KIEL. Das Reaktorgebäude des Kernkraftwerks Brunsbüttel ist frei von Brennelementen. Mit Zustimmung der schleswig-holsteinischen Reaktorsicherheitsbehörde (Energiewendeministerium) hat die Vattenfall-Betreibergesellschaft inzwischen die letzten bestrahlten Brennelemente in einen CASTOR-Behälter verladen und in das zum Kraftwerksgelände gehörende Gebäude des Standortzwischenlagers verbracht.
Es handelte sich um den letzten von insgesamt 11 CASTOR-Behältern, die für diese Räumungsaktion notwendig waren. In dem Massivgebäude werden die CASTOR-Behälter jetzt vorübergehend bereitgestellt, bis eine Lösung für die Zwischenlagerung der CASTOR-Behälter gefunden ist.
"Es ist ein historischer Schritt. Erstmals nach 41 Jahren befinden sich keine bestrahlten Brennelemente mehr im Brunsbütteler Reaktorgebäude. Damit ist das erste schleswig-holsteinische Kernkraftwerk brennelementfrei. An keiner anderen Stelle wurde in Schleswig-Holstein bislang die Endgültigkeit des Atomausstiegs so deutlich
", sagte Energiewendeminister Robert Habeck heute (21. Juni 2017).
Der Beladung der CASTOR-Behälter und ihrer Bereitstellung im Gebäude des Standortzwischenlagers hatte die schleswig-holsteinische Reaktorsicherheitsbehörde zuvor nach aufwändigen rechtlichen und sicherheitstechnischen Prüfungen zugestimmt.
So hatte ein umfassender Sicherheits- und Sicherungsvergleich der Sachverständigenorganisation TÜV NORD ergeben, dass unter den konkret am Standort Brunsbüttel vorhandenen Gegebenheiten das Gebäude des Standortzwischenlagers derzeit die bestmögliche Schadensvorsorge bietet. "Die Brennelemente sind im Gebäude des Standortzwischenlagers sicherer ausgehoben als im Reaktorgebäude. Dieser Sicherheitsgewinn war für uns entscheidend
", sagte Habeck.
So bedarf die Zusammenstellung der Brennelemente anders als im Reaktordruckbehälter keiner aktiven Kühlung mehr, die CASTOR-Behälter bilden eine zusätzliche Barriere und das Gebäude des Standortzwischenlagers bietet gegenüber dem aus den 1970er Jahren stammenden Reaktorgebäude einen besseren Schutz gegen Einwirkungen von außen (z.B. Angriffe, terroristisch herbeigeführter Flugzeugabsturz). Zudem gibt auch der Gesetzgeber aus gutem Grund der Trockenlagerung in CASTOR-Behältern gegenüber einer dauerhaften Aufbewahrung im Nasslager oder im Reaktorkern den Vorzug.
In rechtlicher Hinsicht war für die Entscheidung maßgeblich dass nach der Betriebsgenehmigung des Kernkraftwerks die Beladung von CASTOR-Behältern und deren Bereitstellung zugelassen sind. Dabei handelt es sich um eine vorübergehende Lagerung am Kraftwerksstandort, bis der Kraftwerksbetreiber eine dauerhafte Genehmigung zur Zwischenlagerung ("Aufbewahrung bis zur Ablieferung an ein Endlager") erlangt hat. Eine solche Genehmigung hat die Betreibergesellschaft für das Gebäude des Standortzwischenlagers bereits beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) beantragt. Eine frühere Genehmigung, die das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) für dieses Gebäude erteilt hatte, war wegen Nachweisdefiziten gerichtlich aufgehoben worden. Bereitstellungen finden sonst typischerweise vor Transporten statt; ein Transport könnte auch hier noch erforderlich werden, wenn die Betreibergesellschaft für den jetzigen Standort des Lagergebäudes keine Neugenehmigung erlangt.
Minister Habeck erklärte: "Mit der Brennelementefreiheit ist eine wesentliche Voraussetzung für den vollständigen Rückbau des Kernkraftwerks erfüllt. So kann der Rückbau sicherer und mit weniger Strahlenbelastung für das Personal vorbereitet werden. Es handelt sich angesichts der besonderen Situation in Brunsbüttel um die unter allen Gesichtspunkten beste Übergangslösung.
"
Hintergrund:
Das Standortzwischenlager in Brunsbüttel verfügt gegenwärtig über keine eigenständige atomrechtliche Genehmigung. Die Genehmigung des seinerzeit noch zuständigen BfS ist im Januar 2015 rechtskräftig gerichtlich aufgehoben worden. Die Gerichte hatten dabei nicht entschieden, dass das Lager unsicher ist. Vielmehr bemängelten sie, dass der Terrorschutz in einzelnen Aspekten nicht ausreichend nachgewiesen sei. Seitdem wurde der Verbleib der 9 CASTOR-Behälter (mit insgesamt 468 Brennelementen), die sich bei Aufhebung der Genehmigung bereits im Standortzwischenlager befanden, durch eine Verfügung der schleswig-holsteinischen Reaktorsicherheitsbehörde vorübergehend geduldet. Auf Antrag der Betreibergesellschaft läuft inzwischen beim BfE ein erneutes Genehmigungsverfahren, in welchem in der vergangenen Woche der Erörterungstermin stattfand.
Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht geht davon aus, dass die Nachweisdefizite in dem neuen Verfahren ausgeräumt werden. Falls eine Neugenehmigung für das bestehende Zwischenlager in Brunsbüttel nicht erteilt werden sollte, käme ein Transport aller Behälter zu einem anderen genehmigten Standortzwischenlager in Frage, wofür auch dort dann allerdings zunächst eine (Änderungs-) Genehmigung beantragt, geprüft und erteilt werden müsste. Für beide Möglichkeiten ist die Beladung der CASTOR-Behälter, ihre Trocknung und Bereitstellung im Gebäude des Standortzwischenlagers notwendig und damit bereits zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll.
Insgesamt befinden sich in dem für 80 CASTOR-Behälter konzipierten Lagergebäude jetzt 20 Behälter mit 965 Brennelementen, die sämtlich aus dem Betrieb des Kernkraftwerks Brunsbüttel stammen. Weitere Brennelemente sind am Standort nicht mehr vorhanden. Im Reaktorgebäude befinden sich lediglich noch 13 sog. Defektstäbe, d.h. einzelne Brennstäbe, die im Laufe der Betriebszeit wegen festgestellter Schäden aus dem zugehörigen Brennelement entnommen wurden.
Das Genehmigungsverfahren des BfE für das Zwischenlager ist von der Bereitstellung der CASTOR-Behälter unabhängig. Die Umlagerung der Brennelemente und die Bereitstellung in dem zum Kraftwerksgelände gehörenden Gebäude erfolgen im Rahmen der bestehenden Betriebsgenehmigung des Kernkraftwerks. Dort geregelt ist die Befugnis zur Handhabung von Kernbrennstoffen auf dem Betriebsgelände.
Das Kernkraftwerk Brunsbüttel hat 2011 die Berechtigung zum Leistungsbetrieb verloren und befindet sich seitdem im sog. Stillstands- oder Nachbetrieb. Die Betreibergesellschaft beantragte 2012 die Stilllegung und den Abbau. Im Antrag ist unter anderem die Brennelementfreiheit des Kernkraftwerks als Voraussetzung für den Beginn von Abbaumaßnahmen genannt. Bei dieser hier gewählten Variante der Stilllegung gehört die Entfernung der Brennelemente zu den typischen Maßnahmen des Nachbetriebs. Auch nach Auffassung der Behörde ist das vorzugswürdig gegenüber einem Abbau des Kernkraftwerks "um die Brennelemente herum".
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