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Thema : Abfallwirtschaft

Ergebnisse zur Bewertung der (organischen) Schadstoffbelastung von kommunalen Klärschlämmen

Auswertung eines Untersuchungsprogramms von 2006 - 2008 in Schleswig-Holstein

Zusammenfassung

Die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung hat in Schleswig-Holstein nach wie vor einen hohen Stellenwert, da rd. 80% der kommunalen Klärschlämme aus Schleswig-Holstein regelmäßig zur Düngung eingesetzt werden.

Letzte Aktualisierung: 21.04.2022

Diese Verwertungsform ist in der öffentlichen Diskussion umstritten, da Klärschlamm als Schadstoffsenke der Abwasserreinigung gilt und mit einer Vielzahl von Schadstoffen belastet sein kann. Hierbei wird zunehmend neben der Belastung mit Schwermetallen die Belastung mit organischen Schadstoffen diskutiert, deren ökotoxikologisches Verhalten im Boden zum Teil noch unbekannt ist. Nur für einen Teil der Schadstoffe existieren Grenzwerte, genormte Analysenvorschriften und umfangreiche Kenntnisse zum Verhalten in der Umwelt, während für andere ein deutlicher Kenntnismangel vorliegt und zudem noch keine Grenzwertregelungen existieren.
Vor dem Hintergrund dieser Diskussion sowie im Hinblick auf die anstehende Novelle der Klärschlammverordnung wurde die Belastung der schleswig-holsteinischen Klärschlämme mit organischen Schadstoffen genauer ermittelt, um eine bessere Grundlage zur Bewertung der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung zu erhalten. Dazu wurde im Rahmen einer Studie die Belastungssituation kommunaler Klärschlämme aus 81 repräsentativ ausgewählten Kläranlagen bezüglich Schwermetalle, organischer Schadstoffe und Arzneimittel bewertet. Insgesamt wurden rd. 220 verschiedene Schadstoffe untersucht. Die festgestellten Schadstoffbelastungen wurden für die untersuchten Kläranlagentypen (AWT=Abwasserteichanlagen und KKA=konventionelle Kläranlagen) mit-tels statistischer Methoden auf mögliche Zusammenhänge zwischen Kläranlagenmerk-malen, Einzugsgebiet und Untersuchungsergebnissen ausgewertet.

Generell lassen die Untersuchungsergebnisse darauf schließen, dass die schleswig-holsteinischen Klärschlämme - bis auf wenige Ausnahmen - sehr gering belastet sind. Eine Besonderheit sind regional erhöhte Kupfergehalte im Klärschlamm, die auf Einträge aus Hausinstallationen durch korrosives Trinkwasser zurückzuführen sind. Eine Vielzahl der untersuchten organischen Schadstoffe wurde überhaupt nicht oder nur bei ei-nigen Anlagen nachgewiesen. Die Stoffgruppen Moschusverbindungen, Tenside, polybromierte Diphenylether und einige Pharmaka konnten dagegen ähnlich wie bei Studien aus anderen Bundesländern bei einigen Klärschlämmen in auffälligen Konzentrationen nachgewiesen werden.
Untersuchungen auf Perfluorierte Tenside (PFT) wurden im Rahmen dieses Programms wegen der zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht vereinheitlichten Untersuchungsmethode und wegen der erwarteten niedrigeren Relevanz bei schleswig-holsteinischen Klärschlämmen nicht durchgeführt. Allerdings wurden als Nachtrag zum Untersuchungsprogramm an 7 Kläranlagen PFT-Untersuchungen durchgeführt, die alle unterhalb des Wertes von 100µg/kg TS lagen.
Die statistischen Ergebnisse von derzeit laufenden PFT-Untersuchungen werden an anderer Stelle veröffentlicht.

Auffällig sind die unterschiedlichen Schadstoffgehalte in Klärschlämmen aus Abwasserteichanlagen und konventionellen Anlagen. Ursächlich hierfür ist die lange Lagerzeit von 10 bis 15 Jahren der Klärschlämme in Abwasserteichanlagen. Durch die lange Lagerzeit findet ein starker überwiegend anaerober Abbau von organischer Substanz statt, wodurch die Nähr- und Schadstoffgehalte bezogen auf die Trockenmasse nominal ansteigen. Einige Stoffe werden bei diesen Prozessen abgebaut, wodurch die Klärschlämme aus Abwasserteichanlagen hier geringere Gehalte aufweisen. Außerdem finden sich in alten Teichanlagen noch relevante Anteile von Klärschlämmen aus früheren Jahren mit höheren Konzentrationen bestimmter Schadstoffe im Abwasser. Niedrigere Schadstoffgehalte im Vergleich zu größeren konventionellen Anlagen sind nicht verfahrensspezifisch sondern dem meist ländlichen Einzugsgebiet der Anlagen zuzuschreiben. Insgesamt werden auch bei den Teichanlagen in Schleswig-Holstein in der Regel keine erhöhten Schadstoffgehalte erreicht, die einer landwirtschaftlichen Verwertung entgegenstehen.

Ziel und Untersuchungsumfang der Studie

Ziel der aus den unten näher beschriebenen Teilen A, B und C bestehenden Studie war die Klärung der Frage, ob die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung in Schleswig-Holstein auf Grund der ermittelten Schadstoffgehalte aus Sicht der Landwirtschaft sowie des Boden- und Gewässerschutzes auch zukünftig vertreten werden kann.
Mit umfangreichen statistischen Methoden wurden die Schlammqualitäten der untersuchten Klärwerke auf mögliche Zusammenhänge mit dem Einzugsgebiet und mit dem Schlammbehandlungsverfahren analysiert (Teil A).
Für alle untersuchten Parameter wurde eine ausführliche Beschreibung der Stoffe, ihrer Eigenschaften, ihrer Herkunft und ihrer Bedeutung im System Abwasser-Klärschlamm-Boden-Pflanze zusammengestellt und entsprechend dem Stand der Kenntnis eine ökotoxikologische Bewertung vorgenommen. Der sich hieraus ergebende Stand des Wissens wurde in Verbindung mit Ergebnissen anderer Studien und soweit vorhanden un-ter Berücksichtigung vorhandener oder vorgeschlagener Grenzwerte für Klärschlamm oder anderer Kompartimente des Ökosystems als Bewertungsgrundlage für die in den schleswig-holsteinischen Klärschlämmen gefundenen Schadstoffgehalte herangezogen (Teil B).
Den Abschluss der Studie bilden Maßnahmenvorschläge zur weiteren Verbesserung der Schlammqualitäten (Teil C).

Ergebnisse

Teil A: statistische Zusammenhänge
Die Verteilungsmuster der in den Klärschlämmen festgestellten Schadstoffgehalte wurden mit der Methodik der multivariaten Statistik untersucht. Es wurde festgestellt, dass sich die Schadstoffmuster der konventionellen Kläranlagen signifikant von denen der Abwasserteichanlagen unterscheiden. Für die Schadstoffe Lineare Alkylbenzolsulfonsäuren (LAS), polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Nonylphenol (NP) wurden höhere Gehalte und Streuungen bei den Abwasserteichanlagen im Vergleich zu den konventionellen Kläranlagen festgestellt. Chlorbenzole, bromierte Diphenylether, Pharmaka und Steroide sind in beiden Kläranlagentypen gleichermaßen vorhanden, sofern die Gehalte oberhalb der Bestimmungsgrenze liegen.
Als Einflussgrößen auf die Schadstoffverteilung wurden bei den konventionellen Kläranlagen die Schlammstabilisierungs- bzw. Schlammentwässerungsverfahren sowie der Anteil gewerblicher Einleiter nachgewiesen. Bei den Abwasserteichanlagen korrelieren das Schlammalter und die Ausbaugröße mit den Schadstoffgehalten. Darüber hinaus wurde nachgewiesen, dass bei den unbelüfteten Teichanlagen das Entwässerungssystem sowie das Schlammalter und bei den belüfteten Teichanlagen die Ausbaugröße signifikant mit den Schadstoffmustern verknüpft sind.
Bei konventionellen Kläranlagen mit Saisonbetrieb konnten bezüglich der Schadstoffgehalte keine signifikanten Unterschiede zwischen Winter- und Sommerbeprobung ermittelt werden.

Teil B: Ökotoxikologische Bewertung der Schadstoffgehalte
Zur Bewertung der im Rahmen der Untersuchung festgestellten Schadstoffgehalte wurden die jeweils bestehenden oder vorgeschlagenen niedrigsten und damit schärfsten Grenz- bzw. Orientierungswerte von geltenden Regelungen auf Bundes- und EU-Ebene sowie Vorschläge aus anderen Untersuchungsprogrammen angesetzt.
Zur Bewertung der Schwermetalle sowie der organischen Schadstoffe polychlorierte Biphenyle (PCB), Moschusverbindungen und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) wurde das zum Zeitpunkt der Beauftragung der Studie vorliegende Eckpunktepapier zur Novelle der AbfKlärV (BMU, 2006) zugrunde gelegt.
Inzwischen liegen neuere Grenzwertvorschläge für die Novelle der AbfKlärV (Arbeitsdokument BMU, 2007) sowie Schadstoffgrenzwerte in der Düngemittelverordnung (BMELV, 2008) vor, die auch in der nachfolgenden Zusammenstellung herangezogen wurden.
Zur Bewertung der Pharmaka, für die keine Grenzwerte existieren und über die bislang kaum Angaben über Gehalte in Klärschlämmen vorliegen, wurde ein Orientierungswert von 100µg/kg TS angesetzt. Dieser Wert leitet sich aus dem Triggerwert von Tierarzneimitteln im Boden zur Bewertung des Umweltverhaltens von Tierarzneimitteln nach dem Konzept der europäischen Arzneimittelagentur (EMEA, 1998) ab.
Liegen die im Rahmen dieser Studie ermittelten Schadstoffgehalte oberhalb dieser Grenz- bzw. Orientierungswerte wird von "Überschreitung" gesprochen.
Bei der Interpretation von "Überschreitungs"- Werten muss zwingend die fachlich-wissenschaftliche Belastbarkeit der zum Vergleich herangezogenen Orientierungswerte berücksichtigt werden.
Für einen Teil der Schadstoffe existieren Grenzwerte, genormte Analysenvorschriften und umfangreiche Kenntnisse über das Umweltverhalten (z.B. Schwermetalle, PCB, PCCD/F, PAK). Die Güte des herangezogenen Grenzwertes ist hoch und die Überschreitungshäufigkeit ein belastbares Kriterium.
Für andere Schadstoffgruppen (Moschusverbindungen, LAS, Nonylphenol, Flammschutzmittel) existieren auf Bundes- bzw. EU-Ebene Vorschläge für Grenzwerte. Allerdings fehlen z.T. genormte Analyseverfahren und/oder das Umweltverhalten und ihre ökotoxische Wirkung ist zwar für das aquatische aber nicht für das terrestrische System bekannt.
Für die Stoffgruppe der Pharmaka liegt ein erhebliches Wissensdefizit bzgl. des Abbauverhaltens und der Wirkung im Boden vor. Überschreitungen eines wie vor beschrieben formal abgeleiteten Orientierungswertes können aus diesem Grund nur eingeschränkt beurteilt werden.
Insgesamt ist bei der Bewertung zu berücksichtigen, dass viele der derzeit diskutierten Schadstoffe im Klärschlamm bei einer landwirtschaftlichen Verwertung eine deutlich geringere ökotoxikologische Relevanz aufweisen als z. B. in Lebens- und Futtermitteln oder in verschiedensten Bedarfsgegenständen.

Zur Gesamtbewertung der ökotoxikologischen Wirkung der untersuchten Stoffgruppen in den Klärschlämmen wurden daher verschiedene Kriterien und international entwickelte Testverfahren herangezogen. Maßgeblich für die Bewertung sind u. a. die physikalischen und biochemischen Eigenschaften der Stoffe, das Verhalten in der Umwelt einschließlich der biologischen Abbaubarkeit sowie die Toxizität in den verschiedenen Umweltkompartimenten und evtl. möglichen Belastungspfaden. Bei der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung wird der Klärschlamm als Düngemittel auf bzw. in den Boden eingebracht. Ausgangspunkt der Bewertung ist daher das Verhalten und die Wirkungen der Stoffe im Boden jeweils unter Berücksichtigung der zugeführten Mengen und den daraus resultierenden Konzentrationen. Darauf aufbauend sind die physikalischen und biochemischen Abbauraten, die mögliche Verlagerung in das Grundwasser und die mögliche Aufnahme durch die Pflanzen zu bewerten. Zusätzlich ist zu prüfen, ob durch Bodenpartikel und Bodenstaub Pflanzen, Tiere oder Menschen unerwünschten Belastungen ausgesetzt werden können.
Die neuen Grenzwerte bzw. Grenzwertvorschläge aus bestehenden Regelwerken, die Ergebnisse aus der Studie sowie eine Bewertung hinsichtlich einer landwirtschaftlichen Verwertung sind in der nachfolgenden Tabelle für eine Auswahl der wichtigsten Schadstoffe dargestellt.

Tabelle: Bewertung ausgewählter Schadstoffe  (PDF, 109KB, Datei ist nicht barrierefrei)

Teil C: Maßnahmen zur Verbesserung der Schlammqualität
Die Studie bestätigt bereits vorliegende Erkenntnisse wonach eine Verbesserung der Schlammqualität insbesondere durch die Reduktion schadstoffbelasteter Zuläufe sowie durch Erhöhung der aeroben Kontaktzeit zu erreichen ist.
Abhängigkeiten zwischen erhöhten Schadstoffgehalten und den Entwässerungsverfahren bzw. den eingesetzten Konditionierungs-, Fäll- bzw. Flockungshilfsmitteln konnten nicht festgestellt werden.

Weitere Informationen

Die vollständigen Untersuchungsergebnisse und Auswertungen finden Sie in der Langfassung.

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