Auf der Baustelle für das neue Shoppingcenter in Husum zwischen dem Markt und dem Schloss wurden mindestens fünf tiefe Brunnen oder Zisternen entdeckt. Solche Baubefunde für die Trinkwasserversorgung der Bewohner wurden nach ihrer Aufgabe als Kloake genutzt und mit Hausabfällen verfüllt. Das ermöglicht Archäologen Jahrhunderte später Rückschlüsse auf den Reichtum, den Beruf und die Lebensbedingungen der Einwohner der städtischen Parzellen zu ziehen.
Im Rahmen einer kurzfristigen Rettungsausgrabung werden innerhalb weniger Wochen im Mai und Juni 2017 die 3 m bis 5 m tiefen Baubefunde mithilfe eines Baggers untersucht. Dabei kommt ein reiches Fundmaterial zu Tage. Das betrifft zum einen die Qualität der Fayencen, Kacheln, anderen Keramiken, Metallfunde und Gläser, die auf einen wohlhabenden Haushalt schließen lassen. Darüber hinaus bieten die feuchten Sedimente der Brunnenfüllungen beste Erhaltungsbedingungen für Objekte aus Holz, Leder, Textil und kleinste Pflanzenreste. Ein Teil der als Nahrungsreste in die Kloake gelangten Pflanzenfunde ist bereits makroskopisch erkennbar: Pflaumen und Kirschen gehörten zu den Lieblingsspeisen der Bewohner.
Auf der Mejerschen Karte von 1651 ist in Husum auf dem Gelände der Baustelle neben unbebautem Gartenland auch eine Häuserzeile verzeichnet. Genau an dieser Stelle sind die Reste der Brunnen aufgetaucht. Bisher konnten drei verschiedene Konstruktionsweisen der Brunnen und Zisternen dokumentiert werden. Es gibt einen Brunnen mit einer runden Einfassung des Schachtes aus Ziegelsteinen. Weitere Brunnenwände sind aus Torfsoden aufgebaut. Einer dieser Exemplare zeigt einen nachträglich eingebauten viereckigen Holzkasten.
Das Verfüllmaterial der aufgelassenen Trinkwasserreservoire setzt sich aus Abfällen, Bauschutt, Tierdung und Fäkalien zusammen. Die Schichten enthalten zahlreiche Tierknochen, Austernschalen, Scherben, Ziegelreste, Hölzer und einzelne Metallobjekte. Als besondere Metallfunde sind ein Anhänger mit Kreuzdarstellung, ein mögliches Pilgerabzeichen in Form eines Mönches, eine Silbermünze, eine Tuchplombe und verschiedene Kleiderschließen zu nennen. Ein kleiner Schmelztiegel und Buntmetallreste weisen auf die Werkstatt eines Feinschmiedes hin.
Es ist zu vermuten, dass die Baubefunde und Abfallschichten in das 17. und 16. Jahrhundert gehören. Sicher stammen die Fayencen aus dem Brunnen mit Ziegelring in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Bemalung von mehreren Tellern nennt Jahreszahlen wie 1676 und 1682. Hier wurden auch die Bruchstücke von wertvollen Trinkgläsern geborgen. Es handelt sich um farbige Fadengläser, grünes Glas mit aufgesetzten Noppen und sogar eine plastische Darstellung eines Löwenkopfes mit Blattgoldauflage befindet sich unter den Funden.
Solche herausragenden Fundstücke stellen wichtige Indizien für Fernhandelsverbindungen dar und betonen die Stellung Husums als Nordseehafen, Warenumschlagplatz und Residenzstadt. Die zukünftige Auswertung der dokumentierten Baubefunde und des Fundmaterials verspricht Einblicke in die Lebensbedingungen und die Wirtschaftskraft in der Region vor und nach der Zweiten Groten Mandränke, der Burchardiflut von 1634.
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