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Ministerium für Justiz und Gesundheit : Thema: Ministerien & Behörden

Prof. Dr. Kerstin von der Decken

Ministerin für Justiz und Gesundheit

Landtag:Für Rechtsstaatlichkeit in der gesamten EU Drs. 19/2626 (Antrag der Fraktion der SPD)

Rede anlässlich der Landtagssitzung am 11. Dezember 2020 zu TOP 29

Letzte Aktualisierung: 10.12.2020

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident,

meine Damen und Herren Abgeordnete,

das Thema Rechtsstaatlichkeit liegt mir aufgrund meiner Zuständigkeit als Justiz- und Europaminister besonders am Herzen. Ich hatte deshalb den ersten Rechtsstaatsbericht der EU-Kommission mit Spannung erwartet. Der Ende September veröffentlichte Bericht enthält eine Bestandsaufnahme der jüngsten Entwicklungen in den Mitgliedstaaten, und zwar mit Blick auf die Unabhängigkeit der Gerichte, die Korruptionsbekämpfung sowie die Medienfreiheit und -vielfalt. 

Auf der Grundlage dieses Berichts wird es fortan regelmäßige Aussprachen im Rat geben – sowohl zur Lage der Rechtsstaatlichkeit der EU im Allgemeinen als auch zur spezifischen Situation in allen Mitgliedstaaten. Unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wurde mit diesem neuen Dialog bereits begonnen.  

Ich selbst habe den neuen Bericht der EU-Kommission zum Anlass genommen, um mit Vertretern aus Justiz, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der EU zu erörtern. Für mich ist klar - und das wurde auch bei unserer Diskussionsveranstaltung Ende Oktober in Kiel deutlich:

Die Zielsetzung des neuen Rechtsstaatsmechanismus ist richtig. Wir müssen in der EU den Dialog über Rechtsstaatlichkeit vertiefen. Erstens darüber, was Rechtsstaatlichkeit ausmacht.Denn es ist offensichtlich, dass dieser Grundwert unterschiedlich interpretiert wird – sei es aufgrund verschiedener Rechtstraditionen oder auch aus historischen Gründen.

Zweitens brauchen wir einen Austausch darüber, welche Entwicklungen in den Mitgliedstaaten die Kernelemente von Rechtsstaatlichkeit berühren. Eine gegenseitige „Beschau“ unter allen 27 Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Rechtsstaatsberichts der EU-Kommission kann hierfür nur hilfreich sein. Denn wir müssen mit Offenheit und Ehrlichkeit in diesen Dialogprozess eintreten. Das heißt, dass wir bei der Beurteilung weder nationale Maßstäbe anlegen noch einzelnen Mitgliedstaaten eine Sonderbehandlung zukommen lassen dürfen.

Und dass wir auch in Deutschland genau hinschauen müssen, wie es hierzulande um die Rechtsstaatlichkeit steht. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass die Aussprache im Rat zu den einzelnen Länderkapiteln des Berichts einen Erkenntnisgewinn für alle Mitgliedstaaten mit sich bringen wird. Und dass das neue Dialogformat die Chance bietet, voneinander zu lernen und Herausforderungen frühzeitig zu erkennen.Klar ist aber auch: Der neue Rechtsstaatsmechanismus kann mit seinem präventiven Charakter lediglich eine Ergänzung der reaktiven Instrumente sein.

Das heißt: Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit müssen auch weiterhin mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgt werden. Dazu gehört neben den Vertragsverletzungsverfahren und den Artikel 7-Verfahren – voraussichtlich - demnächst auch die Rechtsstaatskonditionalität, um künftig die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien in den Mitgliedstaaten bei der Vergabe von EU-Mitteln berücksichtigen zu können. Die Landesregierung hat sich stets für eine starke Rechtsstaatskonditionalität ausgesprochen. 

Ich habe deshalb den zunächst  zwischen Rat und Europäischem Parlament erzielten Kompromiss für einen Konditionalitätsmechanismus sehr begrüßt. Ich verhehle daher nicht, dass die gestern Abend auf dem Europäischen Rat erzielte Einigung mit Ungarn und Polen über „Anwendungshinweise“ zu diesem neuen Mechanismus hinter dem zurückbleibt, was wir innerhalb der Landesregierung als sinnvoll zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit erachtet haben. Ich hätte mir insbesondere einen weiteren Anwendungsbereich gewünscht.

Damit die Konditionalitätsregelung eben nicht nur Rechtsstaatsverstöße mit negativen Auswirkungen auf die finanziellen Interessen der EU erfasst. 

Doch der neue Konditionalitätsmechanismus ist noch nicht ganz in trockenen Tüchern. Einige EU-Parlamentarier, die dem Gesamtpaket aus künftigem Mehrjährigen Finanzrahmen, Corona-Wiederaufbauprogramm und Konditionalitätsmechanismus noch zustimmen müssen, haben bereits ihren Unmut über die gestern von Staats- und Regierungschefs vereinbarten „Anwendungshinweise“ zur Rechtsstaatskonditionalität kundgetan.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die EU-Kommission hat mit ihrem ersten Rechtsstaatsbericht aufgezeigt, dass die Rechtsstaatlichkeit in der EU – trotz zahlreicher positiver Entwicklungen – zunehmend unter Druck gerät.

Wir sollten deshalb jetzt gemeinsam alles daransetzen, den neuen Rechtsstaatsmechanismus mit Leben zu erfüllen. Hierbei darf es aus meiner Sicht jedoch nicht bleiben. Wir sollten zugleich den Blick nach vorne richten. Und die bevorstehende Konferenz zur Zukunft Europas nutzen, um über Möglichkeiten zu diskutieren, wie sich die etablierten Sanktionsmechanismen, insbesondere das Artikel 7-Verfahren, effektiver gestalten lassen. ertragsänderungen dürfen dabei kein Tabuthema sein. Die Landesregierung wird sich auch in diese Debatte aktiv einbringen. 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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