Auf dem Wehrtechnikgipfel in Kiel hat Ministerpräsident Daniel Günther die Bundesregierung aufgefordert, endlich Tempo zu machen bei der Beschaffung neuer Ausrüstung für die Bundeswehr.
Eine "Zeitenwende" hatte Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022, nur drei Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, versprochen. 100 Milliarden Euro werde die Bundesregierung für die Bundeswehr bereitstellen – für neue Flugzeuge, neue Schiffe, bessere Ausrüstung. Passiert ist seitdem kaum etwas: Bislang hat der Bund noch keinen Auftrag an die deutschen Rüstungsunternehmen vergeben. In Kiel hat Ministerpräsident Daniel Günther nun gefordert, endlich mit der Beschaffung zu beginnen: "Unsere 30 großen wehrtechnischen Betriebe im Land mit fast 7.500 Beschäftigten brauchen endlich klare Signale und Planungssicherheit. Das gilt auch für alle damit verbundenen Unternehmen und Zulieferer mit ihren insgesamt über 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern", sagte er im Anschluss an einen zweistündigen Gipfel mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft und Gewerkschaften.
Zwei-Prozent-Ziel in Gefahr
Mit der sogenannten Zeitenwende habe die Bundesregierung ein klares Ziel definiert, betonte der Ministerpräsident. Das gelte vor allem vor dem Hintergrund des sogenannten Zwei-Prozent-Ziels der NATO. Laut aktuellen Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft werde Deutschland im kommenden Jahr und auch ab 2026 angesichts steigender Kosten das NATO-Ziel verfehlen, zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufzuwenden. "Wir stehen also nicht nur hinsichtlich des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen sicherheitspolitischen Frage unserer Bündnisfähigkeit unter Druck – sondern auch ökonomisch", sagte Günther.
Positionspapier verabschiedet
In einem gemeinsamen Positionspapier einigten sich Landesregierung sowie Branchenvertreter, UV Nord und IG Metall auf "Eckpunkte zum Gelingen der sicherheitspolitischen Zeitenwende". Darin kritisieren die Unterzeichner zum Beispiel die jüngste Entscheidung der Bundesregierung, Projekte aus dem Sondervermögen zu streichen. "Es wäre fatal, die Liste der geplanten Beschaffungen jetzt zusammenzustreichen – sowohl quantitativ wie qualitativ", sagte Günther. Abgesehen von den militärischen Notwendigkeiten in der aktuellen globalen Sicherheitslage habe Deutschland die einmalige Chance, seine Stärken in Forschung und Entwicklung und das weltweit gefragte Know-how im Marineschiffbau auszuspielen. Auch industriepolitisch sei es entscheidend, die Unternehmen im Norden möglichst kurzfristig am 100-Milliarden-Euro-Paket zu beteiligen, betonte der Regierungschef und kündigte an, sich dafür bei der Bund- und Länderkonferenz am kommenden Donnerstag einzusetzen.
Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen forderte, der Bund müsse endlich die Möglichkeiten beschleunigter Beschaffungsverfahren ausloten. Dazu zählten beispielsweise die schnelle Abarbeitung und Abnahme von Reparaturaufträgen beim Marinearsenal oder Straffungen beim Beschaffungsamt in Koblenz. "Nun kommt es auf Tempo und Pragmatismus an", sagte er.
"Die Wirtschaft steht bereit"
Der Präsident des UV Nord, Philipp Murmann, sagte nach dem Gespräch, die Betriebe im Norden stünden in den Startlöchern. Jetzt gelte es, unnötige bürokratische Hemmnisse zu beseitigen, damit die angekündigten finanziellen Mittel auch wirklich investiert werden könnten. "Der Blick nach Osten zeigt ganz klar, was schon 2014 erkennbar war: Ausgaben in unsere Verteidigung sind notwendige Zukunftsinvestitionen. Die Wirtschaft im Norden steht bereit."
Entschlossene Industriepolitik notwendig
Auch Stephanie Schmoliner, Geschäftsführerin der IG Metall Kiel-Neumünster, forderte eine entschlossene Industriepolitik von Bund und Land, um Arbeitsplätze und Standorte in diesem für Kiel und Schleswig-Holstein wichtigen Industriezweig zu sichern und auszubauen. Mit der Definition von Schlüsseltechnologien wie dem Marineschiffbau durch die Bundesregierung müsse auch der Erhalt von Arbeit und Wertschöpfung in Deutschland einhergehen. "Uns geht es dabei auch um die Sicherung von Tarifverträgen und Mitbestimmung, für die der überwiegende Teil der Unternehmen der Branche steht."
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