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Thema : Landesgeschichte

Schleswig-Holstein -
Ehemaliger Grenzübergang Schlutup

Leben an der deutsch-deutschen Grenze: Jahrzehntelang ging es für die Bewohner von Schlutup nur in eine Richtung: nach Westen. Denn der Ortsteil der Hansestadt Lübeck lag direkt an der Grenze zur DDR. Der Mauerfall machte das "Dorf hinterm Wald" für einige Zeit zum Nabel der Welt.

Letzte Aktualisierung: 26.10.2022

Als Horst Schwanke am 9. November 1989 zu seinem gewohnten Abendspaziergang aufbricht, ahnt er nicht, dass er kurze Zeit später als einer der ersten Lübecker einen DDR-Bürger in Schlutup begrüßen würde. Er wandert wie fast jeden Abend von seinem Haus zur wenige hundert Meter entfernten Grenzübergangsstelle Schlutup und wundert sich über die ungewöhnliche Stille dort. "Wenig später näherte sich von Osten her ein seltsames Knattern, und im grellen Scheinwerferlicht der Grenze tauchte der erste Trabi auf. Kurz darauf kam noch einer und noch einer und mit einem Mal riss der Strom nicht mehr ab", erinnert sich der Schlutuper.

Folgenschwere Pressekonferenz der SED

Schwanke hatte an dem Abend keine Fernsehnachrichten gesehen und kein Radio gehört, wusste also nichts von der folgenschweren Pressekonferenz, auf der das SED-Politbüromitglied Günter Schabowski die neuen Reiseregelungen für DDR-Bürger verkündet hatte. "Ich war schon wieder auf dem Heimweg, als ich am Markt eine Gruppe BGS-Beamter sah, die Richtung Grenze fuhren. Das kam mir komisch vor, deshalb ging ich noch mal zurück. Kurz darauf ging es dann los", erzählt der Heimatforscher.

Vom "Dorf hinterm Wald" zum Nabel der Welt

"Von dem Tag an war alles anders in Schlutup, wir wurden vom Dorf hinterm Wald zum Nabel der Welt", erinnert sich der Mann, der 1941 in dem seit 1913 zu Lübeck gehörenden Ortsteil geboren wurde.

Bis 1949: Verbundenheit mit den Nachbarn

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs habe Schlutup gewachsene Verbindungen zum benachbarten Mecklenburg gehabt, die Grundstücke vieler Schlutuper lagen auf Mecklenburger Gebiet, sagt der Heimatkundige. "Auch mein Onkel hat bis 1948 oder 1949 noch seinen Garten in Mecklenburg bestellt. Eines Tages sagte er dann empört, er könne nicht mehr dorthin, weil ihm ein russischer Soldat seine goldene Uhr gestohlen habe", berichtet Schwanke.

Unheimliche Ruhe am Grenzübergang

Als dann die Grenze geschlossen wurde, kehrte Ruhe in Schlutup ein. "Es war mitunter fast unheimlich hier. Wenn wir an der Grenze spazieren gegangen sind, wurden wir oft von den Grenzaufklärern der DDR fotografiert. Abgesehen von den Mülllastern, die seit 1981 über den Übergang Schlutup zur Mülldeponie Schönberg fuhren, war hier so wenig los, dass die Kinder unbesorgt auf der Straße spielen konnten", erinnert sich Ehefrau Traute.

Ein weißer Trabi wird von Bürgern am Straßenrand begrüßt. Im Hintergrund ist ein Schleswig-Holstein-Schild zu sehen.
Lübecker begrüßen nach dem Mauerfall die Bürger aus dem Osten Deutschlands.

10. November 1989: Freudiger Ausnahmezustand

Damit war es spätestens vom 10. November 1989 an vorbei. "Die Trabis knatterten durch den Ort in Richtung Lübeck, und die Lübecker strömten nach Schlutup, um die DDR-Bürger zu begrüßen. Hier herrschte Ausnahmezustand", erinnert sich Schwanke. Nach wenigen Wochen sei die Stimmung jedoch gekippt. "Die Straßen waren fast rund um die Uhr verstopft, die Luft war zum Schneiden. Kein Mensch hat mehr das Obst und Gemüse aus den offenen Auslagen vor den Läden gekauft aus Angst vor Schadstoffen, und in den Geschäften wurden die Waren knapp, weil die Lieferanten nicht mehr durchkamen" sagt Schwanke. Seine Frau, die damals an der Ostseeküste arbeitete, ergänzt: "An einem Abend war der Stau so lang, dass ich mein Auto stehengelassen habe und in eisiger Kälte vier Kilometer auf hochhackigen Schuhen zu Fuß nach Hause gelaufen bin, weil einfach gar nichts mehr ging."

Dankbar für die Wiedervereinigung

Trotz allem ist das Ehepaar froh, das alles so gekommen ist. "Die Wendezeit war spannend und aufregend, es war ein totaler Umbruch. Wir haben nie ernsthaft mit der Wiedervereinigung gerechnet und sind dankbar, dass wir das so hautnah miterleben durften", sagt Horst Schwanke.

Quelle: (Eva-Maria Mester, dpa)

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