Das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht verhandelt am
Montag, den 28. Juni 2010, 10:00 Uhr
im Sitzungssaal 6 des Schl.-Holst. Oberverwaltungsgerichts
Brockdorff-Rantzau-Str. 13, 24837 Schleswig
über die anlässlich der Landtagswahl vom 27. September 2009 erhobenen Wahlprüfungsbeschwerden und zugleich über einen Normenkontrollantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW).
Gegenstand des Wahlprüfungsverfahrens ist der Beschluss des Landtages vom 28. Januar 2010 über die Gültigkeit und das Ergebnis der Wahl vom 27. September 2009 (LT-Drs. 17/192 [neu]). Danach entfielen auf die CDU insgesamt elf Mehrsitze (Überhangmandate). Der gebotene Ausgleich dieser Mehrsitze wurde nach Maßgabe des § 3 Abs. 5 Satz 3 des Landeswahlgesetzes (LWahlG) zahlenmäßig begrenzt. Der Landtag geht in Übereinstimmung mit der Landeswahlleiterin davon aus, dass bei elf Mehrsitzen insgesamt nur 22 weitere Sitze von den Parteien besetzt werden dürften; davon entfielen acht auf die CDU und 14 auf die anderen Parteien. Zu einem Ausgleich der letzten drei Mehrsitze kam es daher nicht.
Hiergegen wenden sich 48 wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger mit 16 Beschwerden sowie die Landtagsfraktion DIE LINKE. Sie rügen, dass die vorgenommene Sitzzuteilung nicht mit dem Wählerwillen übereinstimme. Der Landtag habe den § 3 Abs. 5 LWahlG mit der dort vorgesehenen Begrenzung des Sitzausgleichs unzutreffend ausgelegt. Die zum Zweck des Ausgleichs zu vergebenden 22 weiteren Sitze müssten vollständig den anderen Parteien zugewiesen werden. Dies hätte zu einem vollen Ausgleich aller Mehrsitze und zu anderen Mehrheiten im Landtag geführt.
Diverse Beschwerdeführer meinen zudem, dass die in § 3 Abs. 5 Satz 3 LWahlG verankerte Mehrsitzbegrenzung verfassungswidrig sei. Artikel 10 Absatz 2 der Landesverfassung gebe vor, dass das Wahlgesetz einen vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten vorzusehen habe. Die bei einem vorzeitigen Abbruch des Ausgleichs ungedeckt bleibenden Überhangmandate verzerrten zudem die Gleichheit der Wählerstimmen in ihrem Erfolgswert und führten zu einem Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 der Landesverfassung.
Diese zweite Rüge ist zugleich Gegenstand des Normenkontrollantrages.
Geplanter Ablauf der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2010, 10:00 Uhr
- Begrüßung, kurze Einführung, Feststellung der Anwesenheit der Beteiligten
- Beendigung der Film- und Tonaufnahmen
- Eingangsstellungnahme der Vertreter der Antragsteller und Beschwerdeführer, des Landtages, der Landesregierung und der Landeswahlleiterin (jeweils maximal fünf Minuten)
- Zur Zulässigkeit des abstrakten Normenkontrollverfahrens
- Zur formellen Rechtmäßigkeit der durch den Landtag vorgenommenen Wahlprüfung
- Das Entstehen von Überhangmandaten und der einfachgesetzliche Regelungsgehalt der §§ 3 Abs. 5 sowie 16 Abs. 1 und 16 Abs. 3 LWahlG
- Verfassungsrechtliche Anforderungen aus Art 10 Abs. 2 LV und Art 3 Abs. 1 LV
- Schlussfolgerungen und mögliche Rechtsfolgen
Es ist vorgesehen, die Themen zu Ziffer 1 bis 4, zu Ziffer 5 und 6 sowie zu den Ziffern 7 und 8 in drei Blöcken zu jeweils etwa 90 Minuten zu erörtern, so dass für 11:30 Uhr und 13:30 Uhr Pausen eingeplant sind und das Sitzungsende für etwa 15:30 Uhr geplant ist.
Akkreditierungshinweise für die Verhandlung am 28. Juni 2010
Da nur in begrenztem Umfang Sitzplätze zur Verfügung stehen, werden die Medienvertreterinnen und –vertreter gebeten, sich schriftlich bis zum 24. Juni 2010 per Fax (04621/86-1499) oder per E-Mail (presse@lverfg.landsh.de) zu akkreditieren. Die Akkreditierungen werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt.
Im Sitzungssaal sind Handys wegen der störenden Geräusche auszuschalten. Foto-, Film- und Tonaufnahmen sind zulässig, bis der Vorsitzende die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten festgestellt hat. Danach haben Fotografen und Kamerateams den Sitzungssaal zu verlassen.
Bei Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal darf durch Fotografen, Kameraleute und sonstige Medienvertreter das freie Blickfeld des Gerichts nach allen Seiten nicht verstellt werden. Der Aufenthalt hinter der Richterbank ist nicht gestattet. Entsprechenden Anweisungen der Wachtmeister ist Folge zu leisten.
Anlage Gesetzestext
§ 3 LWahlG: Wahl der Abgeordneten aus den Landeslisten
[…]
(3) Für die Verteilung der nach Landeslisten zu besetzenden Sitze werden die für jede Landesliste einer am Verhältnisausgleich teilnehmenden Partei abgegebenen gültigen Zweitstimmen zusammengezählt. Anhand der Gesamtstimmenzahlen wird für jede ausgleichsberechtigte Partei nach der Reihenfolge der Höchstzahlen, die sich durch Teilung durch 1, 2, 3, 4 usw. ergibt (Höchstzahlenverfahren), festgestellt, wie viele der nach Absatz 2 verbleibenden Sitze auf sie entfallen (verhältnismäßiger Sitzanteil). Über die Zuteilung des letzten Sitzes entscheidet bei gleicher Höchstzahl das von der Landeswahlleiterin oder dem Landeswahlleiter zu ziehende Los.
(4) Die Parteien erhalten so viele Sitze aus den Landeslisten, wie ihnen unter Anrechnung der in den Wahlkreisen für sie gewählten Bewerberinnen und Bewerber an dem verhältnismäßigen Sitzanteil fehlen.
(5) Ist die Anzahl der in den Wahlkreisen für eine Partei gewählten Bewerberinnen und Bewerber größer als ihr verhältnismäßiger Sitzanteil, so verbleiben ihr die darüber hinausgehenden Sitze (Mehrsitze). In diesem Fall sind auf die nach Absatz 3 Satz 2 und 3 noch nicht berücksichtigten nächstfolgenden Höchstzahlen so lange weitere Sitze zu verteilen und nach Absatz 4 zu besetzen, bis der letzte Mehrsitz durch den verhältnismäßigen Sitzanteil gedeckt ist. Die Anzahl der weiteren Sitze darf dabei jedoch das Doppelte der Anzahl der Mehrsitze nicht übersteigen. Ist die nach den Sätzen 1 bis 3 erhöhte Gesamtsitzzahl eine gerade Zahl, so wird auf die noch nicht berücksichtigte nächstfolgende Höchstzahl ein zusätzlicher Sitz vergeben.
[…]
Artikel 3 Landesverfassung: Wahlen und Abstimmungen
(1) Die Wahlen zu den Volksvertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden und die Abstimmungen sind allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim.
[…]
Artikel 10 Landesverfassung: Funktion und Zusammensetzung des Landtages
[…]
(2) Der Landtag besteht aus fünfundsiebzig Abgeordneten. Ab der 16. Wahlperiode besteht der Landtag aus neunundsechzig Abgeordneten. Sie werden nach einem Verfahren gewählt, das die Persönlichkeitswahl mit den Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet. Die in Satz 1 genannte Zahl ändert sich nur, wenn Überhang- oder Ausgleichsmandate entstehen oder wenn Sitze leer bleiben. Das Nähere regelt ein Gesetz, das für den Fall des Entstehens von Überhangmandaten Ausgleichsmandate vorsehen muss.
Verantwortlich für diese Presseinformation: Ri’inVG Christine Nordmann, Pressereferentin
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