Das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht verhandelt am
Freitag, 9. August 2013, 10:00 Uhr,
im Sitzungssaal 6
des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts,
Brockdorff-Rantzau-Str. 13, 24837 Schleswig
über ein Organstreitverfahren, das vier Abgeordnete der Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag anhängig gemacht haben. Sie wenden sich gegen einen Teilaspekt der Abgeordnetenentschädigung und zwar gegen die Zahlung einer zusätzlichen Entschädigung von 45 % auf die Grundentschädigung an die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Fraktionen im Landtag.
Die Antragstellerin und die Antragsteller begehren die Feststellung, dass die entsprechende Regelung in § 6 Abs. 2 Nr. 5 des Schleswig-Holsteinischen Abgeordnetengesetzes (AbgG) gegen Art. 11 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung (LV) verstößt. Sie sind der Auffassung, Parlamentarische Geschäftsführerinnen und Parlamentarische Geschäftsführer übten keine politisch besonders herausgehobene parlamentarische Funktion aus, weshalb die Gewährung einer Zulage an sie wegen Verstoßes gegen die Freiheit des Mandats und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten verfassungswidrig sei. Denn es bestehe die Gefahr, dass das parlamentarische Handeln am Leitbild einer „Abgeordnetenlaufbahn“ und dem Erreichen einer höheren Einkommensstufe ausgerichtet werde. Außerdem verstärke sich durch Funktionszulagen die Abhängigkeit der die entsprechende Funktion anstrebenden Abgeordneten von der politischen Gruppe, der sie angehörten. Die Antragstellerin und die Antragsteller stützen ihre Argumentation insbesondere auf das sogenannte 2. Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2007 (- 2 BvH - 3/91 -, BVerfGE, 102, 224), in dem es in einem Landesorganstreitverfahren um die Frage ging, ob Abgeordneten des Thüringer Landtages mit besonderen parlamentarischen Funktionen eine Zulage zur Grundentschädigung gezahlt werden darf.
Der Landtag als Antragsgegner hält den Antrag aus verschiedenen Gründen bereits für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Insbesondere macht er geltend, er dürfe kraft seiner Autonomie besonders zu entschädigende Funktionsstellen schaffen, um sich selbst zu organisieren und dadurch in den Stand zu setzen, seine Aufgaben zu erfüllen. Im Fraktionenparlament sei ein leistungsfähiges Fraktionenmanagement, das durch die Fraktionsvorsitzenden und die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer wahrgenommen werde, unabdingbar. Diese hätten politische Spitzenämter inne; sie trügen hohe politische Verantwortung und erfüllten Aufgaben, die das parlamentarische Alltagsgeschehen maßgeblich beeinflussten und ohne die der Landtag nicht arbeitsfähig sei. Eine zusätzliche Vergütung sei gerechtfertigt.
Das Gericht hat alle Fraktionen im Landtag und die Gruppe der für den SSW in den Landtag gewählten Abgeordneten um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. Es ist beabsichtigt, alle Fraktionsvorsitzenden und den Vorsitzenden des SSW im Landtag als sachkundige Dritte in der mündlichen Verhandlung anzuhören.
Geplanter Ablauf der mündlichen Verhandlung am 9. August 2013, 10:00 Uhr
- Begrüßung, kurze Einführung, Feststellung der Anwesenheit der Beteiligten
- Beendigung der Film- und Tonaufnahmen ( vgl. § 14 Abs.1 Ziff. 1 LVerfGG )
- Eingangsstellungnahmen der Beschwerdeführer, des Bevollmächtigten des
Landtages sowie der sachkundigen Dritten (jeweils max. 5 Minuten)
- Zur Zulässigkeit des Antrages
- Zum verfassungsrechtlichen Maßstab:
Parlamentsautonomie einerseits sowie Freiheit und Gleichheit des Abgeordnetenmandats andererseits;
Notwendigkeit einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs. 3 GG?
- Zahl und Umfang der im Schleswig-Holsteinischen Landtag gewährten Funktionszulagen
- Beinhaltet die Tätigkeit des Parlamentarischen Geschäftsführers oder der Parlamentarischen Geschäftsführerin in Schleswig-Holstein eine besonders
herausgehobene politisch – parlamentarische Funktion; ist diese normativ zu verankern?
- Schlussfolgerungen
Hinweise für die Presse
Eine Akkreditierung ist nicht erforderlich.
Im Zuschauerbereich des Sitzungssaals sind Mobiltelefone und Laptops wegen der störenden Geräusche auszuschalten.
Foto-, Film- und Tonaufnahmen sind zulässig, bis der Vorsitzende die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten festgestellt hat. Danach haben Fotografen und Kamerateams den Sitzungssaal zu verlassen.
Bei Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal darf durch Fotografen, Kameraleute und sonstige Medienvertreter das freie Blickfeld des Gerichts nach allen Seiten nicht verstellt werden. Der Aufenthalt hinter der Richterbank ist nicht gestattet. Entsprechenden Anweisungen der Wachtmeister ist Folge zu leisten.
Fahrzeuge der Radio- und Fernsehteams
Falls ein Standplatz für SNG-, Schnitt- und Übertragungsfahrzeuge benötigt wird, wird schriftlich bis zum 7. August 2013 per Fax (Nr. 04621/86-1499) oder per E-mail () um Anmeldung gebeten.
Für die Zuweisung der Standplätze werden folgende Angaben benötigt:
Größe, Gewicht, Kennzeichen, evtl. Strombedarf und ein Ansprechpartner für Rückfragen (Name, Telefon, E-mail-Adresse).
Anfahrt und Aufbau sind am Tag der mündlichen Verhandlung ab 7:00 Uhr möglich. Falls Strom über das Gericht bezogen werden soll, wird gebeten, dies ebenfalls mitzuteilen.
Anlage Gesetzestext
§ 6 AbgG: Entschädigung
(1) Abgeordnete erhalten eine monatliche Entschädigung in Höhe von 6.700 Euro (ab 1. Juli 2013 7.549,55 Euro).
(2) Als zusätzliche Entschädigung für die Ausübung besonderer parlamentarischer Funktionen erhalten
- die Präsidentin oder der Präsident 72 v.H.,
- die Vizepräsidentinnen und /oder Vizepräsidenten 13 v.H.,
- die Fraktionsvorsitzenden 72 v.H.,
- eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter der dänischen Minderheit, wenn die Stärke einer Fraktion nicht erreicht wird, 45 v.H. und
- die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen oder die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen 45 v.H. der Entschädigung gemäß Abs. 1.
(3) - (6) […]
Artikel 11 LV: Stellung der Abgeordneten
(1) Die Abgeordneten vertreten das ganze Volk. Bei der Ausübung ihres Amtes sind sie nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden.
(2) Die Abgeordneten haben das Recht, im Landtag sowie in den ständigen Ausschüssen und in den Sonderausschüssen des Landtages Fragen und Anträge zu stellen. Sie können bei Wahlen und Beschlüssen ihre Stimme abgeben; Stimmrecht in den Ausschüssen des Landtages haben nur die Ausschussmitglieder.
(3) Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Dieser Anspruch ist weder übertragbar, noch kann auf ihn verzichtet werden. Das Nähere regelt ein Gesetz.
Verantwortlich für diese Presseinformation: Ri’in LSG Birgit Voß-Güntge, Pressereferentin
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