Die Regierungschefin und Regierungschefs der fünf Norddeutschen Länder wollen sich bei der Bundesregierung für die Schaffung eines "Transformationsstrompreises" einsetzen.
Bei der Konferenz Norddeutschland (KND) im Bremer Rathaus waren sich die Regierungschefs der Nordländer Dr. Andreas Bovenschulte (Bremen), Daniel Günther (Schleswig-Holstein), Stephan Weil (Niedersachsen), Peter Tschentscher (Hamburg) und Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) einig, dass der gegenwärtige Strompreis in Deutschland für die im Zuge der Dekarbonisierung erforderliche Elektrifizierung energieintensiver Betriebe zu hoch sei. Zwar stelle die Bundesregierung in Aussicht, dass die Industrie ab 2029 direkte Stromlieferverträge mit neuen Offshore-Windparks abschließen könne, das aber käme für die unmittelbar anstehenden Investitionsentscheidungen zu spät.
Tarif für Industrien im Transformationsprozess
Der Industriestrompreis soll laut KND-Beschluss für energieintensive Unternehmen der Grundstoffindustrie gelten, die sich "unmittelbar in der Transformation und Dekarbonisierung ihrer Produktionsprozesse befinden" sowie für "strategisch wichtige Branchen, deren Produkte der Energiesicherheit und der Transformation der Industrie insgesamt dienen". Weiter fordern die Mitglieder der KND: "Ein Industriestrompreis darf nicht zu Lasten aller anderen Stromverbraucher finanziert werden."
Die energieintensive Industrie sei vorübergehend ohne einen Transformationsstrompreis nicht wettbewerbsfähig, erklärte Bremens Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte und gleichzeitig Vorsitzender der KND. "Wer darauf verzichtet, gefährdet die Zukunft vieler Unternehmen und tausende von Arbeitsplätzen. Und er gefährdet auch die Umrüstung der heimischen Industrie auf eine CO2-freie Produktion."
Wettbewerbsfähigkeit sichern
"In Zeiten der Krise mit Störungen von Lieferketten und hohen Energiekosten müssen wir derzeit vor allem die industrielle Basis der deutschen Wirtschaft sichern", sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher. Dazu gehörten ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien, die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft und die Einführung eines Industriestrompreises, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Produktion in Deutschland erhält. Dabei sei Eile geboten, weil die Produktion von Grundstoffen wie Kupfer, Stahl oder Aluminium bereits in großem Umfang ins Ausland verlagert würde. Dies führe nicht nur zu einem Verlust an Wertschöpfung, sondern auch zu einer starken zusätzlichen Klimabelastung, weil die modernen Produktionsverfahren in Deutschland mit sehr viel weniger CO2-Emissionen verbunden seien als im weltweiten Durchschnitt.
Wirtschaftliche Chance für den gesamten Norden
"Der Umbau der Energieversorgung auf dem Weg zur Klimaneutralität bietet herausragende wirtschaftliche Chancen für den gesamten Norden", sagte Ministerpräsident Daniel Günther am Rande der KND. Die Verfügbarkeit von grünem Strom sei längst zum entscheidenden Standortfaktor für die Ansiedlung von Unternehmen und neuer Wertschöpfung geworden. "Diesen Weg werden wir entschlossen weitergehen, um Schleswig-Holstein bis 2040 zum ersten klimaneutralen Industrieland zu machen. Mit dem erfolgreichen Ausbau Erneuerbarer Energien haben wir Nordländer ein echtes Alleinstellungsmerkmal in Sachen Energiewende. Die Chancen etwa in den Bereichen Windenergie und Wasserstoff werden wir in Zukunft noch intensiver nutzen." Für die Versorgungssicherheit im Energiebereich sei die länderübergreifende Kooperation wichtiger denn je.
Die derzeitigen Rahmenbedingungen für die Nutzung erneuerbarer Energien müssten weiter verbessert werden, betonte Günther. Bei den Bedingungen für die Energieversorgung von Unternehmen sieht er Potenzial für Optimierung und die Belohnung netzdienlichen Verhaltens. Zudem müsse der Strom im privaten wie im gewerblichen oder industriellen Bereich in Regionen mit hohem regenerativen Energieanteil kostengünstiger werden. "Entscheidungen des Bundes in diesem Sinne sind auch bedeutsam, um den Weg zu ebnen etwa für die Produktion moderner Batteriezellen für die Automobilindustrie oder die Dekarbonisierung der Chemie- oder Zementindustrie."
Beratungen mit Unternehmerkuratorium Nord
Im Anschluss an ihre Sitzung kam Vertreter der KND und des Unternehmerkuratoriums Nord (UKN) zusammen. bei ihren Gesprächen betonten sie die Notwendigkeit des Aufbaus einer norddeutschen Wasserstoffversorgung, diese sei für eine Transformation der Industrie von wesentlicher Bedeutung. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, Engpassstellen im Hafenhinterlandverkehr insbesondere auf der Schiene zu beseitigen.
Kritik an mangelnder Unterstützung des Bundes
KND und UKN kritisierten, dass die jüngst auf Bundesebene vereinbarte Liste mit 144 Engpassstellen bei Bundesfernstraßen, für die das überragende öffentliche Interesse festgeschrieben werden soll, kaum norddeutsche Projekte enthalte. Sie fordern die Bundesregierung auf, daneben auch die Planung und den Bau der A 20 entschlossen und insgesamt deutlich schneller voranzubringen. Die Küstenautobahn sei ein herausragendes Straßeninfrastrukturprojekt für ganz Norddeutschland und von großer Bedeutung für die Abwicklung weiträumiger nord- und nordosteuropäischer Verkehrsströme.
Zum Abschluss der Sitzung übergab Bremens Bürgermeister Dr. Bovenschulte den KND- Vorsitz an Hamburgs Ersten Bürgermeister Dr. Tschentscher.
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