BRUNSBÜTTEL/KIEL. Die Bergung rostiger Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen im Kernkraftwerk Brunsbüttel kommt weiter voran. Vier von sechs unterirdischen Lagerstätten (sogenannte Kavernen) sind inzwischen vollständig geräumt. Das teilte die schleswig-holsteinische Atomaufsichtsbehörde (Energiewendeministerium) heute (29. September) in Kiel mit. „Fast zwei Drittel der Fässer sind jetzt raus und die Kavernen mit den schwerwiegendsten Befunden sind vollständig geleert. Das ist ein weiterer erfreulicher Zwischenschritt auf dem Weg, diese Altlast der Atomkraftnutzung zu beseitigen“, sagte Umweltminister Robert Habeck. „Jetzt geht es daran, die letzte Lagerstätte, in der noch betroffene Fässer mit Konzentrat sind, zu leeren. Die Erfahrungen lassen hoffen, dass das gut gelingt.“
Unter den insgesamt 194 geborgenen Fässern aus den jetzt geräumten Kavernen 1 und 3 waren 159 Verdampferkonzentratfässer und 32 Filterkonzentratfässer. Bei drei nicht deklarierten Fässern war der Inhalt zunächst unbekannt gewesen. Nach Bergung und Öffnung ergab sich, dass es sich um sogenannten brennbaren Mischabfall (Putzlappen, Handschuhe, Überschuhe, Overalls, usw.) handelte, der jetzt vorschriftsmäßig gesondert entsorgt wurde.
Bergungskonzept hat sich bewährt
Nach Angaben der Behörde hat sich auch bei den Kavernen 1 und 3, bei denen es sich um die Kavernen mit dem gravierendsten Schadensbild handelte, das behördlich geprüfte Bergungskonzept bewährt. Die Erfahrungen aus den vorangegangenen Fassbergungen sind in das Konzept eingeflossen und wurden umgesetzt. Alle Fässer konnten mit dem jeweils eingesetzten Greifwerkzeug gehandhabt werden. 28 Fässer wiesen so schwere Korrosionsschäden auf, dass für sie zunächst ein gesonderter Handhabungsplan aufgrund von intensiven Einzelfallbetrachtungen aufgestellt werden musste. Nach Auswahl des bestmöglichen Greifwerkzeugs und der Schaffung gesicherter Umsetzpositionen wurde es dann möglich, auch diese Fässer risikolos zu bergen. So mussten beispielsweise zwei übereinander stehende Fässer, die zwischen dem Boden des oberen Fasses und dem Deckel des unteren Fasses miteinander verklebt waren, vorsichtig mit Hebeln voneinander gelöst werden, ohne die Fässer dabei zu zerstören. Herunterrieselndes Konzentrat und loser Fassrost, beispielsweise von Fässern, deren Deckel beim Anheben abriss, konnten aufgesaugt werden. Teilweise mussten Rollreifen entfernt werden, um die Fässer in Überfässer einstellen zu können.
Die geborgenen Fässer wurden anschließend in Überfässer eingestellt und soweit erforderlich in einer speziellen Trocknungseinrichtung zur Reduzierung von Restfeuchte getrocknet. Sie werden nun sukzessive in „endlagerfähige“ Behälter eingebracht.
Mit der Leerung der Kavernen 1 und 3 wurden bereits weitere 12 solcher Endlagercontainer mit Verdampferkonzentraten sowie ein Endlagercontainer mit umgesaugten Filterkonzentraten beladen. Die Container werden bis zur Verfügbarkeit eines Bundesendlagers zunächst in der sogenannten Transportbereitstellungshalle des Kernkraftwerks abgestellt und später in das noch zu errichtende Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle (LasmA) auf dem Kraftwerksgelände überführt.
Keine radioaktiven Stoffe freigesetzt
Bei den Bergungsmaßnahmen sind keine radioaktiven Stoffe freigesetzt worden, sämtliche radioaktiven Fassinhalte konnten gesichert werden. Die im Konzept vorgesehenen Strahlenschutzmaßnahmen wurden eingehalten. Wie bei den beiden Kavernen zuvor bewährte sich wiederum die „Lüftungstechnische Einhausung Kavernen“, unter der die Bergungsarbeiten durchgeführt wurden. Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde hat unter Hinzuziehung von Sachverständigen des TÜV Nord die Bergungsmaßnahmen beaufsichtigt. Insbesondere hat sich die Behörde fortlaufend davon überzeugt, dass die Strahlenbelastung des Bedienungspersonals die vorgegebenen Grenzwerte einhält.
Heute wurden die Kavernen 1 und 3 mit schweren Betonriegeln verschlossen. Zuvor hatte noch eine bautechnische Bewertung durch Sachverständige keinen Zweifel an Standfestigkeit und Dichtigkeit der Betonstruktur aufkommen lassen. Damit sind insgesamt vier der sechs Kavernen im Kernkraftwerk Brunsbüttel vollständig geleert, gereinigt und verschlossen.
Konzept für Kaverne 6 wird geprüft
Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde ist jetzt mit der Prüfung des Bergungskonzepts für Kaverne 6, die größte und einzige noch mit Konzentratfässern gefüllte Kaverne, befasst. Die Zustimmung zur Räumung auch dieser Kaverne soll kurzfristig erteilt werden. Kaverne 6 bedeutet noch einmal eine neue Herausforderung:
Es ist die größte Kaverne. Ein Teil der Fässer ist in übereinander gestapelte Container (sogenannte Mulden) eingebracht, was bislang eine vollständige Inspektion verhindert hat. Einige Fässer liegen, weitere sind unter einem feststehenden Kavernendach (sogenanntem Balkon) aufbewahrt.
In der nicht vollständig einsehbaren Kaverne befinden sich nach gegenwärtigem Kenntnisstand 221 Konzentrat- und 23 sonstige Fässer, die es neben den Containern jetzt noch zu bergen gilt. Mit einem Abschluss der Bergung ist unverändert im Jahr 2018 zu rechnen, so dass sich die Bergungskampagne im Rahmen der ursprünglichen Zeitplanung bewegt.
Hintergrund:
Die Bergungsmaßnahmen hatten im Februar 2016 mit den Kavernen 2 und 4 begonnen, nachdem die Atomaufsicht das Bergungskonzept Vattenfalls unter Auflagen gebilligt hatte. Zu dem Konzept gehört unter anderem der Einsatz unterschiedlicher Greif- und Hebewerkzeuge, die für diese Fässerbergung teilweise eigens konzipiert und hergestellt werden mussten. Insgesamt sind mittlerweile aus 4 vollständig geleerten Kavernen 382 Fässer geborgen und 20 Endlagercontainer befüllt worden.
Die Kaverne 5 ist nach der durchgeführten Inspektion von der Korrosionsproblematik nicht betroffen. Sie enthält keine Konzentrate, sondern vielmehr seit vielen Jahren eingelagerte ausgemusterte Komponenten aus dem Reaktor und lediglich noch 6 Fässer mit Kernbauteilen. Die 21 ebenfalls früher dort gelagerten sogenannten Mol-Fässer waren bereits zuvor aus der Kaverne entnommen worden.
In den sechs unterirdischen Lagerstätten (Kavernen) des Kernkraftwerks Brunsbüttel hatte die Betreibergesellschaft ursprünglich 632 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen aufbewahrt. Es handelte sich im Wesentlichen um Filterharze und Verdampferkonzentrate aus dem Leistungsbetrieb, der im Jahre 1977 begonnen hatte. Die Betreibergesellschaft hatte damit gerechnet, diese Abfälle bereits Mitte bis Ende der 1990er-Jahre in das bundesweite Endlager Schacht Konrad bei Salzgitter bringen zu können. Das Lager steht jedoch bis heute noch nicht zur Verfügung.
Im Januar 2012 stellten Sachverständige der Atomaufsicht Korrosionserscheinungen an einem der Fässer fest. Integrität und Tragfähigkeit der Fassstruktur waren seitdem auch in Bezug auf alle anderen Fässer in den Kavernen in Zweifel zu ziehen. Nach umfangreichen Inspektionsmaßnahmen unter Einsatz einer speziell angefertigten Kamera und der Entwicklung von angepasster Bergungstechnik und eines speziellen Konzeptes begann 2016 die Bergung.
Das Bergungskonzept teilt die Fässer abhängig vom jeweiligen Grad der Beschädigung, der mit den Kamerainspektionen ermittelt worden war, in 5 Kategorien ein:
Kategorie 1: Fässer ohne äußerlich erkennbare Auffälligkeiten
Kategorie 2: Fässer mit geringfügigen äußerlich erkennbaren Auffälligkeiten
Kategorie 3: Fässer mit mittelschweren äußerlich erkennbaren Auffälligkeiten (zum Beispiel mittelstarke Ablagerungen, mittelstarke Korrosion)
Kategorie 4: Fässer mit erkennbar starken Schädigungen (zum Beispiel großflächige Korrosion, starke Spaltkorrosion, Mediumsaustritt, Ablagerungen am Übergang zweier Fässer und Fehlstellen)
Kategorie 5: Fässer mit besonderen Auffälligkeiten (zum Beispiel Stauchungen, Deckelauffälligkeiten, Spannringauffälligkeiten).
Die Untersuchungen an den bisher geborgenen Fässern bestätigten die Ergebnisse der Kamerainspektionen und damit die Einordnung in diese Kategorien im Wesentlichen.
Das Konzept enthält außerdem
Angaben zu den radiologischen Anforderungen, zum Beispiel zur Dosisminimierung des Personals
Angaben zur lüftungstechnischen Einhausung über den Kavernen
Angaben zu den Greif- und Handhabungstechniken
Angaben zur Handhabung der Filterkonzentrat- und Verdampferkonzentratfässer
Angaben zu den logistischen Rahmenbedingungen (zum Beispiel Herstellung endlagerfähiger Gebinde, Pufferlagerung).
Die lüftungstechnische Einhausung der Kavernen dient auch dem Strahlenschutz des bei der Bergung eingesetzten Betreiberpersonals. Dazu wird mit Hilfe einer mit reißfester Folie verkleideten Aluminiumrohrkonstruktion ein lüftungstechnisch abschließbarer Handhabungsbereich geschaffen, der jeweils zwei offene und zur Hälfte zwei geschlossene Kavernen abdeckt. Der Einschluss radioaktiver Stoffe erfolgt durch eine allseitige Umschließung und Unterdruckhaltung des Arbeitsbereiches. Durch eine gerichtete Strömung mit einer gefilterten Abluft lassen sich die Folgen einer eventuellen Freisetzung in das Feststofflager des Kernkraftwerks sicher begrenzen.
Die Fässer mit Verdampferkonzentrat werden in einer Trocknungsanlage nachgetrocknet und in endlagerfähige Behälter gestellt. Der Inhalt der Fässer mit Filterkonzentrat wird gegebenenfalls nachgetrocknet und anschließend mittels einer Pulverharz-Umsauganlage ebenfalls in endlagerfähige Container befördert.
Die Kavernen befinden sich im Keller des sogenannten Feststofflagers. Sie bilden mit Betonwänden und Abdeckungen aus Betonriegeln die Barriere, um die Umwelt vor Strahlung zu schützen. So sind sie durch 110 Zentimeter dicke Betonriegel nach oben hin abgeschirmt. Diese Betonriegel reduzieren die Strahlung so weit, dass oberhalb der Kaverne unter Strahlenschutzmaßnahmen gefahrlos gearbeitet werden kann.
Die Kavernen sind nur von oben zugänglich. Das Entfernen der Betonriegel und die Arbeiten an den geöffneten Kavernen sind im Hinblick auf den Schutz des Bedienungspersonals und der Bevölkerung unbedenklich. Die Einhaltung der Strahlenschutzvorschriften (wie Betonabschirmungen, Fernbedienung, vorsorglicher Atemschutz) wird von der Atomaufsicht unter Hinzuziehung von Sachverständigen überwacht.
Die Abfälle sind auf die Endlagerung im niedersächsischen Schacht Konrad vorzubereiten, unter anderem durch Verpackung aller Abfälle in bauartgeprüfte, speziell zugelassene Behälter. Das Endlager Konrad wird voraussichtlich Anfang des kommenden Jahrzehnts zur Verfügung stehen. Bis dahin sollen die Fässer am Standort Brunsbüttel gelagert werden - zunächst in den bereits bestehenden Transportbereitstellungshallen, dann in einem neu zu errichtenden Zwischenlager für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle (LasmA), das im Zuge des beantragten Rückbaus des Kernkraftwerks entstehen soll.
Das Kernkraftwerk Brunsbüttel ist bereits seit 2007 dauerhaft abgeschaltet und befindet sich im Nachbetrieb. Die Stilllegung wird vorbereitet.
Verantwortlich für diesen Pressetext: Nicola Kabel | Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung | Mercatorstraße 3, 24106 Kiel | Telefon 0431 988-7201 | Telefax 0431 988-7173 | E-Mail: | Medien-Informationen der Landesregierung finden Sie aktuell und archiviert im Internet unter | Das Ministerium finden Sie im Internet unter
Hinweis zur Verwendung von Cookies
Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: