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Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung,
Wissenschaft, Forschung und Kultur
: Thema: Ministerien & Behörden

Dr. Dorit Stenke

Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur

Ministerin Prien im Landtag:


10-Punkte-Plan für jüdisches Leben – Bildungsoffensive gegen Antisemitismus in Schleswig-Holstein

Letzte Aktualisierung: 24.11.2023

Landtgsrede von Karin Prien, Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein

Es gilt das gesprochene Wort

"Gleichgültigkeit ist Gift für die Demokratie, für Freiheit und Menschenrechte. Gleichgültigkeit ist ein gefährlicher Brandbeschleuniger für Antisemitismus und jede Form von Hass und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.  

Wenn ich gefragt werden, was mir in den letzten Tagen und Wochen besonders Angst macht, dann ist es die Gleichgültigkeit der Gesellschaft. Die Ignoranz. Der Mangel an Humanität.  Die schweigende Masse.   

Als Anfang Oktober in Israel die Hamas in monströser Brutalität grausam mordete, als sie Frauen vergewaltigte, Kinder und Alte verschleppte, da gingen in Echtzeit Bilder und Videos um die Welt und wir alle konnten zuschauen.  Der perfide Plan der Hamas und ihrer Hintermänner nahm seinen Lauf.  

Die aufgeheizte Stimmung weltweit auf extremistischen, islamistischen Anti-Israel-Demonstrationen haben wir auf deutschen Straßen und Plätzen hautnah miterlebt. Wir haben die antisemitischen Angriffe und Vorfälle mitbekommen, die Judensterne an Hauswänden gesehen. Wir können nicht sagen, dass wir nichts gewusst haben. 

Und trotzdem erleben wir diese Gleichgültigkeit in der Gesellschaft, die uns erschreckend an den 9. November 1938 und das darauffolgende dunkelste Kapitel unsere Geschichte erinnert. 

Als vor 85 Jahren Synagogen brannten, Wohnhäuser zerstört und jüdische Geschäfte geplündert wurden; als jüdische Menschen ermordet und in Konzentrationslager verschleppt wurden, da taten und sagten die meisten Deutschen: - nichts. 

Und ermöglichten damit die „Katastrophe vor der Katastrophe“. 

Sind wir wieder an diesem Punkt? 

Der syrisch-deutsche Schriftsteller Rafik Schami hat ein Essay „Gegen die Gleichgültigkeit“ geschrieben, aus dem ich mit Erlaubnis der Präsidentin einen Abschnitt zitieren möchte:

„Es gibt kaum eine Gruppe, die so viel Einfluss auf die Weltgeschichte hat, wie die Gleichgültigen. Und das Bemerkenswerte daran ist: niemand spricht von ihnen. Ihre Passivität hat die radikalsten Umbrüche ermöglicht. Die Gleichgültigen nehmen alles hin, wie es kommt. Sie sind weder dafür noch dagegen. Engagement ist für sie ein rotes Tuch; mit der Zeit stumpfen sie ab.“

Gleichgültigkeit, das ist die Abwesenheit von Haltung – verursacht durch den Mangel an Empathie und Wissen.

Darauf müssen wir Antworten finden. Wir müssen Fakten und Empathie vermitteln und uns dabei bewusst sein: Große Teile der jungen Generation erreichen wir nicht mehr durch Zeitungen, Fernsehen oder Gedenkveranstaltungen. Es gibt Kinder und Jugendliche, die ihr gesamtes Wissen zum Nahostkonflikt und ihre Empathie aus den sozialen Netzwerken und von ihren Familien haben. Dabei entwickelt sich der Nahost-Konflikt im Netz zum Desinformationsdesaster mit einer Flut an Falschinformationen und Propaganda. 

Schulen spielen daher jetzt eine besonders wichtige Rolle als Vermittler von Wissen und Empathie. 

Mit dem 10-Punkte-Plan für jüdisches Leben starten wir eine dringend notwendige Bildungsoffensive gegen Antisemitismus in Schleswig-Holstein. Und ich danke Ihnen allen, liebe Abgeordnete, dass Sie fraktionsübergreifend geschlossen hinter diesem Antrag stehen. Das ist ein starkes Signal an die Jüdinnen und Juden in unserem Land. Ein Signal gegen die Gleichgültigkeit. 

Was wir jetzt brauchen ist kein Aktionismus, keine kurzatmigen Projektförderungen oder einfach nur zusätzliche Gelder. Was wir brauchen ist eine dauerhafte und tiefgreifende strukturelle Veränderung im Rahmen einer Strategie in allen Lebens- und Politikbereichen. Das wird Aufgabe des Aktionsplans Antisemitismus der Landesregierung sein. 

Für den Bildungsbereich legen wir diese Strategie mit dem gemeinsamen Antrag der regierungstragenden Fraktionen und der Opposition vor. Die Änderung des Schulgesetzes ist so eine Strukturveränderung. Dadurch verankern wir den Einsatz gegen Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sowie gegen die Wiederbelebung oder Verbreitung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems dauerhaft als Bildungs- und Erziehungsziel.  Damit einher wird die Verpflichtung gehen, Präventions- und Schutzkonzepte an jeder Schule zu entwickeln. 

Eine weitere Maßnahme, die langfristig wirkt, ist die verpflichtende Auseinandersetzung mit Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und die Aufnahme entsprechender Kompetenzen sowohl in die Ausbildungsordnung der Lehrkräfte als auch in die Fachanforderungen und Leitfäden der Schulen. 

Ich habe damit nur zwei Beispiele aus dem 10-Punkte-Plan herausgegriffen, aber diese Beispiele zeigen: Die Beschäftigung mit Antisemitismus, Judentum und Israel darf sich nicht in kurzfristiger Projektarbeit verlieren. Sie muss einen breiten Raum bekommen, um sich im Alltagsbewusstsein zu verankern.

Auch außerhalb der Schule, in der Jugendarbeit, in Vereinen, in den Kirchen und Moscheen und ganz besonders auch in den Familien müssen wir Kinder und Jugendliche sensibilisieren und über Antisemitismus aufklären. An vielen Stellen geschieht das schon. Und ich danke allen, die sich hier engagieren: den jüdischen Verbänden und Organisationen, dem Beauftragten für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, den Gedenkstätten, den Kirchen und muslimischen Gemeinden, die sich klar gegen Antisemitismus positioniert haben. Aber auch jeder einzelnen Bürgerin und jedem einzelnen Bürger, die oder der nicht in gefährlicher Gleichgültigkeit verharrt, sondern mutig Zivilcourage beweist. 

Sie alle tragen dazu bei, dass das „Nie wieder“ eben keine Leerformel bleibt. 

Nie wieder. Nie wieder Hass und Hetze. Nie wieder. Das heißt für uns heute vor allem auch: Nie wieder Gleichgültigkeit"

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