Die Sturmfluten der vergangenen Wochen haben erneut Wracks am äußersten Rand des schleswig-holsteinischen Wattenmeeres freigespült. Noch weiter westlich als die im Wattenmeer verstreut liegenden kleinen Halligen und die Marscheninsel Pellworm befinden sich die unbewohnten großen Sandbänke Norderoogsand und Süderoogsand. Die Sandbänke bilden seit jeher ein Hindernis und eine Gefahr für die Schifffahrt. Immer wieder strandeten hier in den vergangenen Jahrhunderten Schiffe, wovon Wracks aus Holz und Metall zeugen, die teilweise nur von Zeit zu Zeit sichtbar werden.
Vor einer Woche fanden in dieser weit abgelegenen Gegend Holger Spreer-Wree und Nele Wree, die einzigen erwachsenen Einwohner der benachbarten Hallig Süderoog, bei einer Begehung bei Niedrigwasser zwei außergewöhnlich frei gespülte Holzwracks, die am Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH) von früheren Sichtungen teilweise bekannt sind. Die Familie Spreer-Wree arbeitet beim Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN) für den Küstenschutz an der Hallig und deren Bewirtschaftung und als Nationalparkranger. „Da kaum ein Mensch sonst in dieser Region unterwegs ist, schon weil es sich um die Schutzzone 1 des Nationalparkes und Weltnaturerbes Wattenmeer handelt, spielen die beiden auch für Neuentdeckungen und das Monitoring der Wrackfundstellen und damit für den archäologischen Denkmalschutz eine ganz wichtige Rolle“, sagt Dr. Stefanie Klooß, Gebietsdezernentin des ALSH unter anderem für den Bereich der nordfriesischen Küste. „Nur in dieser Zusammenarbeit können wir solche besonderen Situationen überhaupt bemerken.“
Der durch Holger Spreer-Wree an das ALSH gemeldete Zustand der freigespülten Wracks bietet kurzfristig ganz besonders geeignete Bedingungen für eine Dokumentation und Erforschung der verunglückten hölzernen Schiffe. Daher wird in den nächsten Tagen der Schiffsarchäologe Dr. Daniel Zwick im Auftrag des ALSH gemeinsam mit Holger Spreer-Wree die Fundstellen aufsuchen und die Wracks untersuchen, von denen eines mindestens 28 m lang ist und ein kleineres Wrackteil von 11 m Länge. Dabei sollen auch Holzproben für eine dendrochronologische Datierung entnommen werden. Details der Schiffskonstruktion werden gesichtet und bewertet. Erste Hinweise liegen vor, dass es sich um Segelschiffe des 18. bis 20. Jahrhunderts handeln könnte. Eines der Wracks weist deutlich Brandspuren auf. Es ist zu hoffen, dass sich durch Recherchen in Strandungsprotokollen die Wracks bestimmten Schiffsunglücken zuordnen lassen und wir so mehr über die individuelle Geschichte der Schiffe erfahren.
Um die Erforschung der Nordsee- und Wattenmeerwracks fortzusetzen, wird Dr. Daniel Zwick in Kürze für das ALSH und in Kooperation mit dem Historischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität Kiel und dem Forschungs- und Technologiezentrum Büsum einen Forschungsprojektantrag mit dem Titel „Frühneuzeitliche Strandungen und Schiffwracks im nordeuropäischen Wattenmeer mit Schwerpunkt auf Nordfriesland“ einreichen. Während des 3-jährigen Forschungsprojektes sollen die Wrackfunde wissenschaftlich aufgearbeitet und mit historischen Strandungsberichten verglichen werden.
Nicht weit entfernt von den zu untersuchenden Holzwracks liegt die Wrackstelle der spanischen Bark „Ulpiano“, die in der Weihnachtsnacht am 24.12.1870 auf seiner Jungfernfahrt auf dem Süderoogsand strandete. Hier zeigt sich über die Jahre seit der Auffindung 2012/13 deutlich der Verfall durch die Gewalt der Meeresnatur (Küstenerosion, Tidenströmungen, Stürme). So sind die Relikte des maritimen Kulturerbes fortwährend von Zerstörung bedroht und müssen im rechten Moment dokumentiert werden, um weitere Forschungen zu ermöglichen.
Hier finden Sie eine Datenbank der niederländischen Kulturerbebehörde, auf der auch schleswig-holsteinische Wrackstellen mit weiteren Infos und Literaturangaben eingestellt sind:
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