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Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer

Empfehlungen 2021 und 2011

Folgende Handlungsvorschläge basieren auf den Erkenntnissen und Bewertungen.

  • Forschung und Entwicklung
  • Historische und technische Erkundungen
  • Überprüfung und Überwachung der Umweltauswirkungen
  • Umgang mit Gefahrensituationen
  • Meldewege und Dokumentation

Letzte Aktualisierung: 22.05.2015

Jahr 2021

Handlungsbedarf und Empfehlungen

Die oben dargestellten Nachweise chemischer Verbindungen aus Munition im Meer in der Meeresumwelt sowie deren mögliche Auswirkungen, Erkenntnisse zur fortschreitenden Korrosion der Metallhüllen und Folgen der Alterung von Sprengstoffen verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf. Die maritime Technologieentwicklung hat in diesem Kontext deutliche Fortschritte erzielt. Die Methoden zur Entwicklung objektiver Kriterien für die Priorisierung von Maßnahmen stehen in weiten Teilen zur Verfügung. Der zeitnahe Einstieg in vorsorgendes Handeln verlängert das Zeitfenster in dem sicher und wirtschaftlich gehandelt werden kann.

Grundlegende Voraussetzung des Einstiegs in eine geordnete Bergung ist jedoch die Schaffung in sich geschlossener Verfahrensketten, von der Detektion, über die automatisierte Delaborierung, bis zur sicheren und umweltgerechten Entsorgung.

Nunmehr ist angezeigt, eine konkrete Vorgehensweise für den weiteren Umgang mit Munition im Meer zu entwickeln und festzulegen unter Anwendung moderner Methoden und systematischer Risikoanalysen im Hinblick auf vorsorgliche Maßnahmen, einschließlich der Bergung alter Munition aus besonders belasteten Gebieten.

Empfehlungen des Expertenkreises „Munition im Meer“:

(1) Basierend auf den bisherigen Erkenntnissen und den bekannten Methoden zum Nachweis sprengstofftypischer Verbindungen (Strehse et al. 2019) bedarf es eines geeigneten Monitorings und weiterer Untersuchungen. Diese sind Basis ganzheitlicher Aussagen über die Belastung der Meeresumwelt durch STV.

  • Wegen des hohen Massenanteils des kanzerogenen Sprengstoffs TNT sollten seine Verbreitung und die seiner Umbauprodukte/ Metabolite systematisch erfasst werden;
  • Physikalische und chemische Daten sollten z.B. durch die Anwendung der Methoden des „Practical Guide for Environmental Monitoring of Conventional Munitions in the Seas” (Greinert et al. 2019) oder der „DAIMON-Toolbox“ (Lehtonen et al. 2019) erhoben werden;
  • Dringender Bedarf wird hinsichtlich der umweltfachlichen Bewertung der Auswirkungen von STV auf das Meeresökosystem gesehen;
  • Voraussetzung einer Bewertung der Belastung von Meeresfrüchten für den menschlichen Verzehr durch STV ist die Weiterentwicklung von Methoden einschließlich repräsentativer Untersuchungen.

(2) Kampfmittel kommen grundsätzlich in allen deutschen Meeresgebieten vor. Werden Nutzungen geplant, sind geeignete Vorsorgemaßnahmen auf Basis einer Gefährdungsbeurteilung zu ergreifen.

  • Kampfmittelbezogene Dienstleistungen können z.B. durch die Umsetzung des „Qualitätsleitfadens Offshore-Kampfmittelbeseitigung“ (Frey et al. 2019) verbessert werden;
  • Auf die „Baufachliche Richtlinien Kampfmittelräumung“ (https://www.bfr-kmr.de) in der aktuellen Fassung wird hingewiesen;
  • Aus Gründen des Arbeitsschutzes ist der Einsatz unbemannter Verfahren zur Kampfmittelbeseitigung weiter auszuweiten. 

(3) Die Archivrecherche bildet die Grundlage für eine erste Bewertung der räumlichen Verteilung von Munition im Meer. Gleichzeitig liefert sie wichtige Erkenntnisse über die Art der eingebrachten Kampfmittel sowie deren Inhaltsstoffe. Die bisher geleistete Recherchearbeit war Grundlage zahlreicher historischer Erkundungen. Darauf aufbauende Vor-Ort-Untersuchungen haben wertvolle Ergebnisse geliefert und konnten ohne Unfälle durchgeführt werden. Die Archivrecherche sollte daher intensiviert werden.

(4) Kampfmittelspezifische Daten des Bundes und der Küstenländer sollten in einem nationalen Kampfmittelkataster zu einem umfassenden Lagebild zusammengetragen und elektronisch für die gemeinsame Nutzung erschlossen werden.
Ergebnisse des Projektes DAIMON zeigen, dass geografische Datenbanktechnologien und moderne Webanwendungen die organisationsübergreifende Zusammenarbeit funktional unterstützen. Ergänzt um Monitoring-Daten ergibt sich eine ganzheitliche Fortschreibung des Katasters. Kampfmittelspezifische Daten und Bewertungen des DAIMON-Projektes in Kombination mit öffentlich zugänglichen, behördlichen Umwelt- und Nutzungsdaten bilden die Datenbasis des Decision-Support-System DAIMON-DSS (Wendt 2019). Im Projekt konnte gezeigt werden, wie sich auf diese Weise Risikogebiete rechtzeitig erkennen und bewerten lassen. Dem Ansatz für die Analyse des DAIMON-DSS (Reuter 2019) folgend ist es möglich, Daten eines nationalen Kampfmittelkatasters für eine interdisziplinäre Risikoanalyse zu verwenden, um angemessene Managementmaßnahmen munitionsbelasteter Meeresgebiete abzuleiten und zu begründen. Des Weiteren bieten solche Informationen eine einheitliche Grundlage zur objektiven Priorisierung von Gebieten für einen möglichen Einstieg in eine Räumung (Bezug zu Ziffer 6 des Beschlusses zu TOP 27 der 93. UMK).

(5) Jüngste Erfahrungen aus der Kampfmittelräumung im Offshore-Sektor im Bereich der Ostsee erlauben es, exemplarische Konzepte für ausgewählte „Hotspots“ auszuarbeiten, von denen sich Kosten für unterschiedliche Technologien für eine Bergung auf dem Stand der Technik vergleichend ableiten lassen.

(6) Die zur Verfügung stehende Kapazität zur fachgerechten Entsorgung von Kampfmitteln ist bereits jetzt ausgeschöpft. Auch im Hinblick auf die Vermeidung langer Transportwege und eine erforderliche Ausweitung der Delaborierung sowie der umweltgerechten Vernichtung von Kampfmitteln bedarf es der Weiterentwicklung praxistauglicher Verfahren. Dies umfasst auch mobile Konzepte, z.B. Offshore Entsorgungssysteme, die an verschiedenen Einsatzorten genutzt werden können.

(7) Die wirksame Kontrolle der Einhaltung kampfmittelbezogener Vorschriften durch Vollzugsbehörden bedarf einer Überprüfung der Zuständigkeiten und des Rechtsrahmens.

(8) Die etablierte internationale Zusammenarbeit in den Sektoren Politik, Militär, öffentliche Verwaltung und Zivilgesellschaft sollte gepflegt und weiter ausgebaut werden.

(9) Die Öffentlichkeitsarbeit und die gezielte Information über Munition im Meer und die von ihr ausgehenden Gefahren haben in der Vergangenheit zur Akzeptanz des Themas beigetragen. Um die Transparenz zum weiteren Vorgehen zu gewährleisten, ist es erforderlich die Öffentlichkeitsarbeit fortzuführen.

  • Zur gezielten Information der Öffentlichkeit bietet dieser Internetauftritt eine bewährte Plattform.
  • Vor dem Hintergrund der aktuellen Erkenntnisse bedarf der Grundlagenbericht „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Bestandaufnahme und Empfehlungen (Jahr 2011)“ einer systematischen Aktualisierung.
  • Der transparente Dialog mit der Gesellschaft und ihren Interessenverbänden ist fortzusetzen.

Jahr 2011

Historische und technische Erkundungen

  • Bereitstellung nötiger Kapazitäten, um in Archiven vorhandene Informationen zu Einbringungsorten sowie Art und Menge der versenkten Kampfmittel auszuwerten.

Miteinzubeziehen sind dabei möglichst auch die Archive der ehemaligen Alliierten, unter deren Aufsicht vielfach Versenkungen vorgenommen wurden.

  • Eingehendere Untersuchung von im Rahmen gezielter Untersuchungen oder durch Zufallsfunde unter der Meeresoberfläche entdeckter Kampfmittelverdachtsobjekte. Insbesondere: Bitte an die Deutsche Marine zur weiteren Untersuchung der vier noch nicht eindeutig identifizierten Objekte im Bereich des Zufahrtskorridors zum Munitionsversenkungsgebiet Bornholm-Becken.
  • Prüfung, ob und ggf. mit welcher Priorisierung und Methodik eine systematische Lageerkundung subaquatischer Kampfmittel in deutschen Hoheitsgewässern durchgeführt werden sollte.

Überprüfung und Überwachung der Umweltauswirkungen

  • Entwicklung geeigneter Methoden zur Bewertung und Überwachung von munitionsbelasteten subaquatischen Flächen, da Notwendigkeit zur Verbesserung der Datenlage zu Umweltauswirkungen subaquatischer Kampfmittel besteht. Dabei Fokussierung auf Untersuchung und Bewertung des Gefahrenpotentials der strandnahen sowie der größten munitionsbelasteten Flächen.

Die bisher auf Einzelbefunden basierende Einschätzung der Gesamtsituation sollte durch weitere Untersuchungen abgesichert werden. Weiterhin sollten Untersuchungen zum Korrosionsverhalten verschiedener Munitionsarten mit dem Ziel durchgeführt werden, letztendlich belastbare Aussagen über die korrosionsbedingte Freisetzung von kampfmitteltypischen Verbindungen in Wasser beziehungsweise Sediment zu erhalten.

  • Auf Grundlage der o.a. Überprüfung und Bewertung von munitionsbelasteten Flächen unter Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und technischer Aspekte Entscheidung über ggf. weiteren Handlungsbedarf. Übergeordnete Fragestellung jeder Überprüfung und Bewertung ist, ob unmittelbare Gefahren abzuwehren sind. Weitere Optionen bis hin zu einer Sanierung können auf Basis der Empfehlungen abgewogen werden.

Umgang mit Gefahrensituationen

  • Aussprechen eines Fischereiverbots für das ehemalige Munitionsversenkungsgebiet Helgoländer Loch, für das bereits der Hinweis „unrein (Gasmunition)“ in den Seekarten vermerkt ist.
  • Überprüfung und gegebenenfalls Entwicklung von Merkblättern und Verhaltensmaßregeln für betroffene, besonders gefährliche Tätigkeiten mit direktem oder indirektem Grundkontakt sowie Sicherstellung der öffentlichen Verfügbarkeit entsprechender Informationen.
  • Sicherstellung der adäquaten Verfügbarkeit des von der AG für das „Auffischen und Auffinden von Munition“ entwickelten Empfehlungs- und Hinweismerkblattes.
  • Kontinuierliche Erweiterung des Handlungsspielraums der Kampfmittelbeseitigung durch neue, alternative Verfahren auf Basis der Integration aktueller technologischer Entwicklungen.

Meldewege und Dokumentation

  • Weiterentwicklung der Meldewege und des Berichtswesen in Deutschland: Schaffung* einer zentralen registrierenden Stelle, an die zur Dokumentation alle in der deutschen Nord- und Ostsee auftretenden Ereignisse gemeldet werden.

    Seit 2013 gibt es die Zentrale Meldestelle für Ereignisse mit Fundmunition.

Die zusammengestellten Daten sollten für weitere Zwecke zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel für periodische Meldungen im Rahmen internationaler Abkommen (OSPAR, HELCOM).

Ergänzende Informationen

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