und Gestaltungselemente sind zu bewahren bzw. am bauzeitlichen Bestand orientiert zu erneuern:
• Die Leitidee des Entwurfs, nämlich die topographische Gegebenheit der Steilküste aufzugreifen und fortzuführen ist das grundlegende Gestaltungsmotiv.
• Die Abmessungen und Kubaturen der denkmalgeschützten Einzelobjekte sind inklusive ihrer Dachlandschaften maßgeblich für das Erscheinungsbild des Ensembles.
• Die gestaffelte Zonierung der Gebäude ist als versinnbildlichtes Element der Einbindung in die topographischen Gegebenheiten vor Ort aufzufassen.
• Das Leitbild der gebauten Steilküste zeigt sich exemplarisch am Hauptgebäude, dem „Fliegenden Holländer“. Die Gestaltung mit erdverbundenem Sockelgeschoss mit tief eingeschnittenen, bogenförmigen Fensteröffnungen und dem wie auf Stützen schwebenden Appartementhaus mit offenen Loggien und Balkonen ist charakteristisch.
• Eine Nachverdichtung zwischen den Gebäuden sowie eine Bebauung der Randzonen sind nicht zulässig. Dies gilt ebenso für die im Schutzumfang erfassten Freiflächen.
• Das historische Erschließungskonzept mit Straßen, Fußwegen, Treppen, Rampen und Brücken ist beizubehalten. Insbesondere die breiten Außentreppen mit ihren mächtigen Wangenelementen aus Ortbeton bilden die wichtige Verbindung von der Drachenbahn (Hauptverkehrsachse des Areals) und die Promenade.
• Die Beschilderung mit Piktogrammen und Schriftzügen wurde damals nach einem einheitlichen graphischen Konzept entworfen und ausgeführt. Sie ist Teil des Gesamtkonzeptes.
Ziel ist es, die historische Substanz, das charakteristische Erscheinungsbild des Gesamtareals, sowie die halböffentlichen Innenbereiche der Bauten zu erhalten. Insbesondere das Zusammenwirken der verwendeten Materialien und ihrer Farbigkeit bzw. Materialsichtigkeit ist hier zu beachten und zu erhalten – gegebenenfalls am Original orientiert zu erneuern:
• Sichtbeton ist als Baumaterial für die gesamte Anlage charakteristisch und prägt die Bauten in verschiedenen Ausführungen als wiederkehrendes Gestaltungs- und Konstruktionselement. Historische Betonoberflächen sind zu erhalten.
• Die gestalterische Verwendung von unterschiedlichen Betonarten und deren Materialwirkung zeigt sich exemplarisch beim sogenannten „Fliegenden Holländer“. Schalungsrauer Sichtbeton mit dunklem Zementzuschlag betont die gewünschte Schwere der Sockelzone. Das Regenwasser wird sichtbar in offenen Rinnen über Wasserspeier aus Beton auf Großkieselsteinpackungen abgeleitet.
• Für den Oberbau mit den Appartements wurde Waschbeton mit weißem Zuschlagsgestein verwendet, um die Leichtigkeit dieses Bauteils zu betonen. Die mit hellen, profilierten Strukturplatten belegten Unterschläge (Decke der Promenade) bekräftigen diese Wirkung.
• Die als Weg durch das Gebäude geführte Promenadenzone über dem Sockel wird als „Luftgeschoss“ mittels Betonstützen und vieler Durchgänge gestalterisch aufgelöst. Die Läden und Restaurants in diesem Bereich fügen sich in Leichtbauweise als Stahl- und Glaskonstruktion gestalterisch ein und unterstreichen in ihrer Materialität und Gestaltung die optische Durchlässigkeit dieses Bereiches.
• Die dunklen Holzverschalungen, teils mit Schattenfugen, z.B. an den Zugängen der Appartements, an der Bedachung der Schwimmhalle oder in Attikazonen sind wichtige Gestaltungselemente.
• Die ursprünglichen Holzrahmentüren mit Teilverglasung und die Holzrahmenfenster mit charakteristischen Teilungen.
• Zu den erhaltenswerten Elementen zählen insbesondere die bauzeitliche Materialität und Gestaltung der Foyers und Treppenhäuser wie z.B. Blockstufen und Bodenplatten aus Kunststein, farbige Wandbekleidungen, Geländer und Handläufe aus Holz, Stahl oder Glas usw.
Leitlinien für die Außenanlagen, Frei- und Hafenflächen sowie die Kunst am Bau
Das Gebäudeareal rezipiert die vorhandenen natürlichen Topographieelemente der örtlichen Kulturlandschaft. Die Gestaltung der Außenanlagen und Freiflächen stellt dabei ein wichtiges Bindeglied zwischen Architektur und gewachsener Landschaft dar. Ziel ist es, das gestalterische Konzept der Außenanlagen, sowie der Frei- und Hafenflächen zu bewahren bzw. am bauzeitlichen Bestand orientiert zu erneuern.
• Das Hafenvorfeld ist als bewusste Freifläche und „gebauter“ Strandabschnitt konzipiert. Die gestalterische Gliederung erfolgt durch Grünbereiche vor dem Sockelgeschoss des „Fliegenden Holländers“, durch eine zurückhaltende Bepflanzung, sowie niedrige Sichtbetonmauern, welche ursprünglich zur Schaffung privater Ruhezonen für die Athleten konzipiert waren.
• Das Hafengelände ist mit einem Bodenbelag aus hellen Betonsteinen mit grauen Zuschlägen belegt. Eine lineare Gliederung erfährt das Gelände durch eine Akzentuierung mit einem dunklen Betonstein.
• Eine in Betonstein gefasste Böschung bildet den Übergang zum Hafenbecken des Olympiahafens, welches zur Förde durch die umlaufende Steinmole begrenzt wird.
• Das Olympische Feuer ist ganz im Sinne des demokratischen Bauens für die Öffentlichkeit zugänglich und erfahrbar. Es ist als Verbindungselement zwischen Land und Wasser direkt an der steinernen Hafenböschung errichtet und greift in das Hafenbecken.
• Die Promenade, der gestaffelte Hauptzugangsbereich des Areals wird durch niedrige, versetzte Sichtbetonmauern, Wasserbecken aus Beton und Punktpflanzungen von Solitärbäumen gegliedert.
• Die Freifläche zwischen den Appartementbauten bildet mit seinen strukturierenden Elementen aus niedrigen Betonmauern, Pflanzbecken aus Beton, sowie Großkieselpackungen eine Art Steingarten, welcher die Drachenbahn gestalterisch einbindet und zum sogenannten „Fliegenden Holländer“ sowie zur Promenade überleitet.
• Zur Beleuchtung dienten ursprünglich schlichte Kugelmastleuchten, die vereinzelt erhalten sind.
• Die westliche Wiesenfläche, gesäumt von verschiedenen Gehölzarten, wird direkt an das westliche Appartementhaus herangeführt. Somit entsteht ein fließender Übergang zwischen landschaftlicher und architektonischer Gestaltung.
• Die Freiflächengestaltung ist insgesamt durch homogenen Materialeinsatz (Beton, Naturstein) und die bewusste Vermeidung von dekorativen Elementen oder Absperrungen geprägt. Daher sind weitere Barrieren, Zäune oder dergleichen zu vermeiden. Dies gilt ebenso für das Anbringen von Verschattungen.
• Die Zugänge des Areals betonend wurden an drei Orten Windfahnen des Künstlers Tomitaro Nachi errichtet. Sie wurden aus farbigen Aluminiumplatten hergestellt und bilden ein auflockerndes Gestaltungselement der Freiflächen. Die hellbunten Farben bringen die angestrebte Heiterkeit der Veranstaltung zum Ausdruck.
Die wichtigste Anlaufstelle für Eigentümer eines Kulturdenkmals ist die Untere Denkmalschutzbehörde; im Falle des Olympiazentrums Kiel-Schilksee die Untere Denkmalschutzbehörde der Landeshauptstadt Kiel. Sie erteilt die denkmalrechtliche Genehmigung für Baumaßnahmen und berät den Denkmaleigentümer zu Fragen der praktischen Denkmalpflege. Außerdem können Wege zu möglichen Fördermitteln aufgezeigt werden. Die Untere Denkmalschutzbehörde zieht bei Bedarf die Fachkompetenz des Landesamtes für Denkmalpflege Schleswig-Holstein hinzu.
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