Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin/sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
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die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt, insbesondere in den Ballungszentren, belegt die hohe Bedeutung des Wohnraummietrechts. Es schützt mit der räumlichen Privatsphäre ein grundrechtlich verankertes Rechtsgut der Mieterinnen und Mieter. Gleichzeitig schützt es die Eigentumsgarantie und damit ein Grundrecht der Vermieterinnen und Vermieter.
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Dabei kommt der Rechtsprechung in diesem sensiblen Rechtsgebiet eine besondere Bedeutung zu – schafft sie doch die notwendige Rechtssicherheit. Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, eine Norm auszulegen und die Interessen aller Parteien im Einzelfall sorgfältig gegeneinander abzuwägen.
Das geschieht seit Jahrzehnten und ausgesprochen differenziert. Eine eventuelle Neufassung der bestehenden Regelungen muss daher ebenso differenziert entwickelt und überdacht werden.
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Lassen Sie mich dies anhand von drei Punkten verdeutlichen.
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Erstens:
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Eine engere Definition des Personenkreises, zu dessen Gunsten eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen werden darf, wirft viele Fragen auf.
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Die Tatsache, dass Vermieterinnen und Vermieter die Räume auch tatsächlich benötigen müssen, sorgt bereits für den notwendigen Interessensausgleich. Eine weitere Begrenzung würde eine erhebliche Einschränkung des Eigentumsrechts bedeuten.
Die berechtigten Interessen der Vermieterinnen und Vermieter dürfen nicht aus dem Blick geraten.
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Und es ist ihr berechtigtes Interesse, wenn sie den Wohnraum für sich selbst, für Familienangehörige oder für Angehörige ihres Haushalts, benötigen. Es handelt sich um ihren eigenen Wohnraum, für den sie mit allen Pflichten, die das Eigentum auferlegt, Verantwortung tragen. Eine weitere Begrenzung des Personenkreises lässt außer Acht, dass Familienzusammenhalt nicht zwangsläufig in gerader Linie verläuft, und dass enge Familienbande nicht immer mit einem engen Verwandtschaftsgrad einhergehen.
Zweitens:
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Dass die Nutzungsdauer der Wohnung durch die Person, zu deren Gunsten gekündigt wird, mindestens ein Jahr betragen muss, spiegelt die heutigen Lebensrealitäten vieler Menschen nicht wider.
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Es gibt zahlreiche Konstellationen, in denen auch eine kürzere Nutzungsdauer erforderlich und angemessen ist. Insbesondere im Leben junger Menschen erfordern das Studium, die Ausbildung oder auch ein Freiwilligendienst regelmäßig kürzere Aufenthalte an einem Wohnort.
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Selbstverständlich müssen missbräuchliche Eigenbedarfskündigungen verhindert werden. Dies geschieht aber bereits durch die Rechtsprechung. Sie hat wirksamere und differenziertere Kontrollinstrumente als eine Mindestnutzungsdauer entwickelt.
Drittens:
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Eine Erweiterung der Begründungspflicht inklusive einer Umkehr der Beweislast könnte Vermieterinnen und Vermietern zu sehr belasten und eine Vermietung generell unattraktiv werden lassen, sodass sie möglicherweise - jedenfalls für eine gewisse Zeit - von einer Vermietung ganz absehen. Dann stünde der Wohnraum gar nicht zur Verfügung.
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Darüber hinaus würde eine umfangreichere Begründung nicht automatisch zu einem höheren Mieterschutz führen.
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Und schließlich fordert das Bundesverfassungsgericht, dass die Ansprüche an die Kündigung durch Vermieterinnen und Vermieter nicht überhöht werden. Diese Rechtsprechung muss auch bei einer möglichen Neuregelung bedacht werden.
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Meine Damen und Herren,
Anpassungen des Wohnraummietrechts erfordern einen differenzierten Blick auf die Interessen sowohl von Mieterinnen und Mietern als auch von Vermieterinnen und Vermietern. Sie setzen eine sorgfältige Abwägung voraus, um die sensiblen Rechtsgüter beider Seiten zu wahren und nicht gegeneinander auszuspielen.
Einer eventuellen Neuregelung muss ein angemessener Ausgleich zwischen unterschiedlichen Bedürfnissen zu Grunde liegen.
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Vielen Dank.