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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht und Sozialgerichte : Thema: Gerichte & Justizbehörden

Elterngeld - Leistungskürzung durch eine Photovoltaikanlage

Letzte Aktualisierung: 28.01.2020

Urteil LSG AZ: L 1 EG 5/16 (PDF, 499KB, Datei ist barrierefrei)

„Hab‘ Sonne im Herzen, ob’s stürmt oder schneit“, sagt der Volksmund. Nutzt man die Sonne auf dem Dach aber zur Stromerzeugung, wird man zum Kleinunternehmer. Beim Elterngeld nach der Geburt eines Kindes wird man dann so behandelt wie andere Selbständige auch.

Für die Höhe des Elterngeldes kommt es auf das Einkommen in der Zeit vor der Geburt an. Hat man in dieser Zeit viel verdient, ist das Elterngeld hoch. Hat man in dieser Zeit wenig verdient oder hatte gar kein Einkommen, ist das Elterngeld niedrig. Mindestens werden 300 € im Monat gezahlt.

Welcher Zeitraum für die Einkommensberechnung maßgebend ist, hängt davon ab, ob die Mutter oder der Vater vor der Geburt des Kindes selbstständig oder abhängig beschäftigt war. Bei Selbständigen wird das volle Kalenderjahr vor dem Jahr, in dem das Kind geboren wird, betrachtet, bei abhängig Beschäftigten sind es die 12 Monate vor dem Monat der Geburt des Kindes. Wie wichtig die Frage des Bemessungszeitraums sein kann, zeigt das nachfolgende Beispiel.

DER FALL

Frau M. arbeitet als angestellte Bankkauffrau. Im September 2010 kommt ihr erstes Kind zur Welt. Sie geht in Elternzeit und bezieht ein Jahr lang Elterngeld. Im zweiten Jahr hat sie gar kein Einkommen. Im Oktober 2012 beginnt sie wieder in Teilzeit zu arbeiten und verdient in dieser Zeit monatlich zwischen 1.200 und 1.400 € netto.  Im September 2013 bekommt sie ihr zweites Kind, für das sie Elterngeld beantragt.

Seit September 2012 betreibt sie außerdem eine Photovoltaikanlage auf dem eigenen Grundstück. Aus der Sonnenenergie wird damit Strom erzeugt, den die Familie selbst nutzen kann. Was nicht verbraucht wird, speist sie automatisch ins Stromnetz ein und bekommt dafür Geld. Wegen dieser Einkünfte meldet sie einen Gewerbebetrieb an. Da sie in der Steuererklärung die Kosten, die sie für die Anlage aufgewendet hat, gegenrechnen kann, macht sie im Jahr 2012 zunächst rechnerisch Verluste in Höhe von knapp 2.000 €. Im Jahr 2013 sind es nur noch 170 € Verlust. Später überwiegen die Gewinne.

Die Elterngeldstelle bewilligt Frau M. Elterngeld in Höhe von 367,29 € monatlich. Sie berechnet dies auf der Grundlage der Einnahmen im gesamten Jahr 2012.

Frau M. ist damit nicht einverstanden und macht geltend, dass sie in den 12 Monaten direkt vor der Geburt ihres zweiten Kindes deutlich mehr verdient habe. Es sei unverständlich, warum das volle Jahr 2012 und nicht die Zeit von September 2012 bis August 2013 maßgebend sei.

Sie wendet sich an das Sozialgericht Schleswig, um ein höheres Elterngeld einzuklagen.

DIE ENTSCHEIDUNG

Das Sozialgericht Schleswig gab der Klägerin zunächst recht. Es verurteilte das Land Schleswig-Holstein, Frau M. ein höheres Elterngeld unter Zugrundelegung eines Bemessungszeitraums von August 2012 bis Juli 2013 zu gewähren. Frau M. habe zwar eine selbstständige Erwerbstätigkeit wegen des Betriebs ihrer Photovoltaikanlage ausgeübt. Die Zeit sei jedoch deshalb nicht maßgeblich, weil sie nur Verluste und keine positiven Einkünfte erzielt habe. Daher sei hinsichtlich des Einkommens auf die 12 Monate vor der Geburt des Kindes abzustellen.

Das beklagte Land ging dagegen jedoch in Berufung und hatte damit Erfolg. Das Landessozialgericht hob die Entscheidung des Sozialgerichts auf und wies die Klage ab. Es blieb also bei dem niedrigeren Elterngeld für Frau M. Das Landessozialgericht ging davon aus, dass bei der Elterngeldberechnung auch derjenige als selbständige tätig gelte, der daraus keine Gewinne, sondern nur Verluste erziele. Das Elterngeld solle schnell, einfach und praktikabel zu berechnen sein. Die Elterngeldstellen sollten nicht danach unterscheiden müssen, ob ein Gewerbebetrieb mehr oder weniger Arbeitszeit erfordere oder mehr oder weniger Gewinn erzielt werde.

Das Landessozialgericht hat die Revision zum Bundessozialgericht nicht zugelassen. Aus Sicht des Gerichts ist die Rechtslage inzwischen durch mehrere Entscheidungen des Bundessozialgerichts geklärt.

DAS RECHT

Der Anspruch auf Elterngeld ergibt sich aus § 2 Abs. 1 und 2 Bundeselterngeldgesetz (BEEG). Danach wird Elterngeld in Höhe von 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Bei dem Bemessungszeitraum differenziert das Gesetz zwischen selbstständiger und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt. Bei nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit sind die 12 Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes maßgeblich. Bei selbstständiger Erwerbstätigkeit kommt es auf den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes an, also ein volles Kalenderjahr. Bei Mischeinkünften gilt insgesamt die Regelung für selbstständige Einkünfte. Mischeinkünfte liegen auch dann vor, wenn aus der Selbstständigkeit nur ein Verlust erwirtschaftet wird.

Die Rechtslage zu dieser Frage hat sich allerdings erst durch mehrere Entscheidungen des Bundessozialgerichts im Jahr 2016 geklärt. Das Bundessozialgericht hatte davor zum Elterngeldrecht entschieden, dass die Regelung für selbständig Tätige nur dann anzuwenden sei, wenn bei gemischten Einkünfte ein Gewinn erzielt werde. Der Gesetzgeber hat daraufhin ausdrücklich das Recht verändert (Neufassung § 2b Abs. 3 BEEG, gültig ab dem 18. September 2012). Daraufhin hat auch das Bundessozialgericht seine frühere Rechtsprechung aufgegeben.

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