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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht und Sozialgerichte : Thema: Gerichte & Justizbehörden

Schwerbehindertenrecht - Merkzeichen G

Letzte Aktualisierung: 26.07.2019

Urteil LSG AZ: L 2 SB 15/13, SG Itzehoe S 8 SB 9/12  (PDF, 413KB, Datei ist barrierefrei)

Eine Behinderung stellt häufig eine Benachteiligung gegenüber Nichtbehinderten dar. Um im gesellschaftlichen Leben diese Nachteile zumindest etwas abzumildern, werden behinderten Menschen gewisse Nachteilsausgleiche gewährt. Welche das sind, hängt von der Art und dem Grad der Behinderung ab. Das Landesamt für Soziale Dienste stellt auf Antrag den Grad der Behinderung (GdB) fest und entscheidet, ob zudem bestimmte Merkzeichen in den Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Ist der behinderte Mensch der Ansicht, dass das Landesamt den GdB oder die Voraussetzungen für das Merkzeichen fehlerhaft eingeschätzt hat, kann er sich damit an die Sozialgerichte wenden.

DER FALL

der 30-jährige Kläger leidet an einer seltenen Erbkrankheit, dem Christ-Siemens-Touraine-Syndrom. Insbesondere hat er keine Schweiß- oder Talgdrüsen. Sein Körper kann sich nicht kühlen, da er nicht schwitzen kann. Das führt zu einer starken Hitzeunverträglichkeit. Bei warmen Temperaturen kann er schon kurze Wegstrecken nicht mehr zu Fuß zurücklegen.

Aufgrund seiner Behinderung ist bei ihm ein GdB von 80 anerkannt. Nun beantragt er noch die Zuerkennung des Merkzeichens G (G steht für „erheblich gehbehindert“), was ihn zum Beispiel berechtigen würde, vergünstigt öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen und kostenfrei im städtischen Parkraum zu parken.

Das zuständige Landesamt für soziale Dienste lehnt die Zuerkennung des Merkzeichens G ab, da es davon ausgeht, dass der Kläger aufgrund seiner Behinderung nicht wesentlich in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigt ist.

Dagegen klagt der Kläger vor dem Sozialgericht Itzehoe. Er macht geltend, dass er sich an warmen Tagen ausschließlich mit einem klimatisierten Auto fortbewegen könne.

DIE ENTSCHEIDUNG

Das Sozialgericht holte ein Sachverständigengutachten ein und wies die Klage dann durch Gerichtsbescheid ab. Da der Kläger grundsätzlich körperlich belastbar sei und sich nur bei Hitze ausschließlich mit dem Auto fortbewegen könne, handele es sich um Ausnahmesituationen und eine allgemeine Einschränkung der Gehfähigkeit bestehe nicht.

Dagegen legte der Kläger Berufung beim Landessozialgericht ein. Dieses holte noch ein weiteres Gutachten ein und kam schließlich zu der Auffassung, dass die bei Hitze aufgetretenen Funktionsbeeinträchtigungen mit bestimmten Herzschäden vergleichbar seien. Ähnlich wie bei solchen Herzerkrankungen könne der Kläger bei warmen Temperaturen weniger als 1 km gehen, sonst träten erhebliche Beschwerden auf. Dass dies nur bei Wärme der Fall sei, führe nicht dazu, dies als Ausnahme anzusehen. Das Wetter könne der Kläger weder vorhersehen noch beeinflussen. Daher sei er gegenüber Gesunden erheblich in seiner privaten und beruflichen Mobilität eingeschränkt. Das Landessozialgericht hob das Urteil des Sozialgerichts auf und verurteilte das Landesamt zur Zuerkennung des Merkzeichens. Außerdem hat das Landessozialgericht die Revision gegen das Urteil zugelassen. Das beklagte Landesamt ist jedoch nicht vor das Bundessozialgericht gegangen, sodass das Urteil rechtskräftig wurde.

DAS RECHT

Liegt eine Behinderung vor, stuft das zuständige Landesamt den GdB ein. Erst ab einem GdB von 50 spricht man von einer Schwerbehinderung.

Die Art der Behinderung und die Höhe des GdB führen zu bestimmten Nachteilsausgleichen. Es gelten zum Beispiel besondere Regeln zum Kündigungsschutz oder günstigere Steuerfreibeträge. Neben dem GdB können im Schwerbehindertenausweis auch verschiedene sogenannte Merkzeichen eingetragen werden, die wiederum zu spezifischen Nachteilsausgleichen berechtigen. So gibt es zum Beispiel das Merkzeichen Bl für Blindheit, Gl für Gehörlosigkeit, B für die Notwendigkeit eine Begleitperson dabei zu haben oder RF, bei dem die Ermäßigungen von Telefon- und Rundfunkgebühren möglich ist.

Vor den Sozialgerichten nicht selten im Streit ist die Zuerkennung von Merkzeichen G oder aG (außergewöhnliche Gehbehinderung). Diese werden zuerkannt, wenn jemand in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Dieses ist häufig bei einer Gehbehinderung der Fall, kann aber auch durch innere Leiden, Anfälle oder Orientierungslosigkeit verursacht sein. Voraussetzung für das Merkzeichen G ist üblicherweise, dass eine Wegstrecke von 2 km nicht mehr innerhalb einer halben Stunde zu Fuß zurückgelegt werden kann. Beim Merkzeichen aG können schon sehr kurze Wegstrecken nicht ohne fremde Hilfe oder nur mit großer Anstrengung oder mithilfe eines Rollstuhls zurückgelegt werden.

Mit dem Merkzeichen G kann zum Beispiel kostenlos im städtischen Parkraum oder auf Anwohnerparkplätzen geparkt werden. Außerdem gibt es deutliche Vergünstigungen für die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Für Leistungsbezieher nach dem SGB II wird zudem ein Mehrbedarf aufgrund der Behinderung gewährt. Nur das Merkzeichen aG berechtigt demgegenüber zum Parken auf Schwerbehindertenparkplätzen.

Streiten Kläger um die Höhe des GdB oder ein Merkzeichen vor den Sozialgerichten, holen die Richter*innen häufig Sachverständigengutachten ein, um das Vorliegen der Voraussetzungen fachkundig beurteilen zu können. Im vorliegenden Fall haben die Gutachter in beiden Instanzen die Situation ähnlich eingeschätzt. Der Kläger kann Wegstrecken von 2 km normalerweise zu Fuß zurücklegen, bei sehr warmen Temperaturen aber nicht. Während das Sozialgericht daraus den Schluss zog, dass damit im allgemeinen keine Einschränkung der Gehfähigkeit vorliegt, hat das Landessozialgericht die Situation des Klägers mit einer Herzerkrankung verglichen, da bei ihm ähnliche Symptome auftreten, wenn er bei Hitze körperlichen Belastungen ausgesetzt ist. Auch bei einer Herzerkrankung müssen die Einschränkungen nicht dauernd vorliegen, um zur Zuerkennung des Merkzeichens G zu führen.

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