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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht und Sozialgerichte : Thema: Gerichte & Justizbehörden

Lang geplante Liebeshochzeit oder Versorgungsehe – Anspruch auf Witwenrente

Letzte Aktualisierung: 29.03.2019

Urteil SG Itzehoe Az.: S 19 R 1/15  (PDF, 393KB, Datei ist barrierefrei)

Eine Hochzeit kurz vor dem Tod: Hat die Witwe Anspruch auf eine Witwenrente?

DER FALL

Seit 2009 sind Frau K. und Herr B. ein Paar. Sie haben sich im Jahr zuvor bei Freunden auf einer Gartenparty kennengelernt. Im Jahr 2012 kaufen beide gemeinsam ein Haus im Norden und ziehen auf Wunsch von Herrn B in seine Heimat Schleswig-Holstein.

Im Mai 2013 muss sich Herr B., gerade 62jährig, einer Herz-OP unterziehen, von der er sich nicht mehr erholen soll. Lange ist unklar, warum er nicht wieder auf die Beine kommt. Nach mehreren Monaten im Krankenhaus ergeben zwei Anfang November 2013 durchgeführte CTs die Verdachtsdiagnose Bronchial-Karzinom, also Krebs. Dieser ist schon so weit fortgeschritten, dass eine Behandlung nicht mehr durchgeführt werden soll.

Am 19. November 2013 heiratet das Paar im Rahmen einer Nottrauung im Krankenhaus am Bett von Herrn B. Ein Arzt bestätigt der Standesbeamtin am selben Tag, dass Herr B. an einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung leidet.

Mitte Dezember wird Herr B. noch in ein anderes Krankenhaus verlegt, das über bessere Untersuchungsmethoden für Krebspatienten verfügt. Dort wird die Diagnose bestätigt und Herr B. zur Palliativbehandlung (Schmerzbehandlung) in die vorherige Klinik zurückverlegt, wo er am 3. Januar 2014 stirbt.

Frau K. beantragt bei der Deutschen Rentenversicherung eine Witwenrente. Diese wird abgelehnt, da die Ehe noch kein Jahr gedauert habe. Es seien auch keine besonderen Umstände ersichtlich, wonach davon auszugehen sei, dass die Heirat nicht vor allem eine Hinterbliebenenversorgung habe begründen sollen.

Dagegen klagt Frau K. vor dem Sozialgericht. Sie macht geltend, dass sie zum Zeitpunkt der Eheschließung noch gar nichts von der Krebserkrankung gewusst hätten. Diese sei ihnen erst nach der Diagnose im Spezialkrankenhaus mitgeteilt worden. Sie und ihr Mann hätten bereits 2012 heiraten wollen. Wegen des Hauskaufs und später der Erkrankung ihres Mannes hätten sie die Hochzeit aber auf später verschoben. Es sei der ausdrückliche Wunsch ihres Mannes gewesen, trotz der Erkrankung zu heiraten, um allem gemeinsam entgegenzutreten. Dass die Krankheit lebensbedrohlich war, hätten sie da noch nicht gewusst.

DIE ENTSCHEIDUNG

Das Sozialgericht Itzehoe hat die Klage von Frau K. abgewiesen. Zwar kam ein eingeholtes Sachverständigen-Gutachten zu dem Ergebnis, dass das Paar möglicherweise erst Mitte Dezember 2013, also erst nach der Hochzeit, über die konkrete Krebsdiagnose informiert worden sei. Das Sozialgericht ging dennoch davon aus, dass der Klägerin und ihrem verstorbenen Mann bewusst war, dass Herr B. zum Zeitpunkt der Hochzeit nicht mehr lange zu leben hatte. Dass die Eheschließung wenige Tage nach der Diagnose der tödlichen Krebserkrankung beantragt wurde und dass eine Nottrauung im Krankenhaus durchgeführt wurde, weise darauf hin, dass das Paar um die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung gewusst habe. Die Schwere der Erkrankung sei schließlich auch für die Nottrauung vom Arzt nochmals schriftlich bestätigt worden. Zwar glaubte das Gericht der Klägerin, dass das Paar auch schon früher Heiratspläne hatte. Es gebe aber keine äußeren Umstände, die begründen könnten, dass die Hochzeit am 19. Dezember 2013 nicht im Hinblick auf die Versorgung der Klägerin stattgefunden habe.

Das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe ist bislang noch nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Dort wird der Fall nochmals verhandelt und entschieden werden.

DAS RECHT

Grundsätzlich hat jemand, dessen Ehepartner stirbt, Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente, wenn der Ehepartner die allgemeine Wartezeit in der Rentenversicherung von 5 Jahren erfüllt hat. Das ist geregelt in § 46 SGB VI. Das Gesetz unterscheidet in eine kleine Witwenrente, die lediglich für zwei Jahre gezahlt wird und nur einen Zuschuss zum Unterhalt darstellt und eine große Witwenrente, die den Unterhalt durch den verstorbenen Partner ersetzen soll. Der Anspruch auf eine große Witwenrente setzt voraus, dass entweder ein Kind unter 18 Jahren erzogen wird oder die Witwe oder der Witwer bereits 47 Jahre alt oder erwerbsgemindert ist. Heiratet die Witwe oder der Witwer wieder, erlischt der Anspruch.

Allerdings ist der Anspruch auf die Rente nach § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen, wenn die Ehe noch nicht einmal ein Jahr gedauert hat. Das Gesetz vermutet dann, dass es sich lediglich um eine Versorgungsehe gehandelt hat, also dass die Ehe geschlossen wurde, um nach dem Tod die Rente zu bekommen. Wenn jedoch besondere Umstände vorliegen, nach denen anzunehmen ist, dass der Anspruch auf Rente nicht der einzige oder der überwiegende Zweck der Ehe war, kann diese Vermutung auch widerlegt werden. Die Rente wird dann doch gewährt, obwohl die Ehe nur kurz gedauert hat.

Wann solche besonderen Umstände vorliegen, steht nicht im Gesetz. Es muss von den Gerichten entschieden werden. Von besonderer Bedeutung ist dafür z.B. wie schwer der Betroffene erkrankt war, also wie sicher oder wahrscheinlich der nahe Tod zum Zeitpunkt der Heirat war. Je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit bei der Eheschließung war, desto gewichtiger müssten andere Umstände sein, die auf eine Heirat unabhängig von der Rente hinweisen. Konkrete Heiratspläne schon zu einem früheren Zeitpunkt vor der Erkrankung können z.B. auf solche anderen Gründe hinweisen. Allerdings wird es in den meisten Fällen nicht reichen, einfach zu behaupten, man habe ja schon früher heiraten wollen. Hier müssten die Heiratspläne schon irgendwie nach außen erkennbar geworden sein. Um das zu ermitteln, kann es vorkommen, dass das Gericht z.B. Zeugen vernimmt, die an den Hochzeitsplänen beteiligt waren oder Urkunden beim Standesamt einholt, wenn etwa die Eheschließung schon zu einem früheren Zeitpunkt beantragt wurde. Auch wenn das Gericht eine Versorgungsehe annimmt, heißt das übrigens nicht, dass unterstellt wird, dass die Partner sich nicht geliebt haben; insoweit ist die Versorgungsehe von einer bloßen Scheinehe zu unterscheiden. Der Grund konkret für die Hochzeit wird aber überwiegend in der Versorgung gesehen.

Hat ein Kläger oder ein Beklagter vor dem Sozialgericht verloren und ist nicht mit der Entscheidung einverstanden, kann er das Urteil vor dem Landessozialgericht anfechten. Er muss dafür Berufung gegen das Urteil einlegen. Zulässig ist das jedoch nur, wenn um Streitwerte von mehr als 750 € gestritten wird oder es um laufende Leistungen für mehr als ein Jahr geht. Wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Gericht von der Rechtsprechung eines höheren Gerichts abweicht, muss es die Berufung auch bei geringeren Streitwerte zulassen. Das Landessozialgericht entscheidet dann über die Sache ganz neu und kann dafür auch eigene Ermittlungen zur Feststellung des Sachverhalts anstellen. Sollte der Betroffene jedoch auch mit der Entscheidung des Landessozialgerichts nicht einverstanden sein, kann er gegenüber dem Bundessozialgericht nur noch geltend machen, dass das Recht nicht richtig angewandt wurde. Eine weitere sog. Tatsacheninstanz gibt es nicht. Die Revision zum Bundessozialgericht ist unabhängig vom Streitwert auch nur zulässig, wenn das Landessozialgericht diese zulässt.

 

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