Um die Insel Sylt auf die Herausforderungen des Küstenschutzes für die nächsten Jahre vorzubereiten, werden in einem Gesamtkonzept die erforderlichen bzw. geeignet erscheinenden Küstenschutzmaßnahmen benannt.
Das Gesamtkonzept für den Küstenschutz auf Sylt umfasst sowohl die Unterhaltung der bestehenden Küstenschutzanlagen als auch die möglichen Neubaumaßnahmen der nächsten Jahre. Daneben sind der Mess- und Beobachtungsumfang als auch der Untersuchungsbedarf dargestellt.
Das Konzept ist anzupassen, sobald neuere Erkenntnisse vorliegen.
4.1 Referenzzustand
Der Referenzzustand wird mit Hilfe des Zustandes vor der jeweils ersten Sandaufspülung bzw. der letzten Vermessung vor einer Sandaufspülung bestimmt. Das jährliche Sanddefizit bzw. der jährliche Sandersatzbedarf wird in Bezug zu diesem Referenzzustand ermittelt.
In der Fortschreibung des Fachplanes Küstenschutz Sylt vom 11.08.1997 wird der Erhalt der NHN+3,75 m-Linie des Jahres 1992 für die Westküste der Insel Sylt angestrebt. Davon ist zukünftig abzuweichen. Der bei der Beurteilung der Vermessungsdaten zugrunde gelegte Zeitraum (April bis Juni 1992) stellt dabei für viele Küstenabschnitte einen Zustand dar, der durch Sandaufspülungen überprägt worden ist und dauerhaft nicht zu erhalten ist, um keine Aufspülungen durch zusätzliche Aufspülungen zu sichern. Zudem sind im Bereich der Inselenden oder im Bereich des Roten Kliffs bei Kampen die damaligen ursprünglichen Verhältnisse nicht widerherstellbar.
Eine Neubestimmung des Referenzzustandes ist daher notwendig. Der Referenzzustand wird nunmehr mit Hilfe des Zustandes vor der jeweils ersten Sandaufspülung bzw. der letzten Vermessung vor einer Sandaufspülung bestimmt. Das Ergebnis dieser Zusammenstellung erhält das Messdatum 01.01.1984. Das jährliche Sanddefizit bzw. der jährliche Sandersatzbedarf wird in Bezug zu diesem Referenzzustand ermittelt.
4.2 Basisküstenlinie
Mit Hilfe der Basisküstenlinie (BKL) wird festgestellt, ob in einem Bereich ein Sanddefizit vom Dünenfuß bis zum seeseitigen Rifffuß besteht.
Das morphologische System, das hydrodynamischen Umlagerungen ausgesetzt ist, reicht vom durch Windflug beeinflussten Vordünengürtel bis hin zum seegangsbeeinflussten Seegrund. Aufgrund der bisher gewonnenen Messdaten und der theoretischen Studien ist ein enger Zusammenhang zwischen der Strand- und Vorstrandentwicklung festzustellen, so dass die Berücksichtigung dieses Gesamtsystems für die Beurteilung des Zustandes der Küste herangezogen werden muss.
Als Methode zur Bestimmung des jeweiligen Zustands wird eine Basisküstenlinie (BKL) pro Querprofil definiert. Die BKL berechnet sich aus dem Volumen in der Höhenlamelle NHN+5 m / NHN-7 m [m3/m], dividiert durch die Mächtigkeit der Höhenschicht (12 m). Die Dimension der Basisküstenlinie ist daher Meter ([m3/m/m] = [m]). Um einen aktuellen Zustand vergleichend bewerten zu können, bedarf es zusätzlich eines Referenzzustandes.
Die Entwicklung der BKL wird als Weg-Zeitdiagramm aufgetragen. Sobald der Wert der BKL den des Referenzzustandes im folgenden Jahr voraussichtlich unterschreiten wird, sind Maßnahmen vorzusehen. Dabei wird über die Trendberechnung eine Interpolation auf die zu erwartenden Werte für die nächsten Jahre durchgeführt.
Zur Berechnung der jährlichen Verlustraten ist die zusätzliche Sandzufuhr durch die Sandersatzmaßnahmen in jedem Profil und zu jedem Zeitpunkt zu eliminieren. Dazu wird die Volumendifferenz zwischen der Vor- und der Nachvermessung der Aufspülbereiche rechnerisch ermittelt. Dieser Wert gibt aus folgenden Gründen eine untere Grenze für die tatsächlich aufgespülten Sandvolumen an:
Verlagerung der Spülmengen durch den Längstransport
Spülverluste während der Aufspülzeit
Materialumlagerungen in der Zeit zwischen der Aufspülung und der Nachvermessung
Die Werte der Zeitreihe werden um die errechneten Volumendifferenzen zwischen Vor- und Nachvermessung reduziert, so dass die Werte für die Vor- und Nachvermessung identisch sind. Alle nachfolgenden Werte werden ebenfalls um diesen Differenzwert verringert. Aus dem Trend lassen sich die jährlichen Volumenverlustraten und damit auch die jährlichen Sandersatzbedarfe ermitteln.
Aufgrund des exponentiellen Verlaufes des Weg-Zeit-Diagrammes nach einer Strandaufspülung liefert die Rückgangsrate in den ersten Monaten/Jahren nach einer Aufspülung zu hohe Verlustraten. Dieser Effekt dürfte durch die spül- und messtechnisch bedingte Nicht-Berücksichtigung der Spülverluste nahezu ausgeglichen werden. Die Sandmengen, die durch den Wind landeinwärts außerhalb der Messbereiche verfrachtet werden, werden ebenfalls nicht berücksichtigt. Diese stellen ein zusätzliches Reservevolumen dar.
Als Kontrolle der langfristigen Küstenveränderungen werden die Volumenbilanzen zwischen zwei Vermessungszeitpunkten bestimmt. Dabei wird die im Hopper gemessene Aufspülmenge subtrahiert, denn diese Menge müsste theoretisch am Strand / Vorstrand der Nachbarbereiche vorhanden sein. Mit Hilfe dieser Verfahren können sowohl die jährlichen Sandersatzbedarfe ermittelt als auch der Zustand des Gesamtsystems kontrolliert werden. Der damit ermittelte Gesamtverlust ist in jedem Fall der obere Grenzwert, da die gesamte Aufspülmenge als Verlust berücksichtigt wird.
Wenn die see- bzw. landseitigen Messdaten die o.g. Höhenkoten nicht einschließen, sind Anpassungen vorzunehmen. Zur Umsetzung des BKL-Konzeptes müssen entsprechende Messdaten vorliegen. Dies ist Gegenstand des Mess- und Beobachtungskonzeptes.
Die BKL stellt die Veränderungen im gesamten Strand-Rinne-Riff-System dar und berücksichtigt somit auch die Vorgänge im Küstenvorfeld.
4.3 Basisküstenlinie 2010
Die Basisküstenlinie für den Zustand 2010 gibt den grundsätzlichen Zustand des Systems Strand/Vorstrand wieder.
Die Basisküstenlinie an der Westküste der Insel Sylt gibt den Zustand des Systems von der Randdüne / Kliff bis zum seeseitigen Rifffuß in Bezug zum Referenzzustand an. Sie wird aus dem Volumen in der Höhenschicht NHN+5m/NHN-7m errechnet.
Da die Strecken der jeweiligen Abschnitte unterschiedlich lang sind, erlaubt die Angabe des Volumens pro Meter Strandlänge einen Vergleich der Volumina in den einzelnen Abschnitten.
Für eine graphische Darstellung wurde der Höhenbereich NN+3m bis NN-5m gewählt, damit die Profilschnitte im flachen Küstenvorfeld an den Inselenden und an der Ufermauer Westerland dargestellt werden können.
Die Unterhaltung bestehender Anlagen in Form einer planmäßigen Instandhaltung gewährleistet die Nutzung der Anlagen während des jeweiligen Abschreibungszeitraumes. Dabei wird zwischen Deichen und Verwallungen, Dämmen, Vorlandarbeiten, Längswerken (Deckwerke, Ufermauern, Geotextilien) und Querwerken (Buhnen) unterschieden.
Fachplan Küstenschutz Sylt - Gesamtkonzept - Instandhaltung (PDF, 4MB, Datei ist nicht barrierefrei)
4.5 Biotechnischer Küstenschutz
Biotechnische Küstenschutzmaßnahmen werden seit Jahrhunderten zur Eindämmung des Sandfluges durchgeführt. Dabei ist die Verfügbarkeit ausreichenden Flugsandes und das Vorhandensein eines breiten Strandes Voraussetzung.
4.5.1 Sandfangzäune setzen
Für die Planung des Bedarfes an künftigen Sandfangzäunen werden die im Zeitraum 1994 bis 2009 durchgeführten Maßnahmen herangezogen. An der gesamten Westküste wurden in diesem Zeitraum im Mittel jährlich 40,7 km Sandfangzäune gesetzt. Durch die weitere Optimierung der Sandersatzmaßnahmen wird der künftige Bedarf geringer werden. Ein Aufbau zusätzlicher Vordünen ist nicht in allen Abschnitten sinnvoll.
Die örtliche und zeitliche Platzierung der Sandfangzäune ist von den natürlichen Gegebenheiten und den durchgeführten Sandersatzmaßnahmen abhängig.
Abschnitts-Nr.
Abschnitt
mittlere Zaunlänge pro lfd. m und Jahr [km / Meter / Jahr]
Abschnittslänge [km]
mittlere Zaunlänge pro Jahr [km / Jahr]
32,7
10
Ellenbogen
0,15
3,990
0,6
11
List (West)
1,25
8,020
1,0
12
Kampen
0,62
5,190
3,2
13
Wenningstedt
0,43
2,220
1,0
14
Westerland
0,78
6,800
5,3
15
Rantum (West)
0,69
8,460
5,8
16
Hörnum (West)
1,25
4,860
6,1
17
Hörnum Odde
0,31
2,290
0,7
Die Maßnahmen stehen in der Trägerschaft und Unterhaltungspflicht des Landes.
4.5.2 Halmpflanzungen
Für die Planung zukünftiger Halmpflanzungen wird der Ansatz der Jahre 1994 bis 2009 mit im Mittel 2,4 ha verwendet. In Zukunft ist davon auszugehen, dass der Umfang der biotechnischen Maßnahmen durch die weitere Optimierung der Sandersatzmaßnahmen geringer wird. Da an der Westküste durch die bisher durchgeführten umfangreichen Sandersatzmaßnahmen erhebliche Vordünen vorhanden sind, ist ein weiterer Vordünenaufbau nicht sinnvoll. In Zukunft dürfte lediglich der Bestand zu erhalten sein.
Die jeweilige Platzierung der Halmpflanzungen ergibt sich aus den natürlichen Küstenveränderungen sowie den durchgeführten Sandersatzmaßnahmen.
Abschnitts-Nr.
Abschnitt
mittlere Fläche pro Jahr
[ha / km / Jahr]
Abschnittslänge [km]
mittlere Fläche pro Jahr
[ha / Jahr]
2,32
10
Ellenbogen
-
3,990
-
11
List (West)
0,100
8,020
0,75
12
Kampen
0,060
5,190
0,31
13
Wenningstedt
0,060
2,220
0,13
14
Westerland
0,060
6,800
0,41
15
Rantum (West)
0,045
8,460
0,38
16
Hörnum (West)
0,060
4,860
0,29
17
Hörnum-Odde
0,020
2,290
0,05
Die Maßnahmen stehen in der Trägerschaft und Unterhaltungspflicht des Landes.
4.5.3 Dünenverbau
Die notwendigen Maßnahmen zum Dünenverbau ergeben sich aufgrund eintretender Schadensereignisse. Durch den Dünenverbau sollen Windrisse verbaut und Randdünendurchbrüche verhindert werden.
Sofern eine Gefährdung der Stabilität der Randdüne erkennbar ist, müssen die Randdünen durch
Planierarbeiten
Buschwalzen aus Forstmaterial
Sandaufspülungen
verstärkt oder gar wiederhergestellt werden. Die Randdüne wird anschließend wieder bepflanzt. Innerhalb weniger Jahre erfolgt eine vollständige Regeneration der Randdüne, sofern keine neuen Belastungen auftreten.
Für die Ostküste der Insel Sylt sind ebenfalls Sandersatzmaßnahmen sinnvoll, um die negative Sandbilanz an der Wattseite auszugleichen. Dabei sind die Sandmengen deutlich geringer als an der Westküste. Aufgrund der geringeren Erosionen ist die Dringlichkeit geringer, obgleich zum Teil Infrastruktureinrichtungen (Straßen, Wege) gefährdet werden könnten.
Um die Wirkung der Maßnahmen langfristig dokumentieren zu können, bedarf es eines Mess- und Beobachtungskonzeptes. Darin werden die notwendigen Mess- und Auswerteaktivitäten erläutert.
4.8.1 Vermessungskonzept
Das Vermessungskonzept soll sicherstellen, dass die natürlichen und künstlichen Veränderungen erkannt werden, so dass eine Bewertung des Zustandes der Küste möglich ist.
Westküste
terrestrische Überwachung: jährlich im Herbst (100 m bzw. Laserscan)
hydrografische Überwachung: alle 5 Jahre (50 m)
Vorvermessung Baumaßnahme: hydrografisch (50 m), terrestrisch (100 m)
Nachvermessung Baumaßnahme: terrestrisch (100 m)
Ostküste (sandig)
terrestrische Überwachung: alle 10 Jahre (100 m)
Vor- und Nachvermessung Baumaßnahme: terrestrisch (100 m, ggfs. 50 m)
Wattvermessung: alle 10 Jahre (100 m); Nutzung der BSH-Vermessungen
Ostküste (Deich)
Deichkronennivellement: alle 10 Jahre
Wattvermessung: alle 10 Jahre (100 m); Nutzung der BSH-Vermessungen
Sandentnahmegebiet(e)
Vor- und Nachvermessung Entnahmegebiet: jährlich (Fächerecholot)
Durch die Umsetzung des hydrologischen Messkonzeptes werden die äußeren Einflussgrößen (Wind, Seegang, Wasserstand) erfasst und die Entwicklung der Zustandsgrößen erkannt.
Seegang (Land SH)
Westerland Messpfahl (Weiterbetrieb des Messpfahles Westerland; Aufzeichnungsbeginn: 1987)
Westerland (Weiterbetrieb der bei 13 m-Wassertiefe liegenden Wellenrichtungsboje vor Westerland; Aufzeichnungsbeginn: 1987)
Hörnum (Messung des Seegangs/Wellenauflaufes an der Ostseite Hörnums zur Bemessung des Ostuferdammes; Aufzeichnungsbeginn 2009)
Keitum (Installation von Messgeräten für die Messung des Seegangs/Wellenauflaufes in der Keitumer Bucht für die Bemessung von Einzelverwallungen)
Wasserstand (Land Schleswig-Holstein)
Westerland Messpfahl (Weiterbetrieb des Messpfahles Westerland; Aufzeichnungsbeginn: 1987)
Hafen Munkmarsch (Weiterbetrieb der Pegelanlage Hafen Munkmarsch; Aufzeichnungsbeginn: 1982)
Rantumdamm (Weiterbetrieb der Pegelanlage Rantumdamm; Aufzeichnungsbeginn: 1993)
Wasserstand (Bund)
List-Hafen (Übernahme der Daten der WSV-Pegelanlage List-Hafen; Aufzeichnungsbeginn: 1898)
Hörnum-Hafen (Übernahme der Daten der WSV-Pegelanlage Hörnum-Hafen; Aufzeichnungsbeginn: 1928)
Wind (Land Schleswig-Holstein)
Westerland (Weiterbetrieb des Messpfahles Westerland; Aufzeichnungsbeginn: 1987)
Wind (Bund)
List (Übernahme der Daten der Windmessanlage des DWD List; Aufzeichnungsbeginn: 1950)
Ein Forschungs- und Untersuchungsbedarf für den Küstenschutz auf Sylt besteht insbesondere im Hinblick auf die Beschreibung der veränderlichen Wechselwirkungen zwischen Morphologie und Hydrologie, die durch eine Klimaveränderung hervorgerufen werden könnten.
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