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Thema : Landesgeschichte

Schleswig-Holstein -
Der Weg in die Bundesrepublik

Schleswig-Holstein war das erste Land der Bundesrepublik, das sich eine Verfassung gab.

Letzte Aktualisierung: 24.10.2022

Schleswig-Holstein nach dem Krieg

8. Mai 1945: Der Zweite Weltkrieg endete mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches. Von der stolzen Marinestadt Kiel und der Hansestadt Lübeck waren nur noch Trümmerlandschaften übrig geblieben. Zwar hatte Schleswig-Holstein im Vergleich zum restlichen Deutschland weniger gelitten, aber die Kriegsfolgen machten der ehemaligen preußischen Republik schwer zu schaffen. Seit Anfang 1945 strömten Flüchtlingen in Massen ins Land. Im Oktober 1946 lebten fast 2,7 Millionen Menschen in Schleswig-Holstein - 63 Prozent mehr als noch im Jahr 1939. Kein anderes späteres Bundesland Deutschlands hatte durch Flüchtlinge einen solchen Bevölkerungszuwachs zu bewältigen.

Hunger und Not

Die Menschen lebten am Existenzminimum. Die miserable Ernte im Herbst 1945 verschlechterte die Situation noch weiter und auch das Jahr 1946 brachte keine Entspannung. Große Teile der Bevölkerung waren unterernährt, viele krank und zu schwach zum Arbeiten.
Ähnlich miserabel war die Wohnraumsituation. In den Städten gab es kaum noch Wohnraum und auch auf dem Land wurde er knapp. Wohnwagen, Schiffe, Bunker, Ställe und Schuppen, Gebäudereste oder Lauben: Jedes Dach über dem Kopf wurde genutzt, auch wenn viele Quartiere wenig Schutz vor Feuchtigkeit, Kälte im Winter oder Hitze im Sommer boten. Zum Symbol für das Elend in den Flüchtlingslagern aber gerieten die Nissenhütten mit ihrer typisch halbrunden Form. Die Engländer hatten die Wellblechhütten, die sie vorher zumeist in den afrikanischen Kolonialgebieten eingesetzt hatten, als Notunterkünfte nach Deutschland gebracht.

Eine provisorische Wellblechhütte als Unterkunft. Vor dieser liegt zahlreicher Schutt auf dem Boden.
In Nissenhütten lebten nach Ende des Krieges zahlreiche Vertriebene im Land, wie hier in Kiel.

Die Besatzungsmacht

Schleswig-Holstein gehörte wie ganz Nord- und Westdeutschland zur britischen Besatzungszone. Vor den katastrophalen Lebensverhältnissen konnte und wollte die Besatzungsmacht nicht die Augen verschließen. Der Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte, Feldmarschall Montgomery, verkündete bereits im Juni 1945, es sei die vorrangige Aufgabe der Militärregierung, für Nahrung, Unterkunft und Gesundheit der Bevölkerung zu sorgen.

Neue Parteien und Landesverwaltung

Die britische Besatzungsmacht wollte nicht nur die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Sie wollte die Grundlagen für die Entwicklung einer neuen demokratischen Ordnung schaffen. Zunächst wurde nur die Führungsebene der schleswig-holsteinischen Verwaltung ausgetauscht, damit diese nicht völlig lahm gelegt wurde. Im September 1945 erlaubte die Militärregierung die Bildung politischer Parteien und schuf eine einheitliche Landesverwaltung mit Sitz in Kiel. An deren Spitze wurde im November Theodor Steltzer (CDU) berufen, der bis April 1947 die Landespolitik entscheidend prägte.

Der Provinziallandtag

Im Februar 1946 tagte im Kieler Stadttheater zum ersten Mal der Landtag. Noch war Schleswig-Holstein preußische Provinz, und so trug die Versammlung den Namen Provinziallandtag. Die Mitglieder hatte die Militärregierung aufgrund deutscher Vorschläge ausgewählt und berufen. Wahlen wollten die Briten noch keine zulassen. Die britische Flagge - groß und mächtig am Bühnenvorhang - im Versammlungsraum symbolisierte unmissverständlich die Machtverhältnisse im Land.

"Vorläufige Verfassung"

Der erste Provinziallandtag verabschiedete am 12. Juni 1946 die "Vorläufige Verfassung". Sie beschrieb grob die Grundsätze für den Aufbau der Staatsgewalt und der wichtigsten Behörden. Die Briten erkannten sie nicht an, dennoch diente sie in den nächsten Jahren als Grundlage der politischen Willensbildung und Politikgestaltung in Schleswig-Holstein.

Von der Provinz zum Land Schleswig-Holstein

Im August 1946 erlosch Preußen. Die Briten lösten das Königreich, mit dem sie viele Kriege in Verbindung brachten, auf. Die Ländergrenzen wurden neu gezogen. Obwohl manche Politiker für einen Nordstaat plädierten, blieb Schleswig-Holstein als Gebiet unangetastet. Es trug nun die Bezeichnung "Land".

Erste Wahlen

Die ersten Wahlen seit Ende des Zweiten Weltkriegs fanden im Oktober 1946 statt. An den Urnen bestimmten die Menschen die Mitglieder der Kreistage. Das Ergebnis der Kreistagswahlen wurde zur Grundlage für die Zusammensetzung des zweiten Landtages gemacht. Dieser wurde jedoch weiterhin von den Briten ebenso ernannt wie das Kabinett. Erst am 20. April 1947 durften die Schleswig-Holsteiner ihren Landtag zum ersten Mal frei wählen. Die absolute Mehrheit erhielt die SPD, die damit unter Ministerpräsident Lüdemann die Landesregierung stellte.

Erste Fortschritte

Verschärfung der Versorgungskrise, Wohnraumnot, Überbevölkerung: Die Lage blieb 1947 kritisch. Dennoch wurden die ersten Fortschritte sichtbar. Die britische Besatzungszone verbesserte die Zusammenarbeit mit der amerikanischen. Viele Industriebetriebe wurden neu gegründet, neue Arbeitsplätze geschaffen und auch der Wohnungsbau belebte sich langsam.

Nach der Währungsreform im Juni 1948 entspannte sich zudem die Ernährungssituation, wenngleich die Zahl der Arbeitslosen durch die Rationalisierung in den Betrieben zunächst wieder stieg. Aber langsam entwickelte sich eine Solidarität der Länder und ein Verständnis, dass unterschiedliche Kriegsfolgelasten zwischen den Kriegslasten ausgeglichen werden müssten. Flüchtlinge wurden in großer Zahl umgesiedelt und Notstandsprogramme zeigten erste Erfolge. Doch es sollte noch bis in die späten Fünfzigerjahre dauern, bis die Arbeitslosigkeit beseitigt war. Die Wohnraumnot dauerte noch bis in die frühen 1960er Jahre an.

Der Weg zur Landesverfassung

In einem Plenarsaal hält ein Abgeordeneter eine Rede. Das Plenum und Besucher hören ihm zu. An der Wand ist das Landeswappen zu sehen.
Landtagssitzung im Jahr 1957. Seit 1947 dürfen die Schleswig-Holsteiner den Landtag frei wählen.

Zunächst hatte man in Kiel noch abgewartet, wie sich die verfassungsrechtliche Entwicklung Gesamtdeutschlands gestalten würde und ob Schleswig-Holstein selbst in einem "Nordstaat" aufgehen würde. Doch als der Parlamentarische Rat in Bonn das Grundgesetz für die drei westlichen Besatzungszonen erarbeitet hatte, entwickelte auch Schleswig-Holstein Mitte des Jahres 1949 eine Landesverfassung. Nachdem Ministerpräsident Lüdemann sein Amt im August 1949 zur Verfügung gestellt hatte, folgte ihm der bisherige Landwirtschaftsminister Diekmann nach. Hatten die Briten Lüdemann noch als Ministerpräsidenten ernannt, wurden sie nun nur noch über die Wahl Diekmanns als neuer Regierungschef Schleswig-Holsteins informiert. Die Landesregierung errang zunehmend mehr Selbständigkeit.

Die Landessatzung

Der Landtag stimmt im Dezember 1949 der neuen Verfassung für Schleswig-Holstein zu. Ihre Väter gaben ihr ganz bewusst die Bezeichnung "Landessatzung", um ähnlich wie beim Grundgesetz den vorläufigen Charakter zu betonen. Sie werde ihre Gültigkeit verlieren, erklärte der letzte Artikel der Landessatzung, wenn "die von Schleswig-Holstein erstrebte Neugliederung des Bundesgebiets" - also die Vereinigung Deutschlands - in Kraft trete.

Zu den wichtigsten Merkmalen der Landessatzung gehörten:

  • Das Regierungssystem beruhte auf den Prinzipien der Volkssouveränität und der Gewaltenteilung.
  • Das Bekenntnis zur nationalen Minderheit war frei.
  • Die Bodenreform erhielt Verfassungsrang.
  • Die Position des Ministerpräsidenten wurde gestärkt, weil sie nicht an die Wahlperiode des Landtages gekoppelt war.
  • Auf die Prinzipien des Grundgesetzes wurde ausdrücklich Bezug genommen, ohne diese in Einzelheiten zu wiederholen.
  • Die Wahlperiode eines Landtages umfasste vier Jahre.

Erste Landesverfassung in der BRD

Die Landessatzung trat am 12. Januar 1950 in Kraft. Schleswig-Holstein hatte sich damit als erstes Bundesland nach der Verkündung des Grundgesetzes eine Verfassung gegeben. Obwohl die Landessatzung als Provisorium entworfen war, überdauerte sie ohne größere Veränderungen gut vier Jahrzehnte. Erst 1990 wurde sie grundlegend überarbeitet, die Rechte der Bürger und der Einfluss des Landtages gestärkt. Auch wenn sich die überarbeitete Fassung ausdrücklich als Fortsetzung der Landessatzung verstand, lautete die Bezeichnung jetzt Landesverfassung.

Weitere Informationen

Archive in Schleswig-Holstein

Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte

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