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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht und Sozialgerichte : Thema: Gerichte & Justizbehörden

Sperrzeit für das Arbeitslosengeld nach Auflösung eines Arbeitsverhältnisses

Letzte Aktualisierung: 01.05.2019

Urteil SG Kiel Az.: S 9 AL 163/14  (PDF, 436KB, Datei ist barrierefrei)

Hat man auch dann einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn man ein bestehendes Arbeitsverhältnis freiwillig aufgegeben hat?

DER FALL

Ein 51-jähriger Tankwagenfahrer löst sein Arbeitsverhältnis bei einer Logistikfirma im Einvernehmen mit seiner Chefin auf. Er meldet sich beim Arbeitsamt und möchte ab dem Eintritt seiner Arbeitslosigkeit Arbeitslosengeld erhalten. Das Arbeitsamt ist jedoch der Ansicht, der Mann habe seinen Arbeitsplatz selbst verschuldet aufgegeben und verhängt eine Sperrzeit von 12 Wochen. Arbeitslosengeld erhält der Mann erst nach Ablauf der Sperrzeit.

Hiergegen wendet er sich und gibt im Laufe des Verfahrens verschiedene Begründungen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses an. Zunächst hatte er bei der Arbeitslosenmeldung angegeben, sein Arzt habe ihm zu diesem Schritt geraten. Er habe Rückenschmerzen gehabt, weil er auf einem ungeeigneten Sitz habe sitzen müssen. Auch habe er starke Schmerzmittel eingenommen und daher ohnehin kein Kraftfahrzeug führen können. Allerdings führt der behandelnde Orthopäde in einer Stellungnahme aus, dass er seinem Patienten nicht zur Arbeitsaufgabe geraten habe. Dieser habe zwar Rückenschmerzen gehabt, die Prognose sei jedoch recht gut gewesen.

Daraufhin gibt der Mann an, seinerzeit sei seine Mutter in ein Pflegeheim gekommen und er habe den Umzug organisieren müssen. Dies sei ihm neben der stressigen Arbeit nicht möglich gewesen. Die Rückenschmerzen und der Stress hätten ansonsten Depressionen bei ihm auslösen können. Daher sei die Empfehlung, den Arbeitsplatz aufzugeben, auch nicht von seinem Orthopäden, sondern von seiner Neurologin gekommen. Letztlich habe er durch den Auflösungsvertrag eine Kündigung aus gesundheitlichen Gründen vermeiden wollen. So habe er gehofft, die Chancen auf eine spätere erneute Anstellung zu verbessern. Die Neurologin bestätigt, dass der Mann bei ihr in Behandlung gewesen sei, jedoch war das bereits zwei Jahre vor dem Beginn der Arbeitslosigkeit.

Im gerichtlichen Verfahren trägt der Mann nun vor, dass seine Freundin seinerzeit für längere Zeit ins Krankenhaus gemusst und er ihren Hund in Pflege gehabt habe. Er habe ihn mit auf den LKW genommen. Auf Nachfrage des Gerichts gibt die ehemalige Chefin an, dass dies der Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewesen sei. Die Mitnahme von Tieren sei in der Firma untersagt, daran habe sich der Mitarbeiter aber nicht gehalten.

Weitere Recherchen des Gerichts ergeben schließlich, dass der Mann zumindest später, also nach dem im Streit stehenden Zeitraum wegen schwerwiegender psychiatrischer Erkrankungen und einer akuten Depression in ärztlicher Behandlung und nicht arbeitsfähig war. 

DIE ENTSCHEIDUNG

Das Sozialgericht Kiel gab der Klage des Mannes teilweise statt. Es verkürzte die Sperrzeit auf 6 Wochen.

Es ging dabei davon aus, dass der Kläger tatsächlich keinen wichtigen Grund hatte, das Arbeitsverhältnis zu lösen. Keiner der vom Kläger genannten Gründe rechtfertige die freiwillige Arbeitsaufgabe. Die orthopädischen Beschwerden hätten letztlich nur eine Krankmeldung gerechtfertigt. In diesem Fall hätte der Arbeitgeber den Lohn weiterzahlen müssen. Eine psychiatrische Erkrankung habe der Kläger nicht für den im Streit stehenden Zeitraum belegt.

Allerdings ging das Sozialgericht davon aus, dass die Verhängung der vollen Sperrzeit von 12 Wochen eine besondere Härte für den Kläger bedeutet habe. Wenn auch eine akute psychiatrische Erkrankung zum Zeitpunkt der Arbeitsaufgabe nicht belegt sei, sei doch aus den eingeholten Gutachten und Befunden hinreichend deutlich, dass der Kläger schwerwiegend psychisch erkrankt sei. Außerdem sei es nachvollziehbar, dass er davon ausgegangen sei, dass eine längere Krankschreibung seine späteren Wiedereinstellungschancen eher verschlechterten als eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrages.

Gegen diese Entscheidung ist die Bundesagentur für Arbeit zunächst in Berufung vor dem Landessozialgericht gegangen. Sie wollte, dass es bei der 12-wöchigen Sperrzeit verblieb. Daraufhin hat auch der Kläger eine sogenannte Anschlussberufung erhoben, um die vollständige Aufhebung der Sperrzeit zu erreichen. Die Beklagte hat jedoch ihre Berufung später wieder zurückgenommen, so dass auch die Anschlussberufung des Klägers entfiel. Es blieb also bei der Entscheidung des Sozialgerichts. 

DAS RECHT

Gemäß § 159 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn sich eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat. Ein solches pflichtwidriges Verhalten kann z.B. darin bestehen, dass ein Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund gelöst wird und dadurch Arbeitslosigkeit eintritt. Das Ruhen kommt auch in Betracht, wenn der Arbeitnehmer eine angebotene Stelle nicht annimmt oder sich nicht hinreichend um eine Arbeitsstelle bemüht.

Wann ein wichtiger Grund vorliegt, der z.B. die Auflösung eines Arbeitsvertrags rechtfertigt, ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden. Gesundheitliche Gründe können hier eine Rolle spielen. Dies wäre insbesondere der Fall, wenn jemand durch die weitere Ausführung der Arbeit seine Gesundheit erheblich gefährden würde. Im Zweifel wird man solche gesundheitlichen Gründe jedoch durch die Vorlage eines ärztlichen Attestes nachweisen müssen, was der Kläger im vorliegenden Fall nicht konnte.

Die Zeit, in der kein Arbeitslosengeld gezahlt wird, nennt man Sperrzeit. Eine solche dauert normalerweise 12 Wochen, sie kann jedoch auf drei oder sechs Wochen verkürzt werden. Ein Grund für eine kürzere Sperrzeit kann darin bestehen, dass das Arbeitsverhältnis ohnehin nicht mehr lange bestanden hätte. Ein anderer Grund liegt vor, wenn die längere Sperrzeit für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Hierbei wird geprüft, ob das pflichtwidrige Verhalten – etwa die Auflösung des Arbeitsvertrages – insgesamt verständlich und vertretbar erscheint. Auch hierbei kann es auf gesundheitliche Aspekte ankommen, aber auch auf die Frage, ob der Betroffene davon ausgehen konnte, dass ein wichtiger Grund für sein Verhalten vorlag. Im vorliegenden Fall hat das Sozialgericht daher nicht nur die insgesamt schwierige gesundheitliche Situation des Klägers berücksichtigt, sondern auch, dass er selbst davon ausging, dass er auf dem Arbeitsmarkt später bessere Chancen hätte, wenn er nicht wegen einer längeren Krankschreibung ausfällt. Aber Achtung: Ein selbst verschuldeter Irrtum über das Vorliegen eines wichtigen Grundes reicht in aller Regel nicht aus, um eine besondere Härte anzunehmen. Auch eine längere krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigt in der Regel nicht die Aufgabe des Arbeitsplatzes. Etwas anderes kann gelten – dies ist im Einzelfall zu ermitteln – wenn die Erkrankung direkt mit dem Arbeitsplatz zusammenhängt und nicht verschwinden wird, solange die Tätigkeit fortgeführt wird.

Da das Sozialgericht der Klage zum Teil stattgegeben und die Sperrzeit von 12 Wochen auf 6 Wochen verkürzt hat, wäre für beide Seiten grundsätzlich die Berufung zum Landessozialgericht möglich gewesen. Innerhalb der Berufungsfrist hat aber nur die Beklagte Berufung eingelegt. Für den Kläger war nach Ablauf der Frist eine eigene Berufung nicht mehr zulässig. Er konnte aber eine sogenannte Anschlussberufung erheben, mit der er sich nicht nur gegen die Berufung der Beklagten zur Wehr setzen, sondern zugleich versuchen konnte, das Urteil doch noch zu seinen Gunsten zu drehen und zu erreichen, dass die Sperrzeit ganz aufgehoben wird. Diese Anschlussberufung war aber an die Berufung der Beklagten geknüpft. Nachdem diese – wohl davon ausgehend, dass sie den Rechtsstreit nicht gewinnen würde – ihre Berufung zurückgenommen hat, entfiel auch die Anschlussberufung des Klägers. Das Urteil des Sozialgerichts wurde rechtskräftig.

 

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