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Thema : Wasserstark.SH

„Seit dem Hochwasser denken wir hier anders.“


Gertje Rubin hat das Hochwasser im Oktober 2023 in Arnis erlebt. Die kleine Stadt auf der Schlei-Halbinsel hat es besonders stark getroffen. Gertje Rubin war gleich doppelt gefordert: Als erste stellvertretende Bürgermeisterin und als Hauseigentümerin.

Letzte Aktualisierung: 15.05.2024

Gertje Rubin hat das Hochwasser im Oktober 2023 in Arnis erlebt.
Gertje Rubin hat das Hochwasser im Oktober 2023 in Arnis erlebt. Die kleine Stadt auf der Schlei-Halbinsel hat es besonders stark getroffen. Gertje Rubin war gleich doppelt gefordert: Als erste stellvertretende Bürgermeisterin und als Hauseigentümerin.

Wir kennen das , wenn der Wanderweg unter Wasser steht und wir unsere Gartenstühle näher an unsere Häuser stellen müssen. Aber diesmal war es deutlich schlimmer. Ab Freitagvormittag war ich im doppelten Krisenmodus: Im Bürgermeister-Team hatten wir den ganzen Ort, seine Bewohnerinnen und Bewohner und die Infrastruktur im Blick. Privat wollte ich unser eigenes Haus schützen.

Ich war Mitglied des Krisenstabes der Stadt, den wir am Freitag zusammengerufen haben. Meine Aufgabe war es, die Bürgerinnen und Bürger zu informieren. Dafür war es gut, dass wir im Ort bereits eine WhatsApp-Gruppe hatten. Etwa alle halbe Stunde haben wir Infos rumgeschickt. Es ging darum, zu beruhigen, die Hilfen zu koordinieren. Der Aktionismus musste "gesteuert" werden – nicht, dass da nachher nachts noch jemand auf dem Deich rumläuft, weil er helfen möchte. Wer nicht in der Gruppe war, wurde auf anderen Wegen informiert.

Die Hilfsbereitschaft war von Anfang an enorm. Unsere und alle anderen Feuerwehren haben einen großartigen Job gemacht, und auch alle anderen im Ort haben sofort mit angepackt. Wer körperlich nicht helfen konnte, hat Kuchen gebacken und Suppen gekocht, um die Helferinnen und Helfer zu versorgen. Nachdem Freitagnacht der Strom ausgefallen war, weil die Stromkästen unter Wasser standen, und keiner wusste, wie lange dieser Zustand andauern würde, sollten alle Lebensmittel aus den Kühlschränken und Gefriertruhen schnell verarbeitet werden. In einigen Haushalten gibt es noch alte Öfen. Die waren dann praktisch im Dauereinsatz. Essensausgabe war im Feuerwehrhaus. Das wurde schnell zu einem wichtigen Ort – auch, weil die Menschen sich über das, was sie gerade erlebten, austauschen konnten.

Ludftaufnahme des Hochwassers 2023 aus Arnis
Ludftaufnahme des Hochwassers 2023 aus Arnis

Gleichzeitig haben sich natürlich alle auch um ihre eigenen Häuser gesorgt. Rund 40 Häuser sind direkt betroffen gewesen, fünf Häuser besonders stark. Sie stehen am Noor. In den Erdgeschossen stand das Wasser hier bis auf Kopfhöhe. Mindestens eines der Häuser muss abgerissen werden. Zum Glück sind in der gesamten Nacht kein Mensch zu Schaden gekommen. Während ich im Krisenstab beschäftigt war, hat mein Mann versucht, unser Haus so gut wie möglich zu schützen. Als das Wasser immer weiter stieg und auch die Aufgestapelten Sandsäcke nicht mehr ausreichten, sprudelte das Wasser bei uns einfach so durch die Wände und kam aus der Kanalisation hoch. Irgendwann habe ich mich mit unserer Tochter und unserem Hund in den ersten Stock zurückgezogen. Diese Momente, als dann noch der Strom ausgefallen war, waren skurril: Wir hatten ein Dach über dem Kopf, aber Wasser im Haus. Wir haben Kerzen angezündet, Taschenlampen gesucht und uns gefragt, wie wir uns aufwärmen können, denn natürlich lief die Heizung nicht mehr.

Am nächsten Morgen bin ich wieder in den Krisenstab gewechselt. Ein Drohnenflug hat uns das ganze Ausmaß der Schäden gezeigt. Die Hilfsbereitschaft war weiter überwältigend. Wir haben es unter anderem geschafft, den kleinen Bäcker im Ort schnell wieder mit Strom zu versorgen. Da war es warm, es gab frische Brötchen, die Leute konnten ihre Handys aufladen.Was ich nie verstehen werde: Gegen 9 Uhr am Samstagmorgen tauchten die ersten Radfahrer auf, die „nur mal gucken“ wollten. Um den Katastrophentourismus zu unterbinden, haben wir mit Hilfe der Feuerwehr und des Ordnungsamtes den ganzen Ort abgeriegelt.

Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser 2023
Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser 2023

Seit dem Hochwasser denken wir hier anders. Privat planen wir zum Beispiel mit Fliesen statt Holz im Wohnzimmer. In einigen Häusern wird die Heizung in den ersten Stock verlegt. In der Bevölkerung wird der Ruf nach einem Hochwasserkonzept für die gesamte Schlei immer lauter, und die Stadt hofft darauf, dass die Deiche in Landesbesitz übergehen. Und was ich persönlich auch mitgenommen habe: Die Stärkung des Ehrenamtes ist immens wichtig. Die Hilfe, die hier geleistet wurde, war überwiegend ehrenamtlich. „Selber machen!“ war das Motto.



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