Navigation und Service

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht und Sozialgerichte : Thema: Gerichte & Justizbehörden

Schenkungsrückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers

Letzte Aktualisierung: 22.02.2019

Urteil SG Lübeck AZ: S 31 SO 245/16  (PDF, 305KB, Datei ist barrierefrei)

„Lieber mit warmer Hand schenken als mit kalter" – Eine Situation, die es in vielen Familien gibt: Die Eltern überlassen ihren Kindern ihr Hausgrundstück in Form einer vorweggenommenen Erbschaft. Später werden die Eltern sozialhilfebedürftig, weil sie die Kosten für ein Pflegeheim nicht aufbringen können. Der Sozialhilfeträger macht geltend, dass die Schenkung rückgängig gemacht werden muss und leitet den Schenkungsrückforderungsanspruch auf sich über, um ihn selbst gegenüber den Kindern durchzusetzen.

DER FALL

Die Eltern des Klägers übertragen ihm 2006 ihr Haus im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Dabei vereinbaren sie für sich ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht im Haus. Den Wert des Hauses geben sie mit 100.000 € an, den des Wohnrechts mit 400 € monatlich. Mit 26.000 € ist das Grundstück belastet.  

2011 ziehen die Eltern gemeinsam in ein Pflegeheim, das sie aber bald nicht mehr selbst bezahlen können. Der Sozialhilfeträger übernimmt die Kosten für das Heim. Die Mutter stirbt kurze Zeit später.

2015 wendet sich der Sozialhilfeträger an den Kläger: Die Übertragung des Hauses sei eine Schenkung der Eltern gewesen. Der Vater sei nun verarmt und habe daher einen Anspruch darauf, die Schenkung rückgängig zu machen. Diesen angenommenen Schenkungsrückforderungsanspruch leitet der Sozialhilfeträger auf sich über, um ihn anschließend gegenüber dem Kläger geltend zu machen.

Der Kläger geht mit Widerspruch und Klage gegen diese Überleitung vor. Er ist der Auffassung, das Haus sei wirtschaftlich nichts wert gewesen, da vom Wert des Hauses in Höhe von 100.000 € im Jahr 2006 einerseits die Belastung von 26.000 € und andererseits der Wert des Wohnrechts abzuziehen seien. Das Wohnrecht sei angesichts der damals mit 63 bzw. 66 Jahren noch recht jungen Eltern mindestens mit 100.000 € anzusetzen. Es ergebe sich also sogar ein negativer Wert. Außerdem sei kein Schenkungswille auf Seiten seiner Eltern anzunehmen gewesen.

Der Sozialhilfeträger holt ein Gutachten über den Wert des Hauses ein. Er ist der Auffassung, dass es auf den Wert im Jahr 2012 ankomme, als die Sozialhilfeleistungen begonnen haben. 2012 sei das Haus 152.000 € wert gewesen. Der Wert des Wohnrechts sei mit 62.000 € abzusetzen. Ebenso die Belastungen von 26.000 €. Es verbleibe also ein positiver Wert.  

DIE ENTSCHEIDUNG

Das Sozialgericht hat die Überleitung des Schenkungsrückforderungsanspruchs als rechtmäßig angesehen und die Klage abgewiesen.

Es war zwar wie der Kläger der Auffassung, dass es auf den Wert des Hauses zum Zeitpunkt der Überlassung, also im Jahr 2006, ankommt. Wie hoch der Wert des Hauses aber zu diesem Zeitpunkt tatsächlich war und ob überhaupt eine Schenkung vorlag, müsse letztlich vor einem Zivilgericht geklärt werden, wenn der Sozialhilfeträger die Zahlung gegenüber dem Kläger geltend macht. Voraussetzung für die Überleitung eines Anspruchs im Sozialhilferecht sei nur, dass der Anspruch möglich ist. Ob und in welcher Höhe er tatsächlich besteht, sei dann im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens zu klären.

DAS RECHT

Der Schenkungsrückforderungsanspruch ist in den §§ 528 und 529 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Wer etwas verschenkt und innerhalb der nächsten 10 Jahre entweder seinen eigenen Unterhalt nicht mehr decken kann oder einer gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht mehr nachkommen kann, kann das Geschenkte oder zumindest den Wert des Geschenkes zurückverlangen. Ausgeschlossen ist dies jedoch, wenn der Betroffene seine Bedürftigkeit selbst vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat oder wenn der Beschenkte dadurch selbst bedürftig würde.

Problematisch ist, dass sich in sehr vielen Fällen der Schenker und der Beschenkte sehr nahestehen und der Schenker seinen Rückforderungsanspruch oft gar nicht durchsetzen möchte. Manchmal, wie hier, ist auch nicht auf den ersten Blick klar, ob der Anspruch überhaupt erfolgreich geltend gemacht werden kann, z.B. weil der Wert des Geschenkes nicht ohne weiteres beziffert werden kann oder weil nicht klar ist, ob der Beschenkte noch in der Lage ist, den Gegenstand oder den Wert wieder zurückzugeben.

In diesen Fällen kann der Sozialhilfeträger dem hilfebedürftigen Schenker die Sozialhilfeleistungen nicht einfach verweigern. Er hat aber die Möglichkeit, den Schenkungsrückforderungsanspruch auf sich überzuleiten und sich dann selbst um die Durchsetzung des Anspruchs zu kümmern. Im Zweifel muss er dafür vor dem Amts- oder Landgericht klagen. Er trägt dann selbst das Risiko, ob er die Klage gewinnt und ob der Anspruchsgegner ggf. auch zahlen kann.

Dieser Übergang von Ansprüchen ist in § 93 SGB XII geregelt und betrifft nicht nur Schenkungsrückforderungsansprüche, sondern alle Ansprüche, die Leistungsberechtigte gegenüber anderen Personen haben können, also z.B. auch aus Miet- oder Darlehensverträgen.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link:

Datenschutz

Auswahl bestätigen

Mastodon