Die Freigabe ist ein Verfahren, nach dem Stoffe aus dem Bereich der Atomaufsicht entlassen werden können. Hierzu muss nachgewiesen werden, dass von ihnen eine zu vernachlässigende Strahlung ausgeht. Unter Ziffer 1 wurde bereits ausgeführt, dass wir in unserer Umgebung überall Strahlung messen können und die meisten Stoffe, insbesondere Beton, (natürliche) Radioaktivität enthalten. In einem Kontrollbereich werden per se alle Stoffe zunächst als radioaktiv klassifiziert, auch wenn sie nie mit Radioaktivität in Berührung gekommen sind.
Die Freigabe und deren Umsetzung sind komplex und basieren auf dem Atomgesetz und der Strahlenschutzverordnung:
Radioaktive Stoffe sowie bewegliche Gegenstände, Gebäude oder Gebäudeteile, Bodenflächen, Anlagen oder Anlagenteile können unter bestimmten Voraussetzungen aus der atomrechtlichen Überwachung zur Verwertung, Verwendung, Beseitigung oder zur Weitergabe an einen Dritten als nicht radioaktiver Stoff entlassen werden. Dies erfolgt durch die Freigabe (Verwaltungsakt) gemäß § 33 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) bei Unterschreitung der Freigabewerte und weiterer Anforderungen und Randbedingungen der StrlSchV entsprechend des Teil 2 Kapitel 3 StrlSchV. Bei der Freigabe wird unterschieden zwischen der uneingeschränkten Freigabe von festen und flüssigen Stoffen, der spezifischen Freigabe von Bauschutt und Bodenaushub, von Bodenflächen, von Gebäuden zur Wieder-, Weiterverwendung, der spezifischen Freigabe zur Beseitigung auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen, der spezifischen Freigabe von Gebäuden zum Abriss oder von Metallschrott zur Rezyklierung. Auch eine gesondert zu beantragende Freigabe im Einzelfallverfahren ist in einem gesonderten Nachweisverfahren möglich. Die freigegebenen Stoffe unterliegen den Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes.
Radioaktive (Rest)-Stoffe sind durch den jeweiligen Genehmigungsinhaber schadlos zu verwerten oder geordnet zu beseitigen. Dies kann insbesondere nach einer Freigabe gemäß § 33 Strahlenschutzverordnung erfolgen. Im Rahmen des atomrechtlichen Aufsichtsverfahrens ist auf Basis von Aktivitätsmessungen für jedes konkret vorliegende Material nachzuweisen, dass eine Aktivität entsprechend der Vorgaben und Regelungen der StrlSchV zu vernachlässigen ist und eine Entlassung aus der Aufsicht als "nicht radioaktiver Stoff" erfolgen kann.
Eine Aktivität ist nach den Vorgaben der StrlSchV zu vernachlässigen, wenn die erwartete jährliche Individualdosis von Personen der allgemeinen Bevölkerung, die von den freigegebenen Stoffen verursacht wird, im Bereich von 10 Mikrosievert oder weniger (10 Mikrosievert-/‘de minimis‘-Konzept) und damit weit unter der natürlichen Strahlenexposition liegt.
Zu jeder Materialcharge aus dem Kontrollbereich, die das Kernkraftwerksgelände nach Abschluss des Freigabeverfahrens verlässt, bzw. zu jedem Gebäudeteil, das zum Abriss freigegeben wird, ist gemäß einem Verfahren, dem die Atomaufsicht zuvor zustimmen muss, der messtechnische Nachweis zu erbringen, dass die Freigabewerte der Strahlenschutzverordnung eingehalten werden. Hierbei wird jeweils der Stand von Wissenschaft und Technik berücksichtigt.
Erst wenn dieser Nachweis vollständig geführt ist - und durch von der Atomaufsicht zugezogene Sachverständige – auch auf Basis von Kontrollmessungen - bewertet worden ist, wird die Atomaufsicht die Freigabe für eine konkret vorliegende Materialmenge erteilen.
Da die Freigabe ein Verwaltungsakt gemäß § 33 StrlSchV ist, hat die Behörde bei der Erteilung der Freigabe keine Wahl: Wenn alle Voraussetzungen vorliegen, ist die Freigabe zu erteilen.