Eine These der Lokalisierung von Atlantis vor Helgoland von Jürgen Spanuth
Letzte Aktualisierung: 19.05.2025
Unter dem Titel „Zeitreise: Der Pastor und seine fixe Idee von Atlantis“ berichtete das Schleswig-Holstein-Magazin am 23. März 2025 über Jürgen Spanuth und die von ihm veröffentlichte These der Lokalisierung von Atlantis vor Helgoland. Grundlage waren Tauchuntersuchungen, denen im Interview von fachlicher Seite eine wissenschaftliche Forschungsweise bei dem damaligen Ziel zugebilligt wird, Atlantis vor Helgoland zu finden.
Das 1953 veröffentlichte Sachbuch erregte, wie auch andere Folgepublikationen, ein breites, auch internationales Publikum außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Im Gegensatz zur Pressedarstellung gab es vor der Podiumsdiskussion an der Christian-Albrechts-Universität (Kiel) am 4. November 1953 zunächst am 26. Oktober 1953 in kleinem Kreis ein gemeinsames Treffen auf Schloss Gottorf, Schleswig. Da es im wissenschaftlichen Diskurs weniger um Überzeugung, als um eine sachlich-fachliche richtige Bewertung von in diesem Fall Feldbeobachtungen geht, war die Idee von Jürgen Spanuth von vornherein sehr optimistisch ausgerichtet, die damals etablierten bzw. führenden Kapazitäten der jeweiligen akademischen Fächer inhaltlich herauszufordern. Dieser zwar ungleiche, aber von Spanuth doch gewollte Wettkampf musste zwangsläufig so enden, wie er endete. Naturgemäß ist es einfacher, eine wissenschaftliche These in den Raum zu stellen, als diese zu belegen. Daher ergab sich im Rahmen der Podiumsdiskussion die Zwangsläufigkeit, dass die vertretenen Fachbereiche ihre Auffassung umfänglich darstellten, zumal dies in der Arbeit Spanuths nicht geschehen war.
Diese Heinrich-Schliemann-Geschichte – dessen Wirken im Übrigen in der damaligen Diskussion einer umfänglichen Würdigung unterlag – wird heute wie damals über die Perspektive Amateur gegen Akademiker gesehen und erinnert an Rocky-Balboa-Filme: In denen erhält ein Außenseiter die Möglichkeit, sich gegen die Etablierten durchzusetzen. In der heutigen Diskussion wird übersehen, dass Spanuth ebenfalls Akademiker war. Nur lag seine Expertise nicht im Bereich von Philologie, Ägyptologie, Linguistik, Archäologie, Zoologie, Ingenieurswissenschaften, Geografie oder Geologie. Als Theologen waren ihm jedoch Quellenkritik, Exegese und Hermeneutik bekannt.
Dass der in der Meldung herausgestellte Abend am 4. November 1953 vor über tausend Hörern in Kiel für Spanuth und dessen Tochter kein Vergnügen war, liegt dabei auf der Hand. Auch musste die Kritik, dass der Geologe Karl Gripp die Bücher Spanuths gar nicht gelesen habe, nicht gerichtlich eingeklagt werden: Dieses war Spanuth laut Gripp bereits im Rahmen der Diskussion 1953 mitgeteilt worden und liegt seit diesem Jahr auch in publizierter Form vor. Vielmehr konzentrierte sich die wissenschaftliche Arbeit Gripps auf die Bewertung der im Rahmen der taucherischen Bergung erbrachten Funde und Strukturen.
Dabei ist aus heutiger Sicht fraglich, ob dies ein frühes Beispiel von Unterwasserarchäologie darstellt. Naturgemäß ist der betriebene Aufwand zwar beeindruckend, ließ sich aber bereits aufgrund des damaligen Standes des Wissens hinterfragen. Auch bei Erteilung einer heute hierfür nötigen Suchgenehmigung wäre bei fachlicher Prüfung die eigentliche Sinnlosigkeit zu erkennen gewesen. Im Hintergrund einer dennoch zu erteilenden Genehmigung stünde jedoch der Umstand, dass jederzeit archäologische Sachquellen entdeckt werden können.
Im Gegensatz zu der von Spanuth und dessen Tauchern durchgeführten unterwasserarchäologischen Untersuchung besaß diejenige in Haithabu einen eindeutigen fachlichen Rahmen und die geborgenen Funde belegen dies. Im Rahmen der von Spanuth angeregten Untersuchung entdeckten die Taucher lediglich Reste von Rennöfen in Form von sogenannten Ofensäuen, Feuersteine mit Löchern (sogenannte Hühnergötter), plattige, rechteckige Fliesen aus Feuerstein, Pflaster aus solchen Fliesen und aus Gesteinsblöcken aufgebaute Wälle.
Die Rennofenreste wurden von Spanuth bereits 1953 als solche akzeptiert. Die von ihm als Türangelsteine bezeichneten Hühnergötter erkannte Prof. W. Wetzel damals als Naturprodukte. Gleiches gilt für die rechteckigen Feuersteinfliesen, das Fliesenpflaster und die Wälle: Sie alle weisen einen natürlichen, wissenschaftlich erklärbaren Hintergrund auf.
Aus heutiger Sicht ist Spanuth keine wissenschaftliche Forschungsweise zu attestieren. Es zeigt vielmehr die subjektive Überzeugung des Laien, es besser als die Objektivierung darstellende Auffassung der Fachwelt zu wissen. Zudem wurzelt die Arbeit Spanuths als pseudo- oder parawissenschaftlicher Angang im Szientizismus und transportiert Ideologeme des späten 19./frühen 20. Jahrhunderts, die diesen Ansatz nach wie vor für die rechte Szene interessant machen. Hätte Spanuth es besser wissen können?
Nach seiner Rückkehr vom Steingrund am 17. August 1953 wandte Spanuth sich an die Presse. Hätte Spanuth sich, wie Gripp damals schrieb, belehren lassen, dann wären ihm die peinliche Bloßstellung und den Tauchern die fruchtlose Arbeit erspart geblieben. Denn bereits am 18. August 1953 wurden die Funde im geologischen Institut untersucht und am 24. August 1953 die Feuersteine von Gripp und Wetzel in Anwesenheit von Spanuth begutachtet. Am 29. August 1953 teilten die beiden Professoren Spanuth dies auch schriftlich mit und die Auffassung, die beobachtbaren Phänomene stellten keine menschliche Siedlung dar, bestätigte ebenfalls eine Sonaruntersuchung des Deutschen Hydrographischen Instituts. Ab dem 4. November 1953 ließ sich feststellen, dass Spanuths Darstellung zwar überprüfbar, seine Deutung aber eben nicht revisionsfähig ist. Revisionsfähigkeit ist aber eine Eigenschaft wissenschaftlicher wahrer Aussagen.
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