KIEL. Justizministerin Kerstin von der Decken hat heute (19.11.) gemeinsam mit den Präsidentinnen und Präsidenten der Obergerichte ein angepasstes Konzept für eine Fachgerichtsstrukturreform vorgestellt. Am Vormittag hatte die Ministerin die mit den Präsidentinnen und Präsidenten geeinten Pläne dem Kabinett präsentiert, das den Bericht zustimmend zur Kenntnis nahm. Das Justizministerium hatte sich mit den Beteiligten in den vergangenen Wochen intensiv zu den Reformplänen ausgetauscht. Unter Berücksichtigung der Rückmeldungen hat das Ministerium gemeinsam mit den Präsidentinnen und Präsidenten der Obergerichte ein angepasstes Konzept entwickelt.
„Mein Dank gilt ausdrücklich allen Beteiligten für den konstruktiven Austausch, um den ich gebeten hatte. Die Justiz hat Verständnis, dass wir angesichts der sehr ernsten Haushaltslage nachhaltig zur Konsolidierung beitragen müssen. Das nun gemeinsam entwickelte, angepasste Konzept einer Fachgerichtsstrukturreform führt zu Flächeneinsparungen und Effizienzsteigerungen. Gleichzeitig ermöglichen neue Gerichtsstrukturen weiterhin eine Präsenz der Fachgerichtsbarkeit in der Fläche.
“, so von der Decken. „Das angepasste Konzept ist eine Lösung, die eine Konzentration von Standorten mit guter Erreichbarkeit der Fachgerichte verbindet
.“, erläutert die Ministerin. Es sei zudem vielversprechend im Hinblick auf das notwendige Einsparvolumen.
Das Ministerium wird nun in Abstimmung mit den Beteiligten aus der Justiz die Details des Konzepts weiter ausarbeiten. Anschließend plant Ministerin von der Decken, das angepasste Konzept einer Fachgerichtsstrukturreform dem Kabinett vorzulegen.
Im Kern beinhaltet der Vorschlag, dass die noch in eigenen Gebäuden untergebrachten Fachgerichte gerichtsbarkeitsübergreifend – also unter Einbeziehung der ordentlichen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit – in bestehende Liegenschaften anderer Gerichte umziehen und damit größere Organisationseinheiten entstehen. So können Synergien bei Gebäuden und Personal erreicht werden und zugleich die Präsenz der Fachgerichtsbarkeiten in der Fläche erhalten bleiben. Einige der bisherigen Sozial- und Arbeitsgerichte sollen in Zweigstellen bzw. auswärtige Kammern umgewandelt werden. „Die Fachgerichtsbarkeiten gehen davon aus, dass auch ohne eine Konzentration an einem einzigen Standort erhebliche Einsparungen erreicht werden können. Dass die Fachgerichtsbarkeiten – teilweise in anderer Struktur – mit dem angepassten Konzept weiterhin in der Fläche präsent bleiben, ist für alle Rechtsuchenden sowie für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine gute Nachricht
.“, betonen die Präsidentinnen und Präsidenten der Obergerichte, Dr. Dirk Bahrenfuss (PräsOLG), Birgit Voß-Güntge (Präs’inLSG), Maren Thomsen (Präs’inOVG), Wulf Benning (PräsLAG), Dr. Birger Brandt (PräsFG).
Das angepasste Konzept beinhaltet nach derzeitigem Stand unter anderem:
Die beiden geplanten Fachgerichtszentren werden auf die Obergerichte beschränkt. Das erste Fachgerichtszentrum soll in Schleswig (im Gebäude des Oberverwaltungsgerichts) entstehen und das Oberverwaltungsgericht und das Landessozialgericht umfassen. Das zweite Fachgerichtszentrum soll in Kiel (im Gebäude des Amtsgerichts) entstehen und das Finanzgericht und das Landesarbeitsgericht umfassen.
Auf Ebene der erstinstanzlichen Gerichte soll eine Reduktion auf jeweils zwei Gerichte mit jeweils einer Zweigstelle (Sozialgerichtsbarkeit) bzw. auswärtigen Kammer (Arbeitsgerichtsbarkeit) an einem weiteren Ort erfolgen. Damit bleibt in jeder Gerichtsbarkeit eine Präsenz weiterhin an vier Orten gewährleistet. Durch die organisatorische Zusammenfassung kann zugleich das angestrebte Ziel einer Flexibilisierung des Personaleinsatzes erreicht werden.
Im Ergebnis wird laut angepasstem Konzept lediglich der Arbeitsgerichtsstandort Neumünster aufgegeben, und der Arbeitsgerichtsstandort Elmshorn wird – als auswärtige Kammer – nach Itzehoe verlagert. Sowohl die Sozial- als auch die Arbeitsgerichtsbarkeit sind damit weiterhin in jedem der vier Landgerichtsbezirke präsent.
Zudem enthält das angepasste Konzept weitere Vorschläge gemeinsamer, gerichtsbarkeitsübergreifender Gebäudenutzungen. Nach dem Entwurf soll es insgesamt zu einer Konzentration von 17 auf 10 Gebäude kommen. Dies beinhaltet auch Zusammenfassungen beispielsweise von einzelnen Außenstellen. Wesentliche Kosten- und Flächeneinsparungen sollen so auch im Vergleich zum ursprünglichen Konzept erhalten bleiben.
Fragen und Antworten
Wie kommt es, dass das Konzept der Fachgerichtsreform angepasst werden soll?
Ministerin von der Decken hatte von Anfang an die Justiz um konstruktive Stellungnahmen gebeten. Im Rahmen eines daraufhin entstehenden Austausches haben die Präsidentinnen und Präsidenten der Obergerichte gemeinsam mit dem Justizministerium lösungsorientiert ein angepasstes Konzept für eine Fachgerichtsstrukturreform entwickelt. Dieses trägt den geäußerten Bedenken an einem möglichen Rückzug aus der Fläche Rechnung, führt aber nach derzeitigem Stand ebenfalls zu deutlichen Einsparungen.
Ist das bisherige Konzept mit der Konzentration aller Arbeits- und Sozialgerichte an einem zentralen Standort in Schleswig-Holstein damit hinfällig?
Das wird davon abhängen, ob es nun gelingt, das angepasste Konzept gemeinsam mit den Beteiligten zur Umsetzungsreife weiter zu entwickeln und damit notwendige Synergien und Einsparungen zu erzielen. Dafür wird sich Ministerin von der Decken einsetzen. Wenn ein umsetzungsreifes Konzept erarbeitet worden ist, plant die Ministerin, das angepasste Konzept einer Fachgerichtsstrukturreform dem Kabinett erneut vorzulegen.
Hieß es nicht, das bisherige Konzept sei alternativlos?
Nein. Ministerin von der Decken hatte im Landtag gesagt, dass im Zuge der Haushaltskonsolidierung die Konzentration durch eine Fachgerichtsstrukturreform alternativlos sei. Auch das angepasste, gemeinsam entwickelte Konzept stellt eine Fachgerichtsstrukturreform dar, die auf einer Konzentration von Standorten bzw. Liegenschaften basiert. Die Ministerin hatte die Beteiligten wiederholt um konstruktive Stellungnahmen gebeten – die nun auch zur der gemeinsamen Erarbeitung des angepassten Konzepts geführt haben.
Warum wurde nicht von vornherein dieses Konzept vom Kabinett beschlossen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Fachgerichtsstrukturreform durchzuführen. Das bisherige Konzept überträgt das bereits in Schleswig-Holstein seit langem praktizierte Modell der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf die Sozial- und die Arbeitsgerichtsbarkeit. Das nun gemeinsam mit den Präsidentinnen und Präsidenten entwickelte angepasste Konzept basiert auf anderen Modellen, die zum Teil auch in anderen Bundesländern angewendet werden.
Warum hat das Kabinett dann nicht von vornherein beschlossen, im Rahmen eines Prozesses gemeinsam mit der Justiz verschiedene Modelle zu prüfen?
Die Entscheidung zur Durchführung einer Fachgerichtsstrukturreform war eine Kabinettsentscheidung vor dem Hintergrund der Haushaltslage, bei der im Anschluss die ausdrückliche Möglichkeit zur mündlichen wie schriftlichen Anhörung und Stellungnahme vorgesehen war. Der daraufhin startende Austausch zwischen den Präsidentinnen und Präsidenten der Obergerichte und dem Justizministerium mündete in dem angepassten Konzept.
Welche Einsparungen werden vom angepassten Konzept erwartet?
Wesentliche Flächeneinsparungen und Synergieeffekte bleiben auch im angepassten Konzept erhalten. Wie hoch die Einsparungen im einzelnen sein werden, ist nun Gegenstand der weiteren Prüfungen.
Ist bei dem angepassten Konzept auch die Möglichkeit mitgedacht, ein Justizzentrum – also mindestens ein Verhandlungssaal für sehr große Verfahren – bereit zu stellen? Im angepassten Konzept ist kein Justizzentrum vorgesehen – es ist darin keine Anmietung eines neuen, großen Gebäudes geplant. Allerdings soll das Ziel der Schaffung eines Justizzentrums damit nicht aufgegeben werden. Vielmehr soll weiterhin geprüft werden, wie ein solches geschaffen werden kann.
Wie geht das Verfahren zur Fachgerichtsstrukturreform nun weiter?
Das gemeinsam entwickelte, angepasste Konzept einer Fachgerichtsstrukturreform soll nun in Abstimmung mit den Beteiligten aus der Justiz in den Details weiter ausgearbeitet werden. Im Anschluss soll das angepasste Konzept einer Fachgerichtsstrukturreform dem Kabinett erneut vorgelegt werden.
Wie ist der Stand zur Amtsgerichtsstrukturreform?
Die Prüfung der Amtsgerichtsstrukturen wird gemeinsam mit der Justiz erfolgen. Bis Ende 2025 wird ein Konzept erarbeitet. Dabei kann es sein, dass aufgrund dringender Entscheidungsbedarfe – z.B. aufgrund von Renovierungsbedarfen/baulicher Belange oder auslaufender Mietverhältnisse – einzelne Standortfragen schon vorab entschieden werden müssen. Eine Umsetzung wird frühestens ab 2029 erfolgen.