Im Jahre 1872 waren die Küstenniederungen an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins bis auf wenige Fischerdörfer und Hafenstädte noch weitgehend unerschlossen. Seitdem haben sich Einwohnerzahl und Immobilienwert in den Niederungen vervielfacht. Heute leben hier über 30.000 Menschen (davon 12.700 auf Fehmarn). Sachwerte in Höhe von fast sieben Milliarden EURO sind vorhanden. In der Wischkarte: "Nutzungsvergleich" kann durch verschieben des Zeigers die Situation von 1880 mit der heutigen Situation verglichen werden. Daraus geht hervor, würden sich die Überschwemmungen von 1872 heute wiederholen, wäre mit entsprechend schlimmeren Folgen zu rechnen.
Damit sich die Katastrophe von 1872 nicht wiederholt, unterhält das Land an der Ostseeküste 71 km Landesschutzdeiche. Damit wird etwa die Hälfte der überflutungsgefährdeten Küstenniederungen vor Überflutungen geschützt. Die längsten Deichabschnitte liegen an der Nordwestküste von Fehmarn (21 km) und vor der Probstei (14 km). Insgesamt 17,5 km Landesschutzdeiche schützen den Oldenburger Graben und die Klosterseeniederung. Weitere Küstenniederungen werden durch insgesamt 75 km Regionaldeiche, Dämme und sonstige Hochwasserschutzanlagen geschützt. Diese Anlagen sind, bis auf die Regionaldeiche auf Fehmarn, nicht in der Zuständigkeit des Landes. Zum Beispiel schützt eine 4,7 km lange Hochwasserschutzmauer in der Gemeinde Scharbeutz etwa 1.100 Menschen vor Überflutung. Sie wurde von der Gemeinde mit fachtechnischer und finanzieller Unterstützung durch das Land errichtet.
Heute ist der Küstenschutz an der Ostseeküste deutlich besser aufgestellt als vor 150 Jahren. Dennoch würden mehrere der heutigen Schutzanlagen einer Sturmflut mit Wasserständen wie in 1872 nicht standhalten. Festzuhalten ist weiterhin, dass auch der höchste Deich keine 100-prozentige Sicherheit vor Überflutungen bietet. Es verbleibt immer ein Restrisiko, dass er bricht. Da schließlich viele Bereiche unmittelbar an der Küste, zum Beispiel in Häfen oder in Küstenbadeorten, nicht geschützt werden, können auch niedrigere Sturmfluten bereits zu größeren Schäden führen. Beispiele sind die Ostseesturmfluten von Januar 2017 und Januar 2019, die Kosten in Millionenhöhe verursachten. Um die negativen Folgen von Sturmfluten an Leib und Gut möglichst gering zu halten, sind private und räumliche Vorsorge sowie Gefahrenabwehr und Katastrophenschutz deshalb unabdingbar.
Mit privater Vorsorge sind Maßnahmen der Einwohnerinnen und Einwohner von Küstenniederungen zur Verringerung des Risikos von Sturmfluten gemeint. Wie dies aussehen kann, ist in der Broschüre "Sturmflut – wat geiht mi dat an?" ausführlich erläutert. Diese Broschüre wurde an allen Haushalten in den Küstenniederungen verteilt und ist hier im Internet abrufbar. Zum Beispiel können elektrische und technische Geräte wie Heizungsanlagen in überflutungsgefährdeten Räumen durch bauliche Maßnahmen gesichert werden. Weiterhin sollte man sich vergewissern, wo im Notfall der Strom und das Gas abgestellt wird. In überfluteten Gebäuden besteht die Gefahr von Stromschlägen.
Räumliche Vorsorge zielt darauf ab, Sturmflutschäden durch Nutzungsregelungen möglichst gering zu halten. Entsprechend sind gemäß Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein nicht ausreichend geschützte Küstenniederungen grundsätzlich von neuen Nutzungen freizuhalten. Dies sind die Küstenniederungen, die nicht durch einen Landesschutzdeich oder eine Anlage mit vergleichbarem Sicherheitsstandard geschützt werden. Gemäß Landeswassergesetz dürfen in diesen Gebieten bauliche Anlagen nicht errichtet oder wesentlich geändert werden. Mit diesen Regelungen soll verhindert werden, dass Schäden durch Sturmfluten in Zukunft weiter zunehmen. Sie gelten nicht in ausreichend geschützten Küstenniederungen.
Aber auch in den ausreichend vor Küstenhochwasser geschützten Gebieten verbleibt ein Restrisiko. Deshalb sind für diese Gebiete, und sowieso für die nicht ausreichend geschützten Küstenniederungen, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und des Katstrophenschutzes erforderlich.
Verglichen mit der Situation vor 150 Jahren hat sich auch im Bereich der Gefahrenabwehr einiges verändert. Während zur damaligen Zeit die Feuerwehren erst gegründet wurden, gibt es heute ein gefestigtes System des Katastrophenschutzes, in dem die Feuerwehr eine wichtige Rolle spielt. So gibt es mittlerweile in allen Gemeinden Freiwillige Feuerwehren und in den kreisfreien Städten sogar Berufsfeuerwehren. Das System des Katastrophenschutzes beruht auf der ehrenamtlichen Mitwirkung vieler Bürgerinnen und Bürger, nicht nur in den Feuerwehren, sondern insbesondere auch in den Hilfeleistungsorganisationen, wie dem Arbeiter-Samariter-Bund, dem Deutschen Roten Kreuz, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, der Johanniter-Unfall-Hilfe, dem Malteser Hilfsdienst und der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk.
In Schleswig-Holstein sind die Aufgaben der Katastrophenschutzbehörden und anderer Mitwirkender im Landeskatastrophenschutzgesetz festgelegt. Als untere Katastrophenschutzbehörden haben die Kreise und kreisfreien Städte u.a. die Aufgabe, die Risiken in ihrem Gebiet zu erfassen, Katastrophenschutzeinheiten aufzustellen, eine Führungsorganisation aufzubauen und Katastrophenschutzpläne auszuarbeiten. Die oberste Katastrophenschutzbehörde ist das Innenministerium Schleswig-Holstein. Sie hat u. a. die Aufgabe, auf Landesebene eine Führungsorganisation zu schaffen sowie die unverzügliche Übernahme der Leitung der Katastrophenabwehr zu gewährleisten. Im Fall einer Ostseesturmflut arbeiten die Katastrophenschutzbehörden dabei eng mit den Küstenschutzbehörden und den anderen Aufgabenträgern zusammen.
Bei einer drohenden Sturmflut ist es entscheidend, dass sowohl die Bevölkerung als auch die Behörden und Einsatzkräfte der Gefahrenabwehr rechtzeitig gewarnt werden. Auch hierbei haben sich die Möglichkeiten in den letzten 150 Jahren erheblich verbessert.
Sturmflutwarnungen werden durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) herausgegeben und in den Medien veröffentlicht. Durch verbesserte Modellrechnungen können die frühesten Anzeichen einer drohenden Sturmflut bereits 6 Tage im Voraus erkannt werden. Die eigentlichen, abgesicherten Warnmeldungen werden rund acht bis fünfzehn Stunden herausgegeben. Sie enthalten die erwarteten Höchstwasserstände für verschiedene Küstenabschnitte.
Durch die frühzeitige Warnung können die Katastrophenschutzbehörden entsprechende Maßnahmen treffen, z.B. Führungsstäbe einrichten und Einsatzkräfte alarmieren. Aber auch die Bevölkerung erhält durch Warnmedien wie die Warn-App NINA die Möglichkeit, sich frühzeitig mit persönlichen Schutzmaßnahmen auf ein Hochwasser vorzubereiten.
Jedoch sind die Möglichkeiten zum Schutz der Bevölkerung und ihrer Sachwerte relativ gering, wenn die Überflutung bereits eingetreten ist. Eine gewisse Bedeutung haben Sandsäcke und mobile Hochwasserschutzsysteme, allerdings nur für den Objektschutz in überflutungsgefährdeten Bereichen. Wegen des knapp bemessenen Zeitrahmens können nur Schwerpunkteinsätze durchgeführt werden. Das Auspumpen von Gebäuden oder Gebäudeteilen stellt in der Regel eine Nachsorgemaßnahme dar, die erst nach Ablauf des Hochwassers Sinn macht.
Steht zu befürchten, dass durch eine drohende Überflutung Menschenleben unmittelbar gefährdet werden, kann die Evakuierung der betroffenen Bevölkerung erforderlich werden. Dies betrifft insbesondere solche Gebiete, in denen die Menschen keinen Schutz in höher gelegenen Stockwerken finden können. Die Katastrophenschutzbehörden erstellen zu diesem Zwecke Evakuierungspläne. Eine Aufforderung zur Evakuierung wird wegen des benötigten zeitlichen Vorlaufs frühzeitig ausgesprochen werden müssen. Falls eine Räumung gefährdeter Bereiche notwendig werden sollte, wird durch Rundfunk oder Fernsehen dazu aufgerufen, evtl. auch durch Lautsprecherdurchsagen der örtlichen Polizei oder Feuerwehr. In einigen Regionen erfolgt die Warnung auch durch Sirenen.
Weil die Einsatzkräfte nicht sofort an jeder Stelle helfen können, und um Schäden von vorneherein zu vermeiden, ist es erforderlich, dass die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten im Vorwege über das Überflutungsrisiko informiert ist und eigene Maßnahmen zur Vorsorge trifft. Hinweise zum eigenen Verhalten, zum Selbstschutz und zur Eigenvorsorge sind in der Broschüre "Sturmflut – wat geiht mi dat an?" und auf der Internetseite www.schleswig-holstein.de/kuestenhochwasser zu finden.
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