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Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht : Thema: Gerichte & Justizbehörden

Das Land Schleswig-Holstein hat keine Gesetzgebungszuständigkeit für ein wasserrechtliches Fracking-Verbot

Letzte Aktualisierung: 06.12.2019

Dies hat das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht mit seinem heute ver­kündeten Urteil (Az. LVerfG 2/18) entschieden. Das Urteil ist in einem Verfahren über die Zulässigkeit der „Volksinitiative zum Schutz des Wassers“ ergangen.

Die Volksinitiative will einige Änderungen des Landeswassergesetzes und des Landes­verwaltungsgesetzes erreichen. Insbesondere geht es ihr um die Schaffung einer neuen Vorschrift, § 7a Landeswassergesetz, die ein vollständiges Verbot von Fracking regeln soll. Der Landtag hatte die Volksinitiative zwar hinsichtlich anderer beabsichtigter Rege­lungen für zulässig, hinsichtlich der beabsichtigten Einführung des Frackingverbots in § 7a Landeswassergesetz jedoch für unzulässig erklärt. Dabei ging der Landtag davon aus, dass das Land Schleswig-Holstein keine Gesetzgebungskompetenz für diese Re­gelung habe. Dagegen hat sich die Volksinitiative mit dem Verfahren vor dem Landes­verfassungsgericht gewandt.

Soweit der Landtag die Volksinitiative für zulässig erklärt hat, hat diese nunmehr die Durchführung eines Volksbegehrens beantragt und sammelt derzeit Unterschriften; dieses Volksbegehren ist nicht Gegenstand des heute vom Landesverfassungsgericht entschiedenen Verfahrens. In der Entscheidung geht es auch nicht um das Für und Wider von Fracking. Vielmehr hat sich das Landesverfassungsgericht erstmals mit dem Prüfungsumfang bezüglich der Zulässigkeit von Volksinitiativen beschäftigt. Es ging dabei zum einen um die Frage, ob das Land Schleswig-Holstein die Kompetenz hat, durch ein Landesgesetz im Wasserrecht Fracking generell zu verbieten. Zum anderen hat das Landesverfassungsgericht die Frage beantwortet, wann und in welchem Umfang es die Landeskompetenz überprüft, wenn der Volksgesetzgeber einen entsprechenden Gesetzentwurf für das Land auf den Weg gebracht hat.

Soweit der Landtag nach Art. 48 Abs. 3 Landesverfassung (im Folgenden: LV) über die Zulässigkeit einer Volksinitiative entscheide, habe er zu prüfen, ob die Volksinitiative einen Gegenstand der politischen Willensbildung in der Entscheidungszuständigkeit des Landtages betreffe; dies umfasse auch die Prüfung der Verbandskompetenz des Landes Schleswig-Holstein. Dasselbe gelte für das Landesverfassungsgericht in Verfahren der vorliegenden Art. Es sei daher bereits in diesem Verfahren betreffend die Zulässigkeit der Volksinitiative – und nicht erst in einem späteren Stadium der Gesetzgebung oder erst nach Inkrafttreten des Gesetzes in einem Normenkontrollverfahren – zu prüfen, ob ein Gesetzentwurf der Zuständigkeit des Bundes- oder des Landesgesetzgebers unterfalle. Dies stehe nicht im Widerspruch zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: GG). Vielmehr gehe Art. 100 Abs. 3 GG gerade davon aus, dass auch die Auslegung des Grundgesetzes – mithin auch die Frage der Verbandskompetenz – Gegenstand der Rechtsfindung des Verfassungsgerichts eines Landes sein könne.

Der Schleswig-Holsteinische Landesgesetzgeber habe keine Zuständigkeit für die von der Volksinitiative begehrte Regelung eines § 7a Landeswassergesetz, durch den Fracking umfassend verboten werden sollte.

Gemäß Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit nicht dem Bund durch das Grundgesetz Gesetzgebungsbefugnisse verliehen sind. Der von der Volksinitiative vorgeschlagene § 7a Landeswassergesetz falle in den Bereich der konkur­rierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet des Wasserhaushaltsrechts (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG). Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Der Bund habe jedoch zu den Fragen des Frackings mit dem im Jahr 2017 in Kraft getretenen „Gesetz zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie“ von seiner Gesetzgebungszuständigkeit umfassend Gebrauch gemacht und dazu eine abschließende Regelung getroffen (siehe insbesondere die Neuregelungen in § 9 Abs. 2 Nr. 3 und 4 sowie § 13a Wasserhaushaltsgesetz). Der vorgeschlagene § 7a Landeswassergesetz weiche von dieser Regelung ab.

Das Land Schleswig-Holstein habe keine Regelungskompetenz nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 GG, weil der vorgeschlagene § 7a Landeswassergesetz von einer stoffbezogenen Bundesregelung abweiche, die ihrem Hauptzweck nach dazu diene, den Umgang mit bestimmten Stoffen als eine mit dem Fracking verbundene Gefahr für das Grundwasser zu regeln.

Das Urteil ist einstimmig ergangen.

Anlage

Entwurf von § 7a Landeswassergesetz

  • 7a Verbot von Fracking (abweichend von § 13a WHG):

         Eine Erlaubnis für eine Gewässerbenutzung nach § 9 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Wasserhaushaltsgesetzes ist zu versagen, wenn Gestein zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas oder Erdöl aufgebrochen werden soll. Für die übrigen Fälle des § 9 Absatz 2 Nummer 3 und 4 bleibt § 13a des Wasserhaushaltsgesetzes unberührt.

 

Maßgebliche Vorschriften

Verfassung des Landes Schleswig-Holstein (LV)

Artikel 48 – Initiativen aus dem Volk

(1)    Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, den Landtag im Rahmen seiner Entscheidungszuständigkeit mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung zu befassen. Einer Initiative kann auch ein mit Gründen versehener Gesetzentwurf zugrunde liegen; er darf den Grundsätzen des demokratischen und sozialen Rechtsstaates nicht widersprechen. Die Initiativen müssen von mindestens 20.000 Stimmberechtigten unterzeichnet sein. Ihre Vertreterinnen und Vertreter haben das Recht auf Anhörung.

(2)    Initiativen über den Haushalt des Landes, über Dienst- und Versorgungsbezüge sowie über öffentliche Abgaben sind unzulässig.

(3)    Über die Zulässigkeit der Initiative entscheidet der Landtag.

(4)    Das Nähere regelt ein Gesetz.

 

 

 

Gesetz über Initiativen aus dem Volk, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz – VAbstG)

  • 8 Entscheidung über die Zulässigkeit

(1)    Die Volksinitiative ist unzulässig, wenn sie

  1. den Anforderungen des Artikels 48 Absatz 1 und 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein oder
  2. den Antragsvoraussetzungen nach § 6 nicht entspricht oder
  3. innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Antragstellung ein Volksbegehren über eine inhaltlich gleiche Vorlage erfolglos durchgeführt worden ist.

(2)    Die Prüfung der im Absatz 1 genannten Voraussetzungen obliegt dem Landtag, der sich dabei der Amtshilfe des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten bedienen kann. Die Meldebehörden bescheinigen die Stimmberechtigungsnachweise kostenfrei.

(3)    Der Landtag entscheidet innerhalb von vier Monaten nach Eingang des Antrages über die Zulässigkeit der Volksinitiative. Die Entscheidung ist zu begründen, wenn der Antrag auf Behandlung der Vorlage abgelehnt wird. Sie ist den Vertrauenspersonen zuzustellen und bekannt zu machen.

 

  • 9 Rechtsmittel

(1)    Hält der Landtag die Volksinitiative nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 für unzulässig, können die Vertrauenspersonen gegen die ablehnende Entscheidung binnen eines Monats nach Zustellung des Landtagsbeschlusses das Landesverfassungsgericht anrufen.

(2)    Hält der Landtag die Volksinitiative nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 für unzulässig, ist für die Vertrauenspersonen der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

 

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)

Art. 72 Konkurrierende Gesetzgebung

(1)    (…)

(2)    (…)

(3)    Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

  1. - 4. (…);
  2. den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
  3. (…).

         (…)

(4)    (…)

 

Art. 74 Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung

(1)    Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

  1. – 10. (…);
  2. das Recht der Wirtschaft (Bergbau, <…>) (…);
  3. - 31. (…);
  4. den Wasserhaushalt;
  5. (…).

(2)    (…)

Verantwortlich für diese Presseinformation: VRi’in OVG Birgit Voß-Güntge, Pressereferentin |Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht | Brockdorff-Rantzau-Straße13 | 24837 Schleswig | Telefon 04621 86-1511 | Telefax 04621 86-1499 | E-Mail presse@lverfg.landsh.de

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