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Thema : Kinder- und Jugendhilfe

Fragen und Antworten zur vorläufigen Inobhutnahme

Hier finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) zur vorläufigen Inobhutnahme

Letzte Aktualisierung: 19.05.2016

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Darf bzw. muss der junge Mensch auch dann in Obhut genommen werden, wenn Zweifel an der Minderjährigkeit bestehen? 

Für die vorläufige Inobhutnahme gelten insoweit die hergebrachten Grundsätze der regulären Inobhutnahme. Es kommt also darauf an, ob der Hilfe leistende Jugendhilfeträger von der Minderjährigkeit ausgehen darf.

Lässt sich eine verlässliche Klärung des Alters nicht sogleich herbeiführen, so hat das Jugendamt im Zweifel, also dann, wenn das Vorliegen von Minderjährigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des jungen Menschen festgestellt ist.[1] 

Auch in der UNHCR-Richtlinie über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger vom Februar 1997 ist festgehalten, dass, wenn man hinsichtlich des Kindesalters auf Schätzungen angewiesen ist (mithin, wenn das genaue Alter des Kindes ungewiss ist), im Zweifel zugunsten des Kindes entschieden werden sollte.[2]

Die Beendigung der Inobhutnahme darf erst erfolgen, wenn die Zweifel an der Minderjährigkeit so offenkundig sind, dass keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für die Minderjährigkeit mehr besteht. Es handelt sich also stets um eine Einzelfallentscheidung.

[1] Vgl. NVwZ-RR 2014, 959 (961) m.w.N..

[2] UNHCR 1997, 5.11 c, S. 32, einsehbar unter: http://www.unhcr.ch/fileadmin/rechtsinfos/fluechtlingsrecht/1_international/1_3_asylverfahren/FR_int_asyl-RL_UMF.pdf

Ist eine Inobhutnahme durch Verwandte rechtlich zulässig?

Für die Inobhutnahme liegt die Primärzuständigkeit stets bei den Jugendämtern Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, den UMA bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform unterzubringen (§ 42 Abs. 1 S. 2). Sofern das Jugendamt den Verwandten als geeignete Person beurteilt, kann der/die UMA bei dieser Person untergebracht werden. Eine sozialpädagogische Ausbildung ist nicht erforderlich.[3]

Die Jugendämter haben grundsätzlich zu prüfen, ob sich eine mit dem UMA verwandte Person im In- oder Ausland aufhält und ggf. auf eine Familienzusammen-führung hinzuwirken, soweit dies dem Kindeswohl entspricht (vgl. § 42a Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 42b Abs. 4 Nr. 3).

Kommt es zu einer Familienzusammenführung mit Personensorge- oder Erziehungsberechtigten des UMA, so endet die Inobhutnahme bzw. die jugendhilfe-rechtliche Zuständigkeit (vgl. auch § 42a Abs. 6). Bei einer Familienzusammenführung mit nicht Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bleibt die Zuständigkeit des Jugendamtes bestehen (vgl. z.B. § 88a Abs. 2  S. 2).

[3] Frankfurter Kommentar/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl., § 42, Rn. 28.

Unter welchen Voraussetzungen sind Verwandte des UMA geeignet, um im Rahmen der Verwandtenpflege den UMA zu betreuen?

Entspricht die Verwandtenpflege des UMA dem Kindeswohl, so ist von einer Geeignetheit der Betreuung durch die Verwandten auszugehen. Hierbei handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung.

Welche Rechte und Pflichten hat das Jugendamt während der vorläufigen Inobhutnahme?  

Neben der Inobhutnahme selbst, der vorläufigen Unterbringung bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform, dem UMA Gelegenheit zu geben unverzüglich eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen, das Wohl des Kindes, den Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen, bestehen folgende Rechte und Pflichten des Jugendamtes:

·       § 42a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 - 4, Erstscreening:

  • Einschätzen, ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde (Nr.1)
  • Einschätzen, ob sich eine mit dem Kind oder Jugendlichen verwandte Person im Inland oder im Ausland aufhält (Nr.2)
  • Einschätzen, ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen UMA erfordert (Fluchtgemeinschaft) (Nr.3)
  • Einschätzen, ob der Gesundheitszustand des Kindes oder des Jugendlichen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Tagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt; hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden (Nr.4)

 Auf Grundlage der obigen Ergebnisse entscheidet das Jugendamt, ob der UMA zur Verteilung angemeldet oder ausgeschlossen wird (§ 42a Abs. 2 S. 2).

Vornahme aller Rechtshandlungen, die zum Wohl des UMA notwendig sind unter Beteiligung des UMA und angemessener Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens der Personen- oder Erziehungsberechtigten (§ 42a Abs. 3).

Innerhalb von 7 Tagen nach der Maßnahme dem Landesjugendamt die vorläufige Inobhutnahme mitzuteilen und die Ergebnisse des Erstscreenings zu übermitteln (§ 42a Abs. 4).

Im Falle der Zuweisung zu einem anderen Jugendamt aufgrund des Verteilungsverfahrens die Begleitung und dessen Übergabe an dieses Jugendamt und die Übermittlung der personenbezogenen Daten an dieses Jugendamt zur Erfüllung der Aufgabe nach § 42 (§ 42a Abs. 5).

Nach welchen Kriterien wird ein UMA von der Anmeldung zur Verteilung ausgeschlossen?

Das Jugendamt, das die vorläufige Inobhutnahme nach § 42a durchführt, hat sich an den Kriterien des Abs. 2 S. 1 Nr. 1 - 4 der Vorschrift zu orientieren  Des Weiteren ist die Durchführung des Verteilungsverfahrens ausgeschlossen, wenn das Verteilungsverfahren nicht innerhalb eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme erfolgt (§ 42b Abs. 4 Nr. 4).

UMA, die innerhalb von zwei Monaten nach vorläufiger Inobhutnahme volljährig werden, sind nach einer zwischen Bund und Ländern getroffenen Absprache ebenfalls nicht zur Verteilung nach § 42b SGB VIII anzumelden.

Ist die Durchführung des Verteilungsverfahrens ausgeschlossen, bleibt das vorläufig in Obhut nehmende Jugendamt weiterhin zuständig; auch für die Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 3.[4]

[4] BT-Drs. 18/5921, S. 25; Kunkel/Kepert, SGB VIII, 6. Aufl., § 42a, Rn. 25.

Sind UMA, die ab dem 01.11.2015 in Obhut genommen worden sind, grundsätzlich zur Verteilung anzumelden, auch wenn der entsprechende Landkreis oder die kreisfreie Stadt seine Quote noch nicht erfüllt hat?

Ja, auch in diesem Fall sind die jeweiligen Jugendämter verpflichtet, die UMA zur Verteilung anzumelden. Eine andere Ansicht findet in den §§ 42a ff. keine Stütze.

Wer führt die Gesundheitsuntersuchung durch und wer sollte mit der Abfassung der ärztlichen Stellungnahme beauftragt werden?

Das Jugendamt hat während der vorläufigen Inobhutnahme einzuschätzen, ob der Gesundheitszustand des UMA die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Tagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt. Das Jugendamt soll hierzu eine ärztliche Stellungnahme einholen (§ 42a Abs. 2 Nr. 4). In der Gesetzesbegründung heißt es, dass in der Regel eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden muss, um auszuschließen, dass die UMA mit ansteckenden Krankheiten verteilt werden und dadurch Dritte gefährden.[5] Die ärztliche Stellungnahme und die ihr zu Grunde gelegte Untersuchung werden dann durch Ärztinnen/Ärzte des Gesundheitsamts oder durch beauftragte Ärztinnen/Ärzte durchgeführt.

[5] BT-Drs. 18/5921, S. 24.

Welchen Umfang sollte die Gesundheitsuntersuchung haben bzw. welche Untersuchungen sollten im Rahmen des Erstscreenings erfolgen (§ 42a Abs. 2 S. 1 Nr. 4)?

Sinn der Gesundheitsuntersuchung nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4  ist es, auszuschließen, dass Kinder und Jugendliche mit ansteckenden Krankheiten verteilt und dadurch Dritte gefährdet werden[6]; hieran orientiert sich der Umfang der Untersuchung. In der Regel muss eine ärztliche Stellungnahme zum Gesundheitszustand des Minderjährigen eingeholt werden, die im Krankheitsfall insbesondere auch eine Aussage zur Dauer der Ansteckungsgefahr enthalten sollte.[7]

Der Ausschluss einer gesundheitlichen Gefährdung des Kindes oder Jugendlichen selbst durch die Verteilung ist Gegenstand der Kindeswohlprüfung nach Nummer 1.[8]

[6] BT-Drs. 18/5921, S. 24.

[7] BT-Drs. 18/5921, S. 24.

[8] BT-Drs. 18/5921, S. 24.

Welchen Umfang muss die ärztliche Stellungnahme gem. § 42a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 haben?

Unbeschadet der Einschätzung der Gesundheitsämter sollte der Umfang des ärztlichen Gutachtens/der ärztlichen Stellungnahme in Anbetracht der Fallzahlen handhabbar sein. Insbesondere ist auf eine Einhaltung der 7-Tagefrist hinzuwirken, § 42a Abs. 4 S.1.

Wer muss die Ergebnisse des Gesundheitschecks bekommen?

Das vorläufig in Obhut nehmende Jugendamt hat die Ergebnisse des Erstscreenings nach § 42a Abs. 2 Satz 1 - ohne Details der Gesundheitsuntersuchung - der Landesverteilstelle im Zuge der Anmeldung des UMA zur Verteilung oder zum Ausschluss vom Verteilungsverfahren mitzuteilen (vgl. § 42a Abs. 4 S. 2).

In der Regel sind die Ergebnisse außerdem im Zuge der Übergabe des UMA nach einer erfolgten Zuweisung dem aufnehmenden Jugendamt mitzuteilen (vgl. § 42a Abs. 5 S. 1 Nr. 2).

Darf bzw. muss der junge Mensch auch dann in Obhut genommen werden, wenn Zweifel an der Minderjährigkeit bestehen? 

Wie ist zu verfahren, wenn ein UMA vorläufig in Obhut genommen wird, es sich aber herausstellt, dass er bereits vor dem 01.11.2015 nach § 42 oder nach dem 01.11.2015 vorläufig bei einem anderen Jugendamt in Obhut genommen wurde?

Ein entwichener UMA wird nach einem zwischen den Bundesländern, dem Bundesverwaltungsamt und BMFSFJ vereinbarten Verfahren zunächst 48 Stunden im Jugendamt, das ihn vorläufig in Obhut genommen hat, geführt. Für diese 48 Stunden bleibt das Jugendamt zuständig.

Taucht der UMA innerhalb dieser 48 Stunden nicht wieder auf, so gilt die Maßnahme als beendet und der belegte Platz ist wieder frei.

Wird der UMA nach den 48 Stunden erneut aufgegriffen, so ist das Jugendamt örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der UMA nunmehr tatsächlich aufhält.

Was sind „Werktage“ i.S.v. § 42a Abs. 4 und § 42b Abs. 3?

Nach § 7 Abs. 3 sind Werktage im Sinne der § 42a bis § 42c die Wochentag Montag bis Freitag; ausgenommen sind gesetzliche Feiertage.

Wann beginnt die Frist i.S.v. § 42a Abs. 4 und § 42b Abs. 3 zu laufen?

Die Berechnung der Fristen erfolgt nach § 26 SGB X i. V. m. § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 1 BGB.

§ 187 Abs. 1 BGB regelt, dass wenn für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend ist, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

§ 188 Abs. 1 BGB regelt, dass eine nach Tagen bestimmte Frist mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist endigt.

Bei § 42a Abs. 4 ist das in § 187 BGB erwähnte Ereignis, an das für die Fristberechnung anzuknüpfen ist, die vorläufige Inobhutnahme. Bei § 42b Abs. 3 ist das Ereignis die Meldung des Bundesverwaltungsamt an die Landesverteilstelle des zur Aufnahme verpflichteten Landes.

Bei der Berechnung ist die Definition der Werktage. zu beachten.

Beispiel zu § 42a Abs. 4:

Vorläufige Inobhutnahme: 09.02.2016 (Dienstag)

Frist: 7 Werktage

Fristbeginn: 10.02.2016 (Mittwoch), 0.00 Uhr

Fristende: 18.02.2016 (Donnerstag), 24.00 Uhr

Beispiel zu § 42b Abs. 3:

Meldung am 19.02.2016 (Freitag)

Frist: 2 Werktage

Fristbeginn: 22.02.2016 (Montag), 0.00 Uhr

Fristende: 23.02.2016 (Dienstag), 24.00 Uhr

Wie ist zu verfahren, wenn das vorläufig in Obhut nehmende Jugendamt alle gesetzlichen Fristen für das Verteilerverfahren eingehalten hat, die Landesjugendämter oder andere örtliche Jugendämter ihrerseits die Fristen jedoch nicht einhalten und deswegen die Monatsfrist des § 42b Abs. 4 Nr. 4 überschritten wird?

§ 42b Abs. 4 Nr. 4 sieht vor, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens ausgeschlossen ist, wenn die Durchführung des Verteilungsverfahrens nicht innerhalb eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme erfolgt ist.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird auf die Durchführung des Verfahrens als solches abgestellt und nicht danach differenziert, an welcher Stelle es im Rahmen des Verteilungsverfahrens zu Fristversäumnissen gekommen ist. Folglich führt das Verstreichen der Monatsfrist dazu, dass nach § 42b Abs. 4 Nr. 4 die Durchführung des Verteilungsverfahrens ausgeschlossen ist.

Der Ausschluss der Verteilung nach Überschreiten der Monatsfrist schränkt die Möglichkeiten des Jugendamtes nicht ein, ein anderes Jugendamt um die (freiwillige) Übernahme der Zuständigkeit für die Inobhutnahme des UMA zu bitten, wenn z. B. die dortige Betreuung oder Unterbringung dem Wohl des Kindes dient und seinen spezifischen Bedürfnissen besser gerecht werden kann.

Bis zum 31.12.2016 besteht die Möglichkeit, die Frist in § 42b Abs. 4 Nr. 4 um einen Monat zu verlängern, wenn die zuständige Landesstelle gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigt, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens nicht innerhalb der Frist erfolgen kann (§ 42d Abs. 3).

Welche Informationspflichten ergeben sich für das erstaufnehmende Jugendamt gegenüber der Landesverteilstelle?

Dies ergibt sich aus § 42a Abs. 4:

  • Die vorläufige Inobhutnahme selbst innerhalb von 7 Werktagen nach Beginn der Maßnahme
  • Die Ergebnisse der Einschätzung aus dem Erstscreening nach § 42a Abs. 2 S. 1
  • Die Entscheidung auf Grundlage des Erstscreenings, ob der UMA zur Verteilung angemeldet wird oder vom Verteilerverfahren ausgeschlossen ist

Um eine dem Kindeswohl entsprechende landesinterne Verteilungsentscheidung zu gewährleisten, ist die Kenntnis bestimmter personenbezogener Daten über den UMA, wie Geschlecht, Alter, Herkunft, Sprachkenntnis, Ethnie, Religion, hilfreich. Die Landesverteilstelle strebt eine stetige Verbesserung ihrer Datengrundlage an. Dementsprechend bleibt eine künftig obligatorische Abfrage weiterer Daten, sofern im Verfahrensgang darstellbar, vorbehalten.

Die nach § 42b Abs. 6 S. 1 werktäglich zu übermittelnden Daten sind – insoweit abweichend von der gesetzlichen Vorgabe – nicht der Landesverteilstelle, sondern über das webbasierte Verfahren direkt dem Bundesverwaltungsamt zu melden. 

Darf bzw. muss der junge Mensch auch dann in Obhut genommen werden, wenn Zweifel an der Minderjährigkeit bestehen? 

Was ist eine „geeignete Person“ i.S.v. § 42a Abs. 5 S. 1. Nr. 1? Gibt es eine landesweite Definition?

In der Gesetzesbegründung zu § 42a Abs. 5 ist festgehalten worden, dass als geeignete Personen Fachkräfte des Jugendamtes oder eines freien Trägers der Jugendhilfe in Betracht kommen.[9] Der Gesetzeswortlaut spricht jedoch von einer insofern geeigneten Person“. Das Wort „insofern“ wurde noch nach der Beratung im FSFJ-Ausschuss des Bundestages eingefügt und soll klarstellen, dass die Begleitung nicht notwendigerweise von einer Fachkraft wahrgenommen werden muss.[10] Als geeignete Personen kommen daher beispielsweise auch Ehrenamtliche und Bundesfreiwillige in Betracht.[11] Im Einvernehmen mit dem für die vorläufige Inobhutnahme zuständigen Jugendamt, kann auch das Jugendamt der Zuweisung die Begleitung des Kindes oder Jugendlichen übernehmen.[12]

[9] BR-Drs. 349/15, S. 22.

[10]Nachtragskommentierung zum Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher, Wiesner/Loos, Dezember 2015, § 42a SGB VIII, N. 31; einsehbar unter:

http://rsw.beck.de/cms/?toc=WiesnerSGB.20 und BeschlussEmpfBer BT-Drs. 18/6392, S. 19.

[11] BeschlussEmpfBer BT-Drs. 18/6392, S. 19.

[12] BeschlussEmpfBer BT-Drs. 18/6392, S. 19.

Darf bzw. muss der junge Mensch auch dann in Obhut genommen werden, wenn Zweifel an der Minderjährigkeit bestehen? 

Muss eine Begleitung der UMA erfolgen oder können diese ggf. mit dem Taxi gefahren bzw. ältere UMA mit dem Zug fahren und am Zielbahnhof in Empfang genommen werden?

Nach § 42a Abs. 5 S. 1 umfasst die Inobhutnahme auch die Pflicht, die Begleitung des UMA und dessen Übergabe durch eine insofern geeignete Person sicherzustellen. Auch in der Gesetzesbegründung zu § 42a Abs. 5 ist festgehalten, dass ein am Kindeswohl ausgerichtetes Verteilungsverfahren es gebietet, den UMA bei der Überführung zum Jugendamt der Zuweisung nicht allein zu lassen.[13] Eine Ausnahme von der Begleitung lässt das Gesetz somit nicht zu.

[13] BR-Drs. 349/15, S. 22.

Inwiefern kann sich ein UMA gegen die Anmeldung zur Umverteilung verweigern?

Ein Vetorecht des UMA gibt es nicht. Eine Entscheidung über die Anmeldung zur Umverteilung hat sich jedoch am Wohl des Kindes zu orientieren (vgl. § 42a Abs. 2 S. 1 Nr. 1). Wenn sich der UMA einem Verteilungsverfahren verweigert und aufgrund seines seelischen Zustandes zu befürchten ist, dass eine Durchführung der Verteilung entgegen dieser sehr starken Ablehnungshaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer (Re)-Traumatisierung führen kann, dann ist von der Durchführung des Verteilungsverfahrens abzusehen.[14]Wird der UMA mithin vom Verteilungsverfahren ausgeschlossen, bleibt das erstaufnehmende Jugendamt für den UMA zuständig.

[14] BR-Drs. 349/15, S. 21.

Wie werden die UMA bewertet, bei denen die Durchführung des Verteilungsverfahrens nicht innerhalb von einem Monat nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme abgeschlossen wurde?

Ist die Durchführung des Verteilungsverfahrens nicht innerhalb eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme erfolgt, so ist die Verteilung ausgeschlossen (§ 42b Abs. 4 Nr. 4). Das vorläufig in Obhut genommene Jugendamt bleibt weiterhin zuständig; auch für die Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 3.[15]

Bis zum 31.12.2016 besteht die Möglichkeit, die Frist in § 42b Abs. 4 Nr. 4 um einen Monat zu verlängern, wenn die zuständige Landesstelle gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigt, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens nicht innerhalb der Frist erfolgen kann.

[15] Vgl. auch BT-Drs. 18/5921, S. 25; Kunkel/Kepert, SGB VIII, 6. Aufl., § 42a, Rn. 25.

Was geschieht mit einem UMA, der während der vorläufigen Inobhutnahme volljährig wird? 

Wird ein UMA während der vorläufigen Inobhutnahme volljährig, so endet grundsätzlich die Primärzuständigkeit des Jugendamtes und die vorläufige Inobhutnahme wird aufgehoben. Den Volljährigen trifft nun eine Wohnortverpflichtung in einer Erstaufnahmeeinrichtung (§ 47 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 AsylG).

UMA, die innerhalb von zwei Monaten nach vorläufiger Inobhutnahme volljährig werden, sind nicht zur Verteilung anzumelden.

Ist die Entscheidung, wann die vorläufige Inobhutnahme beendet werden kann, bei Unterschreitung der Sollquote, an bestimmte Kriterien gebunden oder sind die Landkreise oder die kreisfreien Städte in der Entscheidung autonom?

Wann die vorläufige Inobhutnahme endet, ist in § 42a Abs. 6 genau definiert (Übergabe des UMA an den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten, Übergabe an das aufgrund der Zuweisungsentscheidung der Landesverteilstelle nach § 88a Abs. 2 S. 1 zuständige Jugendamt oder mit der Anzeige, dass der UMA vom Verteilungsverfahren ausgeschlossen ist, § 42a Abs. 4 S. 3) und losgelöst von der Frage, ob eine Unterschreitung der Sollquote vorliegt. Die vorläufige Inobhutnahme kann außerdem dann beendet werden, wenn der UMA während der vorläufigen Inobhutnahme entweicht und nicht innerhalb von 48 Stunden wieder auftaucht.

Ist nach der vorläufigen Inobhutnahme noch ein Clearing erforderlich?

Ja. Die vorläufige Inobhutnahme hat zwar eine gewisse „Clearing-Funktion“ (Erstscreening zur Einschätzung der individuellen Situation des UMA).[16] Im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme geht es aber nicht darum, weiterführende Hilfen festzustellen und in Gang zu setzen, die für das künftige Wohl des UMA erforderlich sind. Es geht vielmehr darum, festzustellen, ob eine Übergabe des Minderjährigen an ein anderes Jugendamt im Rahmen des Verteilungsverfahrens ohne eine Gefährdung seines Wohls möglich ist.[17] 

Im Rahmen der sich an die vorläufige Inobhutnahme anschließenden regulären Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 findet das eigentliche Clearingverfahren statt. Hier hat das Jugendamt gem. § 42 Abs. 2 S. 1 die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem UMA zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung – ggf. auch über die Volljährigkeit hinaus (§ 41) - aufzuzeigen.

[16] Kirchhoff, jurisPR-SozR, 2/2016, Anm. 1.

[17] Kirchhoff, jurisPR-SozR, 2/2016, Anm. 1.

Ist es möglich, dass Jugendämter andere Jugendamtsbezirke entlasten?

§ 88a Abs. 2 S. 3 SGB VIII regelt, dass ein anderer Träger aus Gründen des Kindeswohls oder aus sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht die örtliche Zuständigkeit von dem zuständigen Träger übernehmen kann.

Zudem ist auf freiwilliger Basis stets eine Entlastung durch Übernahme von Zuständigkeiten möglich.

Derzeit befindet sich ein Gesetzentwurf zu Änderung des Jugendförderungsgesetzes im Gesetzgebungsverfahren, der ebenfalls eine Entlastung der vorläufig in Obhut nehmenden Jugendämter durch Änderung der örtlichen Zuständigkeit vorsieht. Das Land Schleswig-Holstein, der Schleswig-Holsteinische Landkreistag und der Schleswig-Holsteinische Städteverband haben am 25.02.2016 eine an den Gesetzesentwurf angelehnte Verwaltungsvereinbarung geschlossen, welche bis zum Inkrafttreten des Gesetzes eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme auf freiwilliger Basis ermöglicht.


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